Verräter Traitors Netflix
© Netflix

Verräter – Staffel 1

Verräter Traitors Netflix
„Verräter – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 29. März 2019 (Netflix)

Das hatte sich Feef Symonds (Emma Appleton) irgendwie anders vorgestellt. Sie wollte als britische Spionin die Welt bereisen, große, spannende Abenteuer erleben. Aber daraus wird wohl nichts, wir schreiben das Jahr 1945, der Zweite Weltkrieg nähert sich dem Ende zu. Aber vielleicht gibt es da ja doch eine Möglichkeit. Denn da ist ja noch ihr Liebhaber Peter McCormick (Matt Lauria), der für den amerikanischen Geheimdienst arbeitet und sie Rowe (Michael Stuhlbarg) vorstellt. Der wiederum ist fest davon überzeugt, dass die britische Regierung von russischen Spionen unterwandert ist und überredet sie dazu, dort doch mal ein bisschen herumzuschnüffeln.

Es ist nicht alles so, wie es nach außen hin erscheint. Zum Glück für Spione, deren Beruf ja in maßgeblicher Weise davon abhängt, dass niemand wirklich weiß, was sie da tun, warum sie was tun und für wen sie es tun. So etwas kann aber auch mal nach hinten losgehen, siehe Verräter. Denn die britische Serie, die daheim auf Channel 4 lief und nun über Netflix auch deutsche Fernseher erreicht, erfüllt nur selten die Erwartungen, die wohl die meisten in eine solche Spionagegeschichte haben dürften. Erwartungen, die uns zuvor andere eingebrockt haben.

Das ist doch kein echter Geheimagent!
Was Spionage im Alltag bedeutet, das wissen in der Regel nur Betroffene. Der Rest bezieht sein Wissen aus Filmen bzw. Filmreihen wie James Bond oder Mission: Impossible. Das bedeutet nicht nur absurde Gadgets, mit denen man sich aus den brenzligsten Situationen befreien kann, sondern vor allem auch viel Action. Ein Geheimagent, der sich nicht mindestens zwei, drei Mal pro Film eine wilde Verfolgungsjagd liefert, bei der drumherum alles aus den unerklärlichsten Gründen explodiert, der ist doch nichts wert.

Bei Verräter gibt es das alles nicht. Das hängt zum einen sicherlich mit dem zeitlichen Rahmen zusammen, 1945 lassen sich die modernen Sci-Fi-Apparaturen nicht so einfach unterbringen. Vor allem aber hatte Bash Doran, die die Serie entwickelt und einige der Drehbücher geschrieben hat, eine ganz andere Vorstellung davon, was sie hier erzählen will. Bei ihr ist Feef eben nicht die unmenschliche Überfliegerin, die es allein mit Heerscharen von Gegnern aufnehmen kann. Die Anfängerin ist ja schon damit überfordert, in Büros herumzusuchen, ohne dass es jemand mitbekommt. Sie ist eher das, was wir in einer solchen Situation wären: voller Enthusiasmus, etwas Aufregendes zu erleben, aber ohne wirkliche Ahnung.

Zeitporträt ohne Zeitnot
Dass das nicht unbedingt jedem gefällt, versteht sich von selbst. Das Netz ist voller enttäuschter Kommentare, wie schrecklich langweilig Verräter doch ist. Das ist verständlich: Nicht nur, dass sich die Serie um eine bodenständigere und alltäglichere Fassung der Spionage bemüht, das Tempo ist zudem recht gering. Vor allem in den ersten Episoden wartet man ein bisschen vergeblich darauf, dass die Geschichte irgendwann an Fahrt aufnimmt. Zu erzählen hat die britische Serie zwar genug, nur nicht über das, weswegen die meisten einschalten dürften. Da wird viel von Politik gesprochen, von gesellschaftlichen Themen und Umbrüchen. Da bleibt nicht viel Zeit für Agententätigkeit.

Interessant ist die Serie daher eher für Zuschauer, die etwas über das Nachkriegsengland erfahren wollen. Spionagethriller trifft Verräter kaum. Vielmehr nimmt Dolan Elemente aus solchen Filmen und vermischt sie mit einem historischen Drama, das tatsächlich etwas zu sagen hat – beispielsweise über die Rolle der Frau. Feef steht hierbei der erfahrenen Priscilla (Keeley Hawes) gegenüber, die eine sehr viel feministischere und zynische Weltsicht vertritt. Emotional bzw. mitreißend ist das weniger, auch wenn Luke Treadaway (Bob, der Streuner) etwas unnötig als Love Interest eingeführt wird. Es mangelt an echten Höhepunkten, um aus der vornehmen Tristesse mehr zu machen als ein solides Zeitporträt.



(Anzeige)

„Verräter“ wirbt mit aufregender Spionagetätigkeit, wird aufgrund der bodenständig-alltäglichen Herangehensweise und des geringen Tempos aber eher langweilen. Spannender ist die Serie um eine Frau, die ihre Regierung auf Drängen der USA ausspioniert, als ein gesellschaftlich bewusstes Historiendrama, das uns ein England zum Ende des Zweiten Weltkriegs näherbringt.
6
von 10