Photocopier Netflix
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Photocopier

Inhalt / Kritik

Photocopier Netflix
„Photocopier“ // Deutschland-Start: 13. Januar 2022 (Netflix)

Die junge Suryani (Shenina Cinnamon) ist vielbeschäftigt: Sie hilft im Restaurant ihrer Eltern aus, versucht ihr Vita mit Webdesign aufzubessern und versucht nebenbei noch ihr Studium zu bestreiten. Als das Stück ihrer Theatergruppe „Mata Hari“ zum asiatischen Theaterfestival nach Kyoto geschickt werden soll, erlaubt sich auch die fleißige Sur einen „freien“ Abend mit ihren Mitstudierenden. Doch die Party verläuft anders als erwartet… Sur erleidet nach einer berauschten Nacht einen Filmriss und sieht sich am nächsten Tag mit den Konsequenzen konfrontiert: Wegen ihrer unmoralischen Social Media Postings der letzten Nacht entziehen die Alumni ihr das Stipendium, was sie auch ihren Studienplatz kosten wird. Sur ist völlig neben der Spur – sie war völlig ausgeknockt und kam erst um 3 Uhr nach Hause und kann sich an nichts erinnern. Hatte ihr jemand etwas in den Drink gemischt? Wer hatte die Postings gebracht? In ihrer Verzweiflung beginnt sie Schritt für Schritt zu rekreieren, was in dieser Nacht geschehen war und findet Beunruhigendes heraus…

Netflix-Erfolgsrezept: Internationale Filmküche

Photocopier ist eine der neuesten Netflix-Eigenproduktionen. Der indonesische Spielfilm vom Wregas Bhanuteja konnte bereits im vergangenen Oktober beim Busan International Film Festival in Südkorea seine Premiere feiern und das auch mit positivem Feedback der Kritiker und des Publikums. Fest steht, dass dieser Thriller frischen Wind auf Netflix bringt: Im Einheitsbrei der politisch überkorrekten, uninspirierten amerikanischen High-School-Inszenierungen bringt gerade ein solches Werk unverhofft spannende Textur in die Streaming-Küche. Die reichhaltige und vielfältige asiatische Film- und Serienkultur erregte erst kürzlich mit Squid Game aus Südkorea großes Aufsehen. Photocopier verdient das gleiche Level, wenn nicht sogar etwas mehr an Aufmerksamkeit.

Der etwa zweistündige Spielfilm greift an vielen komplexen Ecken und Kanten der studentischen und jugendlich-naiven Gemeinschaft an: Leistungsdruck, Einsamkeit, Gruppenzwang und so vielem mehr. Man spürt die junge, federführende Hand des Regisseurs und Co-Autoren, der sich mit seinen 30 Jahren immer noch zu den Jungspunden der Regiearbeit zählen darf. Er lässt den Zuschauenden seine tiefe Verbindung mit den Schicksalen seiner Protagonistin fühlen, erreicht eine nahezu unangenehme Nähe zu einer ernsten Thematik.

Ohne Schuld?

Diese ist folgende: Suryani hat nach der Party mit den dramatischen Folgen zu kämpfen. Ihre Eltern sind schwer enttäuscht, dass sie überhaupt Alkohol konsumiert hat, und der Verlust ihres Stipendiums sorgt für ein weiteres, großes Ärgernis in der einfachen, in ärmlichen Verhältnissen lebenden Familie. Ihr Vater setzt sie auf die Straße, sie muss selbst klarkommen, hat gegen zu viele Regeln verstoßen, ihre vielversprechende Ausbildung wissentlich gegen die Wand gefahren. Doch Sur kennt sich selbst am besten: Was in der vergangenen Nacht geschehen war, passt überhaupt nicht zu der fleißigen Studentin, die mit ihrem Organisationstalent, Kreativität und vor allem Zuverlässigkeit zu bestechen wusste. Und so macht sie sich auf die Suche nach Antworten. Bei ihren Nachforschungen waltet sie mit ihrer typischen Sorgfalt, lässt keinen Stein umgedreht. Sie fragt alle Beteiligten, ob sie ihr sagen können, wer diese Fotos von ihr gemacht und gepostet haben könnte.

Was diesen Krimi ausmacht ist nicht nur die sich immer mehr aufbauende Spannung, die tatsächlich bei Null beginnt und bei einem Blutdruck von 180 auf einem spektakulär-haarsträubenden Höhepunkt gipfelt. Es sind die grandiosen Bilder, die zugleich spielerisch-experimentell als auch wahrhaft kunstvoll eine farbentraurige Atmosphäre schaffen, wie sie beispielsweise Tom Ford mit seinem Nocturnal Animals zu erzeugen wusste. Mit dem grellen Sci-Fi-Grün des Kopiererleuchtens bekommt der Film auch ein dezentes Mystery-Feeling, während die triste Slumlandschaft aus rostigen Garagentoren und windigen Wellblechdächern wieder auf den grauen Boden der Tatsachen zurückholt.

Körper voller Erinnerungen

Eine der tiefsten Wurzeln des Films scheint eine gewisse Kunstaffinität zu sein. Man fragt sich durch den Film hindurch, ob man hier gerade die ein oder andere Metapher hat liegen lassen und kann schon zu Anfang in der ersten Szene, die einen Teil der Theaterinszenierung der „Mata Hari“-Gruppe darstellt, das Bühnenbild und der begleitenden Scheinwerfer- und Fotoinstallation genießen. Mit den ersten Sekunden des Films fühlt man sich an die Eröffnungsszene von Nocturnal Animals erinnert, als leichtfüßige, adipöse Frauen nackt im Widerspruch zur dramatischen Musik erheitert tanzen. Die Szene in Photocopier ähnelt allerdings mehr in der Ästhetik und der ganzheitlichen Bedeutung für den Film der Sequenz aus Tom Fords Film und enthält eben keine Evakostüme als Schockfaktor.

Körper und die Geschichten, die sie erzählen, spielen eine tragende Rolle in dieser indonesischen Tragödie und regen zum Nachdenken an. Es stellt sich gegen Ende eine altbekannte Frage: Wann ist Kunst Kunst und wie weit will man dafür gehen? Und was nährt sie eigentlich?

Credits

OT: „Penyalin Cahaya“
Land: Indonesien
Jahr: 2021
Regie: Wregas Bhanuteja
Drehbuch: Wregas Bhanuteja, Henricus Pria
Musik: Yennu Ariendra
Kamera: Gunnar Nimpuno
Besetzung: Shenina Cinnamon, Chicco Kurniawan, Lutesha, Jerome Kurnia, Dea Panendra, Giulio Parengkuan

Bilder

Trailer

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Ein sich langsam zuspitzender Thriller voller audiovisueller Stärken in Soundtrack, Sounddesign und Bildern. Die einzige, kleinere Schwäche scheint der langsame Einstieg zu sein, doch sieht man nach dem Ende die erste Szene erneut, schließt sich der Kreis in diesem beeindruckenden konzeptionellen Werk. Tadellos und jung besetzt entfaltet sich ein befremdlicher Ritt durch eine atemraubende Geschichte voller Düsternis, verpackt in kunstvoll gezeichneten Bühnenbildern und beunruhigender, mitreißender Atmosphäre.
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