High Bekenntnisse einer Drogenkurierin Netflix
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High: Bekenntnisse einer Drogenkuriererin

High Bekenntnisse einer Drogenkurierin Netflix
„High: Bekenntnisse einer Drogenkurierin“ // Deutschland-Start: 21. Oktober 2022 (Netflix)

Inhalt / Kritik

Im August 2013 wurden die Nordirin Michaella McCollum und die Schottin Melissa Reid, beide knappe 20 Jahre alt, am Flughafen von Lima mit über elf Kilogramm Kokain im Gepäck verhaftet. Zunächst gaben sie an, von einer gewalttätigen Gang zu dem Schmuggel gezwungen worden zu sein, später revidierten sie diese Aussage jedoch und bekannten sich schuldig. Beide wurden zu fast sieben Jahren Haft verurteilt. Netflix bietet nun McCollum eine Plattform, um die Ereignisse aus ihrer Sicht zu schildern. Dabei fokussiert sich die Dokuserie vor allem auf nachgespielte Szenen, lässt aber auch McCollum selbst sowie andere direkt oder indirekt involvierte Personen zu Wort kommen.

Willkommen zur Drogenshow!

Darüber hinaus tritt McCollum auch als Erzählerin auf (es ist möglich, dass jemand dafür in ihre Rolle schlüpft, aber aufgrund unzureichender Credits kann das hier nicht abschließend beurteilt werden). Generell wirkt High: Bekenntnisse einer Drogenkurierin ziemlich glorifizierend. Nicht, dass die Serie Drogen oder deren Konsum verherrlichen würde, aber das hier wirkt schon alles eher nach der McCollum-Show. Ihr Voiceover im Intro bedient sogar die „Yep, that’s me! You’re probably wondering how I ended up here“-Trope. Die Serie versucht zwar, McCollum als armes Opfer hinzustellen, während uns gleichzeitig erzählt wird, dass sie eine intelligente, starke und so weiter Frau ist, aber viel von dem was wir von ihr oder anderen talking heads (richtig: sie übernimmt nicht nur das Voiceover als Erzählerin, sondern wird ebenfalls interviewt) über sie erfahren, lässt sie stattdessen wie einen selbstzentrierten, aufmerksamsgeilen Teenager wirken – auch heute noch.

Wenn sie mit etwa acht Jahren Abstand behauptet, vermutlich die meistgehasste Person der Welt gewesen zu sein, als sie zugab, dass sie nicht von einer Gang gezwungen wurde, sagt das eigentlich schon genug über ihr Welt- und ihr Selbstbild aus. Wohlgemerkt: Sie sagt nicht, dass sie sich damals in dem Moment so gefühlt hätte, was durchaus keine unverständliche Reaktion gewesen wäre. Sie bewertet die Situation in sachlichem Ton und stellt es so hin, als wäre die ganze Welt in Aufruhr geraten, weil irgendeine 20-Jährige, von der noch nie zuvor jemand etwas gehört hatte, gelogen hat. Auch eine ihrer Freundinnen zeichnet kein gutes Bild, wenn der Interviewer sie fragt, wie sie McCollum das erste Mal getroffen hat, und die Antwort „Drunk. (lacht)“ lautet.

Viele offene Fragen

Wie genau es dazu kam, dass die beiden in Lima landeten, darüber soll die Serie Aufschluss geben. Relevant ist hier erst einmal nur, dass McCollum nicht wusste, wo Lima lag, und dachte sie würde von Ibiza irgendwohin nach Spanien fliegen. Fast die ganze Zeit über drängt sich folgende Frage auf: Wo war ihr Vater? Nicht zu wissen, in welchem Land Lima liegt, ist ja eine Sache. Das wollte sie ihren Auftraggeber nicht fragen, um nicht als dumm dazustehen, womit sie nur zeigt, dass sie den Unterschied zwischen Intelligenz und Bildung nicht kennt. Aber wie kann es denn sein, dass eine junge Dame einfach so ohne weitere Recherche in ein Flugzeug steigt, weil ein dahergelaufener Drogendealer ihr schöne Augen macht? Natürlich stehen 20-Jährige auf eigenen Beinen, aber damit es so weit kommen konnte, muss ja in der Kindheit schon so einiges versäumt worden sein, etwa die altbekannte Warnung, nicht zu Fremden ins Auto zu steigen. McCollum geht nicht weiter darauf ein, berichtet aber anfangs, dass sie sozusagen aus Irland geflüchtet sei. Wovor genau lässt sie offen, aber es hatte wohl doch etwas mit der Familie zu tun. Heute ist sie alleinerziehende Mutter von Zwillingen, die hoffentlich nie in solche Situationen kommen werden.

Da die Serie komplett auf McCollums Aussagen basiert, ist ein gesundes Maß an Skepsis angebracht. Dessen war sich wohl auch Regisseur Stuart Bernard bewusst, schließlich wird zu Beginn jeder Folge der Hinweis eingeblendet, dass alles „based on the testimony of a convicted drug smuggler“ sei. Neben anderen Details ihrer Story ist gerade die Lima-Sache fragwürdig. Wie erwähnt ist es nicht weiter tragisch, nicht zu wissen, wo das liegt (in Peru, bevor jemand nachschlagen muss), aber dass sie es erst erfahren haben will, als sie bereits im Flugzeug saß, klingt einfach nicht glaubwürdig. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass sie eine Geschichte fabriziert hat, um besser dazustehen.

Hochwertig und fragwürdig

High: Bekenntnisse einer Drogenkurierin macht es dem Zuschauer trotz allem unglaublich einfach, immer weiter zu schauen. Mit einer Gesamtlaufzeit von etwas über zwei Stunden lassen sich die vier Episoden gut hintereinander wegkonsumieren, wofür vor allem der Production Value verantwortlich ist. Vielleicht war ja irgendwo noch ein geheimer Rest von der Schmuggelware übrig, der dann vertickt wurde, um vom Erlös diese Doku zu finanzieren. Bei dem hohen Anteil an Reenactments stellt sich sowieso die Frage, wieso nicht gleich eine fiktionalisierte Serie aus der Sache gemacht wurde. Vielleicht kommt das ja noch, auszuschließen wäre es bei McCollums Geschäftssinn nicht: 2019 veröffentlichte sie ihr Gefängnistagebuch unter dem Titel You’ll Never See Daylight Again, und ihre finalen Worte am Ende der letzten Episode klingen nach Marketinggewäsch, wie es von Leuten bekannt ist, die einen zur Teilnahme an Seminaren zur Lebensgestaltung bewegen wollen. Wer junge Töchter hat, sollte vielleicht darauf achten, dass diese sich andere Vorbilder wählen. Wer gar nichts übers Drogenschäft weiß, lernt hier immerhin ein wenig darüber, wie Kartelle operieren, aber ob das zu den positiven Aspekte der Serie gezählt werden kann, soll dahingestellt bleiben.

Credits

OT: „High: Confessions of an Ibiza Drug Mule“
Land: UK
Jahr: 2021
Regie: Stuart Bernard
Musik: Nainita Desai
Kamera: Rupert Binsley
Mitwirkende: Michaella McCollum, Tatiana Penfold

Trailer

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High: Bekenntnisse einer Drogenkuriererin
fazit
Mehr Schein als Sein: „High: Bekenntnisse einer Drogenkurierin“ hat einen hohen Production Value, was nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass hier schlicht versucht wird, die unklugen Taten einer jungen Dame schönzureden und diese in einem guten Licht dastehen zu lassen. Leider sind oft ihre eigenen Aussagen es, die dieses Unterfangen vereiteln.
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