The Woman in Cabin 10

Eigentlich wurde der Journalistin Laura Blacklock (Keira Knightley) ja nahegelegt, dass sie doch einmal eine Auszeit nehmen könnte. Aber warum nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden? Und so nimmt sie die Einladung an, der feierliche Eröffnung einer neuen Stiftung beizuwohnen, die an Bord einer von Richard (Guy Pearce) gemieteten Luxusyacht stattfindet. Der Hintergrund ist traurig. So ist dessen Annie (Lisa Loven Kongsli) schwerkrank, sie leidet an Leukämie. Aber sie ist eben auch schwerreich, das Geld soll nach ihrem Tod einem guten Zweck dienen. Das bietet sich doch für einen Artikel an! Die Feierlaune nimmt aber ein frühes Ende, als sie Zeugin eines Mordes wird. Nur will ihr niemand glauben, da eine Leiche fehlt. Auch von der Frau, die sie entdeckt haben will, fehlt jede Spur, deren Kabine steht leer. Also muss sie mit ihrem Ex-Freund Ben (David Ajala), der zufällig auch an Bord ist, selbst nach Beweisen suchen …

Bestseller-Adaption nach bewährtem Prinzip

Zurzeit kann man sich über einen Mangel an düsteren Stoffen auf Netflix nun wirklich nicht beklagen. Aus aller Welt schafft der Streamingdienst Filme und Serien herbei, die von Abgründen erzählen und Spannung erzeugen wollen. Da war der südkoreanische Actionthriller Mantis, der von Machtkämpfern in der Welt von Auftragsmördern berichtet. Bei der französischen Abenteuerserie Nero geht es ebenfalls um einen Auftragsmörder, dazu eine Hexe und eine Kirche, die über Leichen geht. Bei der spanischen Produktion Ángela wiederum erfährt eine Frau, dass ihr gewalttätiger Mann sie töten will – oder ist das nur eine Lüge? Wer das alles schon durch hat und nach einer neuen finsteren Geschichte lechzt, bekommt mit The Woman in Cabin 10 Nachschub. Der Film dürfte dabei viel Aufmerksamkeit erhalten. Nicht nur, dass hier einige große Stars mitspielen. Es handelt sich zudem um eine Bestseller-Adaption, Grundlage bildet der gleichnamige, 2016 veröffentlichte Roman von Ruth Ware.

Das Szenario ist dabei altbekannt: Die Hauptfigur beobachtet oder vermutet einen Mord, den man ihr aber nicht glaubt. Beispiele für solche Geschichten gibt es ohne Ende, zu den berühmtesten gehören sicher Das Fenster zum Hof und 16 Uhr 50 ab Paddington. Das Setting ist auch bewährt, es gibt einige Krimis und Thriller, die an Bord eines Fahrzeugs spielen, aus denen die Figuren nicht entkommen könnten. Und auch, dass man an der geistigen Gesundheit zweifelt, ist nicht gerade ein neuer Einfall. Entsprechend viele Déjà-vus darf man hier haben. The Woman in Cabin 10 ist eine Mischung aus Tod auf dem Nil und Flightplan – Ohne jede Spur sowie dutzenden weiteren Filmen. Und zumindest anfangs ist die Hoffnung auch groß, dass der Film hier sich einreihen wird und ähnlich viel Spaß macht wie die obigen Vorbilder, wenn wir gemeinsam mit der Protagonistin auf Spurensuche gehen.

Langweilig bis unsinnig

Doch je weiter der Film voranschreitet, umso weniger überzeugt er. Ein Problem sind eben die bekannten Elemente und die mangelnde Ambition, mehr aus allem zu machen. Die Figuren sind langweilig, beim Ablauf gibt es keinerlei Überraschungen, die Handlung besteht aus 08/15-Momenten, die Regisseur Simon Stone (Die Ausgrabung, Die Wildente) auch inszenatorisch einfallslos aneinanderreiht. Es ist noch nicht einmal, dass das Rätsel an sich sehr spannend ist. Worum es geht, ahnt man doch recht früh, weil es The Woman in Cabin 10 verpasst, irgendwelche Alternativen aufzubauen. Dass die Auflösung unerwartet früh stattfindet, macht die Sache nicht besser.

Das andere inhaltliche Problem ist die mangelnde Glaubwürdigkeit. Schon der Einstieg setzt voraus, dass man nicht allzu sehr über alles nachdenkt. An Zufällen darf man sich ebenfalls nicht stören, The Woman in Cabin 10 ist da völlig schamlos. Aber es wird mit der Zeit immer unsinniger, gerade beim Finale wird es geradezu beleidigend dämlich. Das ist schade, weil der Film eigentlich viel mitbringt, neben der besagten Besetzung gibt es ein geradezu absurd schickes Ambiente. Das hilft aber alles nichts, wenn die Geschichte ein solcher Murks ist. Die Romanadaption mag aufgrund der großen Namen viel Aufmerksamkeit erhalten. Netflix hat jedoch deutlich Besseres zuletzt veröffentlicht, mit A House of Dynamite steht auch ein wesentlich interessanterer Thriller kurz bevor.