Jimmy Savile Eine britische Horror-Story Netflix
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Jimmy Savile: Eine britische Horror-Story

Jimmy Savile Eine britische Horror-Story Netflix
„Jimmy Savile: Eine britische Horror-Story“ // Deutschland-Start: 6. April 2022 (Netflix)

Inhalt / Kritik

Wäre es nicht klar, dass Jimmy Savile: Eine britische Horror-Story bereits Monate vor Veröffentlichung produziert und vielleicht Jahre zuvor konzipiert worden wäre, der belesene Zuschauer könnte leicht die Vermutung anstellen, Netflix und Regisseur Rowan Deacon hätten sich die Kritik zu Broken Idol: Das Vergehen des Diomedes Díaz zu Gemüte geführt und aus den dort aufgezeigten formellen Unzulänglichkeiten jener True-Crime-Doku gelernt. Das Grundgerüst beider Fälle ist oberflächlich betrachtet immerhin vergleichbar: Ein bekannter Entertainer erfreut sich national weitläufiger Beliebtheit, bis sein Ansehen unter schweren Vorwürfen leidet. Im Falle von Jimmy Savile allerdings geht es nicht um ein einziges Verbrechen, sondern um weit über vierhundert. Es geht auch nicht um Mord, sondern um sexuellen Missbrauch – von Frauen, aber auch Kindern beiderlei Geschlechts.

Das Ganze fand auch nicht in einer einzigen Nacht statt, sondern über mehrere Dekaden. So richtig ans Tageslicht kamen die Vorwürfe, welche bis dahin immer einmal wieder auftauchten, aber meist als Gerüchte abgetan wurden, erst nachdem Savile im Jahre 2011 eines natürlichen Todes gestorben war. Statt das alles aber in einen Dokumentarfilm zu quetschen, wird es in zwei Episoden aufgeteilt, wie es ein findiger Kritiker nicht besser hätte vorschlagen können. Die erste etabliert Saviles berufliche Persönlichkeit, während immer wieder auf den dunklen Twist hingedeutet wird; in der zweiten Folge dann zieht sich die Schlinge enger, wenn investigative Journalisten von ihren Recherchen berichten.

Ein kaum verstecktes Doppelleben

Viele mögen im Laufe der Sichtung von Jimmy Savile: Eine britische Horror-Story oder danach ausrufen: „Oh nein, wie konnte das denn keinem auffallen? Es ist doch so offensichtlich!“ Ja natürlich ist es offensichtlich, wenn der Fall lange abgeschlossen ist, einem alles in auf einem (oder genauer gesagt zwei) Haufen konzentrierten, dreistündigen Material präsentiert wird, Archivaufnahmen aneinander gereiht werden, Zeitzeugen (etwa verteidigende Stimmen, anklagende Stimmen und nicht zuletzt einige von Saviles Opfern) zu Wort kommen und die Doku-Miniserie dem Zuschauer minutiös vorkaut, wie das alles zu bewerten ist. Ein bisschen Transferleistung ist hier schon vonnöten; der Großteil der Gräueltaten spielte sich schließlich zu einer Zeit ab, als es kein Internet gab, als einmal ausgestrahlte Fernsehbeiträge abgesehen von Wiederholungen für niemanden mehr zur Analyse zugänglich waren, der vielleicht nicht gerade beim entsprechenden Sender arbeitete, als TV-Moderator zu sein in den Augen vieler Menschen noch Gewicht hatte und in gewissem Rahmen unantastbar machte.

Zumal Savile in der Öffentlichkeit als spendabler Wohltäter wahrgenommen wurde, der er unabhängig von allem, was er sonst so getan haben, mag fraglos war: Über 40 Millionen Pfund Sterling konnte er für karitative Zwecke ansammeln. Erst ab den 2000er-Jahren geriet das Saubermannimage ins Wanken – wenn auch sehr langsam. Während von der Allgemeinheit zu jener Zeit also wirklich nicht erwartet werden kann, in der Lage gewesen zu sein, die Zeichen zu deuten, ist es kaum vorstellbar, dass engere Mitarbeiter und Vertraute nichts von seinem Doppelleben gewusst haben sollen.

Versuch einer Vertuschung

In der Tat versuchte die British Broadcasting Company aktiv, nicht zu viel Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Im Dezember 2011 unterband sie die Ausstrahlung eines investigativen Berichtes zu dem Thema, sendete kurz darauf zu Weihnachten lieber zwei Tribute an das verstorbene Aushängeschild. Auch die Polizei sollte mit Scham auf jene Zeit und wie die Vorwürfe von ihrer Seite aus gehandhabt wurden zurückblicken. Vertuschung beziehungsweise Inkompetenz kommen zwar zur Sprache, ebenso wie etabliert wird, dass Savile Kontakte bis ins Königshaus hatte. Hinsichtlich einer der Kernfragen – wie genau Savile über all die Jahre ungeschoren davonkommen konnte nämlich – ließe sich dennoch ankreiden, dass sie hier vielleicht nicht ausführlich genug beantwortet wird. Allerdings steht bereits eine auf Saviles Leben und Untaten basierende vierteilige True-Crime-Fernsehserie mit Steve Coogan in der Hauptrolle in den Startlöchern. Ob sich das von der BBC produzierte Drama in diesem Aspekt kritischer zeigt, wird sich voraussichtlich im Laufe des Jahres herausstellen.

Credits

OT: „Jimmy Savile: A British Horror Story“
Land: UK
Jahr: 2022
Regie: Rowan Deacon
Musik: Jessica Jones
Kamera: Patrick Smith

Trailer

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Jimmy Savile: Eine britische Horror-Story
Fazit
Während „Jimmy Savile: Eine britische Horror-Story” vielleicht die Forderung nach ein wenig mehr Informationen zu bestimmten Aspekten aufkommen lässt, ist das allemal besser als zu viel Füllmaterial zu benutzen. Verstörend ist die Doku-Miniserie über einen populären TV-Moderator und seine verabscheuungswürdigen Verbrechen allemal.
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