Alice in Borderland Netflix
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Alice in Borderland – Staffel 1

Kritik

Alice in Borderland Netflix
„Alice in Borderland – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 10. Dezember 2020 (Netflix)

Im einen Moment sind die drei Freunde Arisu (Kento Yamazaki), Karube (Keita Machida) und Chota (Yûki Morinaga) noch in Tokio, verstecken sich in einer Toilette vor der Polizei, im nächsten ist alles vorbei. Die Toiletten sind zwar noch da, auch Tokio sieht so aus, wie es vorher ausgesehen hat. Doch wo sind alle Menschen hin? Wo gerade noch der übliche Trubel in der japanischen Metropole herrschte, da gibt es auf einmal nur noch Stille und Leere. Während die drei sich noch wundern, was da vorgefallen sein mag, machen sie gleich die nächste seltsame Erfahrung: Sie werden gezwungen, an einem Spiel teilzunehmen, bei dem sie den Ausgang eines Zimmerkomplexes finden müssen. Öffnen sie die falsche Tür, dann bezahlen sie den Irrtum mit ihrem Leben. Und das ist nur der Anfang eines Spielemarathons, an dem immer mehr Leute teilnehmen und das von Mal zu Mal tödlicher wird …

Ein Traum, der anhält
Mehr als 150 Jahre ist es inzwischen her, dass Lewis Carroll Alice im Wunderland veröffentlichte. Doch die Spuren des ursprünglich nur zur zeitweiligen Zerstreuung erzählten Geschichte sind bis heute zu finden, Figuren, Ereignisse und einzelne Zitate sind zu einem festen Bestandteil unserer Popkultur geworden. Gerade in Japan findet man immer mal wieder Verweise, Animes und Mangas greifen gerne mal auf Elemente zurück – siehe Serial Experiments Lain, Angel Sanctuary oder Miyuki-chan im Wunderland. Von der in den 80ern erschienenen Serie Alice im Wunderland ganz zu schweigen, welche die dünnen Bücher des britischen Schriftstellers auf über 50 Folgen ausdehnte. Die war ganz spaßig, auch wenn sie mit dem Original nur bedingt noch etwas zu tun hat.

Das gilt auch für die neue Netflix-Serie Alice in Borderland, die nicht nur im Titel auf den Klassiker anspielt, sondern gleich diverse Gemeinsamkeiten aufweist. So geht es hier ebenfalls darum, dass normale Leute sich plötzlich in einer bizarren Welt mit eigenen Regeln wiederfinden. Das Motiv der Spielkarte, denen Alice bei ihren Abenteuern regelmäßig über den Weg lief, hat hier gleichermaßen eine große Bedeutung. Hinzu kommen Figuren, die nach den Charakteren Carrolls benannt sind, etwa der Hutmacher. Doch trotz dieser ausgiebigen Übernahmen, der Geist unterscheidet sich schon deutlich. War das Buch damals eine surreale Auseinandersetzung mit der viktorianischen Gesellschaft, selbst vollgestopft mit Anspielungen und cleveren Wortspielen, da läuft es hier auf einen blutigen Überlebenskampf hinaus, dem Massen an Figuren zum Opfer fallen werden.

Tatsächlich ist daher eher eine Mischung aus Cube und Battle Royale – Nur einer kann überleben, kombiniert Mystery und gefährliche Fallen mit einem Survivalabenteuer, bei denen sich die Leute irgendwann recht hemmungslos die Köpfe wegknallen. Das klingt erst einmal etwas ziellos, beklemmendes Rätselraten und Gemetzel sind nicht unbedingt miteinander kompatibel. Grundsätzlich funktioniert das hier aber schon, da es das Ergebnis einer recht schnellen Eskalation ist. Alice in Borderland fängt klein an und dreht im Anschluss immer weiter auf, bis einem dabei richtig schwindlig werden kann. Wie viel Spaß man an Shinsuke Satos Live-Action-Adaption des Mangas von Haro Aso hat, hängt dann auch maßgeblich damit zusammen, wie sehr man auf over-the-top-Geschichten steht.

Weniger wäre mehr gewesen
Gerade im letzten Drittel braucht es da schon seine sehr hohe Toleranzgrenze, wenn sich die Serie an ihrer eigenen Hysterie erfreut. Als wäre es nicht schon anstrengend genug, dass mit aller Macht noch irgendein Drama hineingepresst werden sollte, zum Ausgleich für die mangelnde Charakterisierung, gibt es dann auch noch Overacting ohne Ende. Mal wollte man damit wohl bewegen, an anderen Stellen besonders edgy rüberkommen. Letztendlich ist es aber nur ein unfreiwillig komisches Ärgernis, welches die Nerven nicht durch anhaltende Spannung bearbeitet, sondern weil es selbst wahnsinnig nervig ist. Vor allem in den Szenen, wenn man offensichtlich der irrtümlichen Meinung war, in den haarsträubenden Dialogen etwas Tiefsinniges von sich gegeben zu haben.

Hätte man das wenigstens konsequent verfolgt, die Serie hätte durchaus Trashqualitäten gehabt. Stattdessen gibt es von allem ein bisschen, bis am Ende vor allem viel verschenktes Potenzial zurückbleibt. Das ist vor allem für den Mysteryfaktor schade, der am Anfang stark ist, danach aber mehr und mehr verloren geht. Und auch bei den Spielen selbst geht es nach einem stimmungsvollen Einstieg nur noch bergab. Alice in Borderland hetzt unnötig durch seine willkürlichen Regeln, nimmt sich nie die Zeit, noch ein vernünftiges Fundament aufzubauen. Wirkliche Spannung entsteht dadurch nicht, die Figuren sind einem trotz Theatralik egal. Auch wenn die Serie zum Schluss ein neues Level ankündigt, wirklich Lust auf mehr machen die acht Folgen nicht.

Credits

OT: „Imawa no Kuni no Arisu“
Land: Japan
Jahr: 2020
Regie: Shinsuke Satō
Drehbuch: Yoshiki Watabe, Yasuko Kuramitsu
Vorlage: Haro Aso
Musik: Yutaka Yamada
Kamera: Taro Kawazu
Besetzung: Kento Yamazaki, Tao Tsuchiya, Nijirô Murakami, Yûki Morinaga, Keita Machida, Ayaka Miyoshi, Dôri Sakurada, Aya Asahina, Shuntarô Yanagi

Bilder

Trailer

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„Alice in Borderland“ fängt vielversprechend an, wenn drei Freund in einem plötzlich menschenleeren Tokio um ihr Leben kämpfen müssen. Der Mystery-Faktor wird anschließend aber reduziert, auch bei den Spielen wird abgebaut. Stattdessen gibt es viel Drama, Overacting und lächerliche Dialoge, weshalb die Manga-Adaption statt spannend nur noch nervig ist.
5
von 10