Apostle Netflix
© Netflix

Apostle

Apostle Netflix
„Apostle“ // Deutschland-Start: 12. Oktober 2018 (Netflix)

Früher, da war Thomas Richardson (Dan Stevens) ein überzeugter Christ, reiste als Missionar bis ins ferne Peking. Inzwischen hat er jedoch seinen Glauben verloren. So wie er alles verloren hat – bis auf seine Schwester Jennifer. Als ausgerechnet die von einem religiösen Kult auf eine abgelegene Insel verschleppt wird, reist er ihr inkognito hinterher, um sie zurückzuholen. Dort hat der selbsternannte Prophet Malcolm Howe (Michael Sheen) das Sagen. Und er war es auch, der Jennifer entführen ließ, um eine Lösegeldsumme zu erpressen, mit der die unter einer schlechten Ernte leidende Bevölkerung ernährt werden sollte. Doch das ist nicht das einzige dunkle Geheimnis, welches der Kult bewahrt.

Herbstzeit ist Filmfestzeit: Jede Woche starten mehrere neue, manche größer, anderer eher kleiner, mal mit einem speziellen Fokus, mal nach dem Motto „alles geht“. Das bedeutet auch für Netflix, sein Programm einem Publikum zeigen zu können, das sich bislang noch nicht dazu hat bewegen lassen, ein Anhänger des Streaminganbieters zu sein. Das Hauptaugenmerkt liegt dabei natürlich auf den prestigeträchtigen Festivals in Venedig und Toronto, wo die aktuellen Filmpreis-Hoffnungsträger präsentiert werden. Aber auch das Fantastic Fest in Austin, Texas darf sich auf Netflix-Premieren freuen. Letztes Jahr waren es die Stephen-King-Adaptionen Das Spiel und 1922. Dieses Jahr stand Apostle auf dem Programm.

Lass die Fäuste stecken
Der Film wurde von vielen sogar sehnsüchtiger erwartet als die Großproduktionen der anderen Festivals. Der Grund: Gareth Evans. Mit seinen beiden brachialen Action-Feuerwerken The Raid und The Raid 2 hat sich der walisische Regisseur und Drehbuchautor im Handumdrehen die Aufmerksamkeit des Publikums erkämpft. Danach hieß es jedoch lange warten: Apostle ist sein erster Spielfilm seit dem gefeierten Duo. Der erste Spielfilm seit vier Jahren. Wer hier jedoch etwas Ähnliches erwartet, der kann nur enttäuscht werden. Vergleichbare Kampfsequenzen gibt es nicht. So wie sich die Action allgemein sehr zurückhält.

Tatsächlich ist Apostle ein auffallend ruhiger Film, der weniger durch seine Handlung als vielmehr seine Atmosphäre besticht. Die ist durchweg mysteriös und bedrohlich, von Anfang an, wenn nur wenige Menschen auf die Insel gelassen werden, schon der bloße Besuch etwas Verbotenes an sich hat. Paradies und Hölle zugleich ist. Dass es in der Gemeinschaft, die eher nach Mittelalter als nach frühem 20. Jahrhundert aussieht, brutaler zugehen kann, daraus macht Evans kein Geheimnis. Wohl aber, was sich hinter den Kulissen abspielt. Was es mit der Göttin auf sich hat, von der hier die Rede ist.

Das lange Warten auf den Horror
Das kann frustrierend sein, gerade auch für ungeduldigere Naturen: Mit einer Laufzeit von 130 Minuten ist Apostle dann doch etwas lang angelegt, angesichts des mitunter spärlichen Inhalts. Und es ist noch nicht einmal so, dass die lange Wartezeit sich unbedingt lohnt. Einige Elemente, die Evans einführt, bringt er nicht wirklich zu Ende, sein Film ist ein eigenartig umherwaberndes Etwas, das selten wirklich greifbar wird. So als wollte er seinen Kurzfilm Safe Haven aus der Horror-Anthologie S-V/H/S, der ebenfalls von einem abgelegenen und brutalen Kult sprach, unbedingt auf Spielfilmlänge ausbreiten, ohne jedoch genau zu wissen wie.

Während der Inhalt so manchmal etwas fragwürdig ist, von den Figuren ganz zu schweigen, ist das Drumherum umso überzeugender. Vor allem sein Stamm-Kameramann Matt Flannery hat hier ganze Arbeit geleistet. Die einsame Insel, so aus der Zeit gefallen, so rau und dunkel wie seine Bewohner. So dreckig auch. Apostle suhlt sich geradezu im Schlamm, in der felsigen Erde. Und er suhlt sich in Blut und Gedärmen, wenn der Okkult-Horror später ausgesprochen brutal und explizit wird – im ziemlichen Kontrast zu dem sehr zurückhaltenden Aufbau. Seltsam ist es, was Evans nach seiner langen Pause da vorlegt. Mal zu viel, dann zu wenig, zwischenzeitlich zäh, dann wieder eine Folter, in mehrerer Hinsicht, mit einigen Szenen, die sich tief ins Gedächtnis bohren. Tiefer als die vielen risikophoben Schablonenstreifen, mit denen das Horrorgenre zuletzt im Kino vertreten war. Das muss man nicht mögen, will man vielleicht auch kein zweites Mal mehr anschauen. Und doch ist es schön, wie unschön das hier geworden ist, wie wenig sich der Waliser dafür interessiert, was das Publikum von ihm erwartet.



(Anzeige)

„Apostle“ ist nicht das erwartete Feuerwerk geworden. Trotz einiger sehr eindrücklicher Szenen, die später auch ausgesprochen brutal werden, ist die Geschichte um einen Mann, der seine Schwester aus den Fängen eines Kultes befreien will, recht ruhig. Zeitweise ist der Horrorfilm sogar ein echtes Geduldsspiel, belohnt aber währenddessen mit fantastischen Bildern einer abgelegenen Insel, die ebenso rau und dreckig ist wie ihre Bewohner.
6
von 10