Granizo Netflix
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Granizo

Granizo Netflix
„Granizo“ // Deutschland-Start: 30. März 2022 (Netflix)

Inhalt / Kritik

Wenn Miguel Flores (Guillermo Francella) morgens aufsteht, dann ist er bereits bei bester Laune. Denn viel besser könnte sein Leben eigentlich gar nicht laufen: Miguel lebt in Buenos Aires und ist als Moderator einer Wettersendung im argentinischen Fernsehen weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Für einen Großteil der Bevölkerung stellt er nicht nur eine zuverlässige Informationsquelle dar, sondern ist auch beliebt wie ein Popstar. Schon auf dem Weg zur Arbeit bitten ihn seine Fans um ein Selfie oder erkundigen sich bei ihm, ob ihrer Feierabendplanung auch kein Regen im Weg steht. Miguel genießt die Aufmerksamkeit und gibt stets Auskunft, und zwar so verlässlich, dass ihm die Korrektheit seiner Vorhersagen den Spitznamen „Der Unfehlbare“ eingebracht hat.

Dass manche Leute der Meinung sind, Wettersendungen im linearen Fernsehen seien nur etwas für ihre Großeltern oder für die Wettervorhersage genüge doch eine App auf dem Smartphone, wurmt ihn zwar ein wenig. Viel mehr entsetzt ist er aber von den Plänen der Produzenten seiner Sendung, diese vollkommen umzukrempeln: Weniger trockene Wissenschaft, dafür mehr Unterhaltung, Ablenkung und eine Influencerin mit Hündchen auf dem Arm an seiner Seite – damit kann sich Miguel, der sich als ernst zu nehmenden Experten auf seinem Gebiet sieht, wenig anfangen. Er fügt sich jedoch den Wünschen seiner Vorgesetzten und moderiert also die erste Folge seiner neuen „großen Wettershow“, in der er für die kommende Nacht klares und ruhiges Wetter für die argentinische Hauptstadt ankündigt. Tatsächlich erlebt diese jedoch einen der schwersten Hagelstürme ihrer Geschichte. Zerstörte Fensterscheiben und verbeulte Autos sind nur zwei der zahlreichen Folgen; Miguel sieht sich vor allem dem Zorn und Spott der Menschen ausgesetzt, wird als Moderator seiner gerade gestarteten neuen Show entlassen und entschließt sich, erst einmal unterzutauchen. Er fährt nach Cordoba, wo er bei seiner Tochter Carla (Romina Fernandes) unterkommt, mit der er in den letzten Jahren nur sporadisch Kontakt hatte.

Großartiger Anfang

Der Beginn der Netflix-Komödie Granizo ist wirklich großartig. Wie Miguel sich aus dem Bett schwingt, unterlegt mit schwungvoller Popmusik in seinen Tag startet, seinem Goldfisch Guten Morgen sagt und schließlich hinaus auf die Straße tritt, wo er sich in der Aufmerksamkeit der Leute sonnt – all das unterhält beim Zuschauen prächtig, auch dank des Charismas von Hauptdarsteller Guillermo Francella. Gleiches lässt sich für den nächsten Abschnitt des Films sagen, der den Wettbewerb traditioneller Medien und der „neuen“ Social Media-Welt aufs Korn nimmt und Miguel ein wenig wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten dastehen lässt. Der Film schwingt sich bis dahin rasant von einer Szene zur nächsten und begeistert mit witzigen Figuren und Dialogen. Auch als zunächst das Wetter und dann die Stimmung umschlagen, leidet man mit Miguel mit, als dieser geradezu aus der Stadt gejagt wird.

Neben der Haupthandlung um Miguel gibt es in Granizo noch einen zweiten Handlungsstrang um den Taxifahrer Luis (Peto Menahem), der zu denjenigen gehört, die sich auf Miguels Wettervorhersage verlassen haben. Am Morgen nach dem Unwetter ist sein Taxi stark beschädigt und ihm damit seine einzige Einnahmequelle genommen, um seine Familie zu versorgen. Wütend auf den Wettermoderator, versucht er Miguels Aufenthaltsort ausfindig zu machen, um ihn zur Rede zu stellen. Hier zeigen sich jedoch bereits die Probleme des Films: Während Miguel als Figur einfach so sympathisch ist, dass man trotz der etwas übertriebenen Ausgangssituation gerne mit ihm leidet, bleiben alle anderen Charaktere zu blass und uninteressant. Granizo versucht, Einblick in Luis’ Familienleben zu geben (er muss nicht nur Frau und Kinder, sondern auch den kranken Schwiegervater durchbringen), gibt diesem Handlungsstrang insgesamt aber zu wenig Raum, um ein wirklich komplexes und interessantes Bild von Luis’ Situation zu zeichnen.

Zu viele Elemente auf einmal

Überhaupt ist aus dem Film schnell die Luft raus, sobald der erste Akt vorüber ist und Miguel sich bei seiner Tochter einquartiert hat. Nicht sonderlich überraschend treffen dort zwei unterschiedliche Persönlichkeiten aufeinander, die erst allmählich wieder zueinander finden. Das ist bisweilen amüsant, etwa wenn Miguel spät abends auf mehrere „Freunde mit gewissen Vorzügen“ seiner Tochter trifft und das Bild, das er von ihr im Kopf hatte, ordentlich zurechtgerückt wird. Insgesamt ist die zweite Filmhälfte aber deutlich weniger kreativ und detailliert geschrieben und inszeniert als der fast schon sitcomhafte, parodistische Einstieg in den Film.

Schließlich bringt der Film noch ein weiteres Handlungselement ins Spiel, indem er einen Einsiedler mit scheinbar übersinnlichen Fähigkeiten einführt, die für Miguel von unschätzbarem Wert sein könnten. Spätestens hier hat Granizo dann aber das Problem, ganz einfach zu viel auf einmal sein zu wollen. Der Film beginnt erfolgreich als überdrehte Komödie, führt dann Elemente eines Sozial- und Familiendramas ein und will schließlich mit einem leichten Mysteryeinschlag die Kurve zu einem runden Ende nehmen. Auf dem Weg dahin wird er aber das Interesse vieler Zuschauer verlieren, die noch vom wirklich unterhaltsamen Anfangsteil des Films begeistert waren. Es bleibt schließlich der Eindruck, die Filmemacher hätte sich weit mehr für den Anfangsteil des Films interessiert, als dieser noch als Mediensatire daherkommt, aber weit weniger für alle anderen Handlungselemente, die vergleichsweise undurchdacht und schablonenartig wirken.

Credits

OT: „Granizo“
IT: „All Hail“
Land: Argentinien
Jahr: 2022
Regie: Marcos Carnevale
Drehbuch: Fernando Balmayor, Nicolás Giacobone
Musik: Gustavo Pomeranec
Kamera: Horacio Maira
Besetzung: Guillermo Francella, Romina Fernandes, Peto Menahem, Nicolás Scarpino

Bilder

Trailer

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Fazit
Hätten die Filmemacher ihre Geschichte doch zu Ende gedacht, bevor sie sie auf den Bildschirm gebracht haben! „Granizo“ beginnt so unterhaltsam und vielversprechend, dass es schade ist, wie sehr sich die Handlung immer mehr in Belanglosigkeit verirrt.
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