Night in Paradise Netflix
© Netflix/Noh Juhan

Night in Paradise

Inhalt / Kritik

Night in Paradise Netflix
„Night in Paradise“ // Deutschland-Start: 9. April 2021 (Netflix)

Tae-Goo (Tae-goo Eom) kennt weder Skrupel noch Angst. Als Mitglied eines südkoreanischen Gangsterclans ist er es gewohnt, ein Leben in ständiger Gefahr zu führen. Als diesem jedoch seine Halbschwester und deren Tochter zum Opfer fallen, schwört er Rache an all denen, die daran beteiligt waren. Und so richtet er kurze Zeit später ein Blutbad bei den Männern der Konkurrenz an. Dass dies nicht ohne Konsequenz bleiben wird, das ist ihm auch klar, weshalb er kurz darauf die Flucht antritt. Dabei lernt er Jae-Yeon (Yeo-bin Jeon) kennen, die ebenfalls die Schattenseiten eines Verbrecherlebens kennenlernen musste und schwerkrank ist. Während die beiden noch nicht sicher sind, was sie voneinander halten sollen, haben Tae-Goos Gegner längst seine Spur aufgenommen …

Das brutale Paradies

Der strahlend blaue Himmel, das sanfte Wellen schlagende Meer, die angenehme Stille – doch, die Insel, auf der Tae-Goo Zuflucht findet, könnte man schon als Paradies bezeichnen. Doch das Publikum weiß zu dem Zeitpunkt natürlich schon, dass der Titel des Netflix-Films Night in Paradise allenfalls ironisch zu verstehen ist. Denn während wir sehnsüchtig zum Horizont schauen, spielen sich vor dem inneren Auge die diversen brutalen Szenen wieder, die sich zuvor ereignet haben. Und es werden nicht die letzten sein. Die südkoreanische Produktionen spart weder an Gewalt noch Blut, am Ende der Geschichte wird ein Großteil der Figuren, denen wir unterwegs begegnet sind, selbst schon Geschichte sein.

Tatsächlich ist Night in Paradise einer dieser südkoreanischen Filme, die einem auch noch das letzte Quäntchen Glaube an das Gute im Menschen nehmen wollen. Die beiden einzigen nennenswerten guten Figuren, Tae-Goos Halbschwester und Nichte, werden gleich zu Beginn ermordet. Erstere wäre sowieso bald gestorben, das Ergebnis einer schweren Krankheit. In dieser Welt, so schön sie an manchen Stellen auch sein mag, haben die Guten keine Überlebenschance. Anders als die Werke diverser Landsleute hat das von Regisseur und Drehbuchautor Hoon-jung Park (The Witch: Subversion) dabei aber keine Ambitionen auf gesellschaftliche Bezüge. Abgesehen von einem korrupten und manipulativen Polizisten gibt es kaum Kontakte nach außen, wir bewegen uns in dem Film in einer hermetisch abgeschlossenen Parallelgesellschaft.

Eine Atmosphäre am Rande des Nihilismus

Wer sich hiervon eine Art Aussage verspricht, der kann lange darauf warten – vor allem bei einer recht großzügig bemessenen Laufzeit von 130 Minuten. Es ist aber auch nicht so, dass Park stattdessen gesteigerten Wert auf Action gelegt hätte. Dann und wann gibt es die zwar schon, vor allem in den besagten brutalen Szenen, wenn in Windeseile alle Männer um die Ecke gebracht werden. Insgesamt ist Night in Paradise aber eher ein Film, der mit seiner Atmosphäre gefallen will. Eine Atmosphäre, die mindestens düster ist, oft hoffnungslos, teilweise dem Nihilismus nahe. Schließlich haben die beiden Hauptfiguren nichts mehr zu verlieren, der Kampf gegen die Gangster ist an und für sich sinnlos. Was sie aber nicht daran hindert weiterzumachen.

Warum sie das tun, wird dabei nicht so ganz klar. Tae-goo Eom (The Age of Shadows) legt seine Figur als eiskalten Wolf an, der nichts an seine Fassade kommen lässt. Anfangs sieht man ihn noch ein bisschen lächeln, als er im Kreise seiner Familie ist. Die meiste Zeit über läuft er jedoch mit eingefrorener Maske durch die Gegend. Jae-Yeon bietet einen Gegenpol dazu. Zwar ist auch sie innerlich erkaltet. Immerhin reicht es bei ihr aber noch zu offenen Anfeindungen. Später darf sie zudem unter Beweis stellen, dass sie selbst tatkräftig sein kann, in einer völlig absurden, überzogenen Szene. Wobei das bei Night in Paradise allgemein so eine Sache mit der Zurückhaltung ist. Im einen Moment noch ganz nüchtern-distanziert, wird im nächsten eine schrecklich dramatische Musik eingespielt.

Licht und Schatten

Das Genrewerk, welches auf den Filmfestspielen von Venedig 2020 Weltpremiere hatte, lässt einen auf diese Weise mit gemischten, widersprüchlichen Gefühlen zurück. Was gerade noch faszinierend zurückgenommen war, ist kurz darauf sehr aufdringlich. Auf blutige Exzesse folgen Szenen, die teils eher langweilig sind. Zwischendurch gibt es dann wieder sehr kunstvolle Aufnahmen, die aber nicht wirklich stellvertretend für die Bildsprache stehen. Licht und Schatten gibt es bei Night in Paradise also nicht nur beabsichtigt, wenn Brutalität und idyllische Aufnahmen aufeinanderprallen. Auch qualitativ schwankt das hier, wandelt zwischen fesselnd und zäh, zwischen tragisch und nervig. Insgesamt reicht das noch für ein solides Niveau, ohne aber an die Genregrößen aus dem eigenen Land heranzukommen.

Credits

OT: „Nagwonui bam“
Land: Südkorea
Jahr: 2020
Regie: Hoon-jung Park
Drehbuch: Hoon-jung Park
Musik: Mowg
Kamera: Young-Ho Kim
Besetzung: Tae-goo Eom, Yeo-bin Jeon, Seung-Won Cha, Dong-in Cho, Ho-San Park, Bong-sik Hyun

Bilder

Trailer

Filmfeste

Venedig 2020

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In „Night in Paradise“ übt ein Verbrecher Rache für die Ermordung seiner Familie und löst damit eine Spirale der Gewalt aus. Das schwankt zwischen exzessiv-brutal und ganz ruhig, zwischen zurückhaltend und theatralisch, ist mal faszinierend, dann wieder sehr zäh. Insgesamt überwiegen die positiven Elemente, mehr als solide ist das Ergebnis aber nicht.
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von 10