Selbstbestimmung Politik Abtreibung in den USA Reversing Roe Netflix

Selbstbestimmung ./. Politik – Abtreibung in den USA

Selbstbestimmung Politik Abtreibung in den USA Reversing Roe Netflix
„Selbstbestimmung ./. Politik – Abtreibung in den USA“ // Deutschland-Start: 13. September 2018 (Netflix)

Es ist nur eines der vielen Baustücke, die das politische Treiben in den USA zu einer anhaltenden Posse machen: die geplante Berufung von Brett M. Kavanaugh an den Obersten Gerichtshofes der USA. Beide Parteien werfen einander reine Parteiinteressen bei der Besetzung der Position vor, während immer neue Vorwürfe an den umstrittenen Richter ans Tageslicht kommen – unter anderem der einer versuchten Vergewaltigung. Nun sollte das eigentlich niemanden überraschen, nicht bei dieser Regierung, nicht in der aktuellen Verfassung der USA. Nur ein Punkt unter vielen, könnte man meinen.

Wie wichtig diese Besetzung jedoch ist, das zeigt – über Umwege – die neue Netflix-Dokumentation Selbstbestimmung ./. Politik – Abtreibung in den USA. Wie der Titel bereits verrät, behandelt der Film eigentlich das Thema Abtreibung. Das polarisierte auch hierzulande lange die Gesellschaft, ist inzwischen jedoch kein echter Aufreger mehr. Ganz im Gegenteil zu den USA, wo sich Befürworter und Gegner in einem erbitterten Kampf gegenüberstehen. Die einen halten das Recht auf Leben, auch ungeborenes, für gottgegeben, weshalb sich kein Mensch anmaßen dürfe, es zu nehmen. Die anderen sehen diese Entscheidung als eine persönliche an, die jede Frau für sich treffen können muss.

Geschichtsstunde ohne Urteil
Der Film hält sich aus der Diskussion als solchen weitestgehend heraus. Zwar lassen die Regisseurinnen Ricki Stern und Anne Sundberg beide Seiten zu Wort kommen, mischen sich inhaltlich aber nicht ein, ziehen selbst auch keine Schlussfolgerung. Stattdessen dokumentieren sie die gesetzliche Entwicklung dieser Debatte. In deren Mittelpunkt: Roe v. Wade. Das Urteil des Obersten Gerichtshofes, welches auch im englischen Originaltitel Reversing Roe angesprochen wird, legte 1973 fest, dass Abtreibungen unter das Recht der Privatsphäre fallen. Alle bundesstaatlichen Gesetze, die Abtreibungen verhindern wollten, wurden damit automatisch außer Kraft gesetzt.

Ende der Geschichte? Nicht ganz. Denn Gesetze sind immer an die gebunden, die sie erlassen. Setzt sich der Oberste Gerichtshof aus anderen Richtern zusammen, kommen diese auch zu anderen Schlüssen. Was früher einmal beschlossen wurde, kann später auch wieder rückgängig gemacht werden – es braucht nur die entsprechende Mehrheit. Selbstbestimmung ./. Politik – Abtreibung in den USA zeichnet daher die Geschichte des Gerichtshofes nach, erklärt wie sich die Wechsel in der Zusammensetzung auf die Gesetzgebung auswirkten, eben am Beispiel Abtreibung.

Spannende Machtkämpfe
In nur anderthalb Stunden wird so ein zeitlich beeindruckender Bogen gespannt, von 1973 bis zu Donald Trump, der die Evangelisten als wichtige Zielgruppe für seine Wahl ansah. Dass er dafür seine eigenen vorherigen Aussagen zu Abtreibung revidieren musste, störte ihn nicht weiter, so wie auch andere US-Präsidenten ihre Ansichten geändert haben, um das wichtige Klientel zu bedienen. Hauptsache man hat am Ende die Macht. Der Dokumentarfilm ist daher ernüchternd bis schockierend, führt noch einmal vor Augen, wie zynisch Politik manchmal sein kann.

Als Kontrastpunkt stellen Stern und Sundberg Frauen vor, die direkt betroffen sind, entweder als Ärztinnen oder auch als Schwangere, denen unentwegt durch Gesetze oder Propaganda Steine in den Weg gelegt werden. Ob zurecht oder nicht, das sei einmal dahingestellt. Doch gleich, wie man zu dem Thema steht: Spannend ist Selbstbestimmung ./. Politik – Abtreibung in den USA auf jeden Fall, da parallel zu den sich wechselnden Machtverhältnissen auch die Situation in dem Bereich ändert. Mal hat die eine Seite Oberwasser, dann die andere. Wer am Ende siegreich sein wird, ob es überhaupt ein Ende geben wird, das wird die Zukunft zeigen, besonders wenn am Obersten Gerichtshof demnächst womöglich Geschichte geschrieben wird.



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„Selbstbestimmung ./. Politik – Abtreibung in den USA“ zeichnet die Geschichte des US-amerikanischen Abtreibungsrechts seit dem Grundsatzurteil im Jahr 1973 nach. Die ständigen Wechsel im Zusammenhang mit der Neubesetzung des Gerichtshofes sind sehr spannend, gerade auch wegen des ungewissen Ausgangs. Gleichzeitig entlarvt der Dokumentarfilm den Gesetzgebungsprozess als zynische Umsetzung von Eigeninteressen.