Da 5 Bloods Netflix
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Da 5 Bloods

Kritik

Da 5 Bloods Netflix
„Da 5 Bloods“ // Deutschland-Start: 12. Juni 2020 (Netflix)

Eigentlich liegt der Vietnamkrieg schon lange zurück. Doch für die vier afroamerikanischen Veteranen Paul (Delroy Lindo), Otis (Clarke Peters), Eddie (Norm Lewis) und Melvin (Isiah Whitlock, Jr.) ist die Geschichte noch längst nicht vorbei, denn da ist etwas, das sie noch zu erledigen haben. Genauer sind es sogar zwei Angelegenheiten. Zum einen wollen sie die Leiche ihres gefallenen Anführers Norman (Chadwick Boseman) finden und ihm so die letzte Ehre erweisen. Außerdem hätten sie ganz gern den Schatz, der dort noch vergraben sein muss und der sie für das Leid entschädigen soll, das sie erlitten haben. Und so machen sich die vier, begleitet von Pauls Sohn David (Jonathan Majors) auf eine Reise in die Vergangenheit …

Spike Lee ist sicherlich das prominenteste Aushängeschild des New Black Cinema, welches sich in den späten 80ern anschickte, das Kino mit eigenen Geschichten und eigenen Figuren zu füllen, um so der Lebensrealität der schwarzen Bevölkerung in den USA besser gerecht zu werden. Inzwischen sind mehr als 30 Jahre vergangen, doch der Regisseur ist noch immer an vorderster Front, wenn es darum geht, Afroamerikaner filmisch zu unterstützen und wo nötig den Finger in die Wunde zu legen. Dass sein neuester Film Da 5 Bloods nun ausgerechnet zu einer Zeit bei Netflix erscheint, als weltweit im Zuge von Black Lives Matter für Gleichberechtigung und gegen Rassismus sowie Polizeigewalt demonstriert wird, dürfte ihm noch einmal ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bescheren.

Einmal die Geschichte umschreiben
Den Bezug zur aktuellen Situation stellt er natürlich auch her, so wie er es auch bei seinem letzten Werk BlacKkKlansman getan hatte, trotz dessen historischen Settings. Doch er tut es gleichzeitig auf eine zu erwartende und überraschende Weise. Das lässt sich zum Teil aus der Entstehungsgeschichte des Films ableiten: Der war schon viele Jahre geplant, eigentlich hätte Oliver Stone Regie führen sollen. Nach dessen Ausstieg übernahm Lee das Ruder und passte auch das Drehbuch an, damit es aus der Perspektive von vier afroamerikanischen Kriegsveteranen erzählt wird, nicht vier weißen. Das war sicher eine Form von Genugtuung, hatte er sich doch einst kräftig mit Clint Eastwood gezofft, weil der in seinen Kriegsfilmen keine schwarzen Soldaten zeigte. Da 5 Bloods ist deshalb eine Möglichkeit, das hervorzuholen, was andere unter den Teppich kehrten: Afroamerikaner waren zu einem großen Maß bei den Freiheitskämpfen der USA beteiligt, ohne je selbst die Freiheit zu erlangen.

Das klingt vielleicht moralinsauer und lässt eine einseitige Heldengeschichte befürchten. Doch Lee hat gar nicht vor, den vergessenen Soldaten ein feinpoliertes Denkmal zu setzen. Tatsächlich ist es sogar bemerkenswert, wie wenig schmeichelhaft der Film diese darstellt. Schon bei der Frage, was mit dem Schatz geschehen soll, herrscht Uneinigkeit. Während die einen den Schatz zu einem guten Zweck verwenden wollen, etwa für den Kampf um Gleichberechtigung, da sehen andere nur eine persönliche Möglichkeit der Bereicherung darin. Interessant ist zudem, dass Da 5 Bloods die Veteranen nicht allein zu Opfern des Rassismus machen, sondern sie selbst rassistische Anwandlungen haben beim Umgang mit der einheimischen Bevölkerung Vietnams, das alte Feindbild nicht wirklich abgelegt wurde.

Ein Film ohne Grenzen
Alleine das komplexe Verhältnis innerhalb dieser Gruppierungen wäre einen ganzen Film wert gewesen. Doch Lee wollte gleichzeitig noch viel mehr. So werden diese universellen Überlegungen von sehr persönlichen Geschichten durchbrochen, sowohl gegenwärtigen – etwa das schwierige Verhältnis zwischen Paul und David – wie vergangenen. Gerade den Kriegserinnerungen wird viel Zeit eingeräumt, die in Flashbacks aufgearbeitet werden. Das geschieht kurioserweise mit denselben Darstellern, die auch die Rentnervarianten spielen, wodurch Da 5 Bloods aufzeigt, wie sehr Erinnerungen von der Gegenwart geprägt sind und nicht die unabhängige Instanz sind, für die wir sie halten. Doch während sich die Irritationen, die sich daraus und auch aus den Formatspielereien von Kameramann Newton Thomas Sigel ergeben, auf diese Weise rechtfertigen lassen, ist das bei anderen schwieriger.

Vor allem die regelmäßigen Wechsel auf Tonalität und Genre bezogen sind nicht unbedingt glücklich. Mal ist Da 5 Bloods gut gelauntes Buddy-Abenteuer, bei dem die Motherfucker-Ausdrücke nur so durch die Luft fliegen, dann wieder will der Film den Horror des Kriegs veranschaulichen, ist eine Geschichte des Rassismus, ein B-Action-Movie oder eben ein Familiendrama, das sich mit alten Wunden auseinandersetzt. Das ist schon sehr viel, auch bei einer Laufzeit von zweieinhalb Stunden. So unterschiedlich die Facetten des Films sind, so unterschiedlich können dann auch die eigenen Reaktionen sein, von Schock über Gelächter und Spannung bis zu Langeweile ist da alles drin. Als Experiment ist das sicher interessant, als Diskussionsgrundlage sowohl zur Geschichte schwarzer Soldaten wie auch Rassismus anderen Hautfarben gegenüber, von anderen Themen ganz zu schweigen. Aber es ist eben auch ein frustrierend inkohärenter Mix, der am Ende zu viel und zu wenig mitbringt.

Credits

OT: „Da 5 Bloods“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Spike Lee
Drehbuch: Danny Bilson, Paul De Meo, Spike Lee, Kevin Willmott
Musik: Terence Blanchard
Kamera: Newton Thomas Sigel
Besetzung: Delroy Lindo, Jonathan Majors, Clarke Peters, Norm Lewis, Isiah Whitlock Jr., Mélanie Thierry, Paul Walter Hauser, Jasper Pääkkönen, Jean Reno, Chadwick Boseman

Trailer

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In „Da 5 Bloods“ wollen vier afroamerikanische Kriegsveteranen zurück nach Vietnam, um dort nach einer alten Beute zu suchen. Der Film ist ein interessanter Mix der verschiedensten Genres, spricht in zweieinhalb Stunden eine Reihe wichtiger Themen an und gibt sich auch visuell experimentell. Was als Einzelaspekt jedoch spannend ist, wird in der Kombination zu viel, am Ende bleibt ein seltsam unkonzentriertes Werk, das sich an den eigenen Ambitionen überhebt.
7
von 10