Clickbait
© Netflix/Ben King

Clickbait

Inhalt / Kritik

Clickbait
„Clickbait“ // Deutschland-Start: 25. August 2021 (Netflix)

Als ein Video im Internet die Runde macht, das den Vermissten Nick Brewer (Adrian Grenier) zeigt, ist der Schock groß. Nicht nur, dass der liebevolle Ehemann und Vater darin ein Schild hochhält, auf dem er zugibt, Frauen misshandelt zu haben. Sollte das Video irgendwann fünf Millionen Klicks erreichen, würde er auch getötet. Weder seine Frau Sophie (Betty Gabriel) noch seine jüngere Schwester Pia (Zoe Kazan) können diese Anschuldigungen glauben. Zudem wächst die Panik, da die Klickzahlen des viral gegangenen Videos kontinuierlich steigen und der angekündigten Marke immer näher kommen. Während Pia ihren Bekannten Roshan Amiri (Phoenix Raei), der bei der Polizei arbeitet, kontinuierlich antreibt und auch auf eigene Faust ermittelt, müssen Sophie und ihre beiden Söhne Ethan (Cameron Engels) und Kai (Jaylin Fletcher) mit den Anschuldigungen und dem Medienrummel fertig werden …

Düstere Geheimnisse am laufenden Band

Ein bisschen Overkill war das schon. Dass Netflix kontinuierlich Zeug um Zeug raushaut, ist zwar nicht außergewöhnlich. Das Geschäftsmodell des Streamingdienstes sieht es schließlich vor, unentwegt aus allen Kanonen zu feuern, irgendetwas davon wird schon treffen. Aber es ist doch auffällig, wenn am selben Tag gleich drei Serien an den Start gehen, die grob im Thrillerbereich angesiedelt sind und mit Mysteryelementen spielen. In Open Your Eyes wacht eine junge Frau in einer dubiosen Pflegeeinrichtung auf und kann sich an nichts mehr erinnern. Post Mortem: In Skarnes stirbt niemand beginnt damit, dass eine für tot erklärte Frau sich als quicklebendig herausstellt, was zu einer Suche nach möglichen Erklärungen führt. Und dann wäre da noch Clickbait, bei dem ein rätselhafter Entführungsfall das Leben einer Familie auf den Kopf stellt.

Die Serie könnten von den dreien auch die populärste sein. Sie ist zumindest die, die sich am leichtesten verkaufen lässt. Der Einstieg etwa ist eine ebenso clevere wie perfide Abwandlung des üblichen Entführungsszenarios. Schon unter normalen Umständen bedeutet dies einen Frontalangriff auf das Nervenkostüm der Beteiligten wie auch des Publikums. Schließlich stehen hier alle unter Zeitdruck, das Entführungsopfer noch rechtzeitig zu finden. Das richtig Gemeine hierbei ist jedoch, wie Clickbait dabei auch noch den Voyeurismus anprangert. Die Leute wollen sehen, worum es in dem Video geht, wollen mitreden können – und tragen damit gleichzeitig dazu bei, dass Nick der Drohung entsprechend sterben müssen. Diese Kritik an der Sensationslust geht dabei noch weiter, zieht die Medien ausdrücklich mit ein. Und eigentlich auch das Netflix-Publikum, das sich hierbei oder mit True Crime Dokus Nervenkitzel nach Hause holt.

Gesellschaft an der Oberfläche

Auch an anderen Stellen versucht sich Clickbait an einer Form der gesellschaftlichen Bestandsaufnahme. Vor allem unser Verhalten im Internet und unser Umgang miteinander rücken dabei in den Fokus, verbunden mit der Neigung, uns in der Anonymität des Netzes zu verstellen. Tatsächlich in die Tiefe geht das aber nicht. Auch wenn sich Ansätze finden, mehr zu bieten und relevant sein zu wollen, letzten Endes steht dann doch der reine Unterhaltungsfaktor im Vordergrund. Und das bedeutet: Hier wird alle paar Minuten die Richtung geändert auf der Suche nach der Wahrheit. Da kommen urplötzlich Abgründe zum Vorschein, was vorher als gesichert galt, ist es nun nicht mehr, bis man irgendwann jeden und jede verdächtigt, etwas mit der Sache zu tun zu haben.

Für ein Publikum, das Gefallen an den Serien von Harlan Coben (Safe, Kein Lebenszeichen) gefunden hat, dürfte auch diese ein Fest sein. Hier gibt es Wendungen ohne Ende und noch dazu ein hohes Tempo: Ruhepausen sind Mangelware, die acht Folgen rauschen geradezu an einem vorbei. Gleichzeitig ist Clickbait aber eben auch sehr seicht, vertieft weder die angesprochenen Themen noch die Figuren. Letztere sind nur ein Mittel zum Zweck, verhalten sich so, wie es das Drehbuch erfordert, nicht aus einer psychologischen Begründung heraus.

Am unteren Ende der Glaubwürdigkeit

Überhaupt sollte man seine Erwartungen an Glaubwürdigkeit ganz weit runterschrauben. Schon die Ausgangssituation ist natürlich konstruiert ohne Ende. Und das ist nur der Startschuss für eine Ansammlung der unglaublichsten Absurditäten. Man muss sich also darauf einstellen können, dass das hier alles kaum plausibel ist und man nur selten das Gefühl hat, es noch mit realen Menschen zu tun zu haben. Besonders hart schlucken heißt es zum Schluss, wenn die Serie die so ziemlich blödeste Auflösung auspackt, die man sich hat einfallen lassen können. Schafft man es, sein Gehirn einige Zeit lang auszuschalten, ist Clickbait schon auf seine Weise packend. Irgendwann wurden so viele Verdächtige verschleißt und Leichen aus den Kellern gekarrt, dass man schon auch wissen möchte, was nun wirklich war. Aber wie der Titel bereits ankündigt, das ist hier alles recht reißerisch, will die schnelle Aufmerksamkeit, ohne mit einem entsprechenden Inhalt zu belohnen.

Credits

OT: „Clickbait“
Land: USA, Australien
Jahr: 2021
Regie: Brad Anderson, Emma Freeman, Ben Young, Cherie Nowlan
Drehbuch: Tony Ayres, Christian White, Pete McTighe, Melissa Scrivner Love, Bradford Winters
Idee: Tony Ayres, Christian White
Musik: Cornel Wilczek
Kamera: Marden Dean, Mark Wareham
Besetzung: Zoe Kazan, Betty Gabriel, Phoenix Raei, Adrian Grenier, Cameron Engels, Jaylin Fletcher, Becca Lish, Ian Meadows

Bilder

Trailer

Weitere Netflix Titel

Ihr seid mit Clickbait schon durch und braucht Nachschub? Dann haben wir vielleicht etwas für euch. Unten findet ihr alle Netflix-Titel, die wir auf unserer Seite besprochen haben.

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„Clickbait“ beginnt spannend, wenn ein Entführungsfall mit einer perfiden Kritik an der Sensationsgier der Menschen verknüpft wird. Auch später versucht sich die Serie hin und wieder an gesellschaftlichen Themen, bleibt dabei aber schon sehr an der Oberfläche. Stattdessen gibt es ein konstant hohes Tempo und kontinuierliche Wendungen, bei denen sich niemand um Glaubwürdigkeit scherte.
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