tick tick Boom Netflix
© Netflix/Macall Polay

Tick, Tick… Boom!

Inhalt / Kritik

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„Tick, Tick… Boom!“ // Deutschland-Start: 19. November 2021 (Netflix)

New York, Anfang der 1990er: Jonathan Larson (Andrew Garfield) arbeitet als Kellner in einem kleinen Diner. Sein Traum ist es jedoch, als Musical-Autor groß rauszukommen und den Broadway zu erobern. Tatsächlich arbeitet er schon seit Jahren an SUPERBIA, einer ambitionierten Science-Fiction-Geschichte. Jetzt, da sein 30. Geburtstag vor der Tür steht, fühlt er sich aber zunehmend unter Druck gesetzt, zumal sein Umfeld eigene künstlerische Ambitionen inzwischen aufgegeben hat. Seine Freundin Susan (Alexandra Shipp) sehnt sich beispielsweise nach einem sicheren Leben und will für eine Stelle als Lehrerin umziehen, nachdem eine Verletzung ihre Tanzkarriere beinahe beendet hat. Sein bester Freund und ehemaliger Mitbewohner Michael (Robin de Jesús) tauschte seine schauspielerischen Pläne gegen eine Arbeit in der Werbung. Und dann braucht Jonathan auch noch dringend ein neues Lied für sein Stück, was ihm aber partout nicht gelingen will …

Aus Liebe zum Musical

Zuletzt führte irgendwie kein Weg mehr an Lin-Manuel Miranda vorbei. Ob es nun das Phänomen Hamilton ist, das auch als abgefilmte Version Erfolge feierte, oder die tatsächliche Filmadaption von In the Heights, selbst als Nicht-Musical-Fan ist man inzwischen mit dem Namen vertraut. Hinzu kommen seine Auftritte als Schauspieler, wie etwa in Mary Poppins’ Rückkehr oder sein stimmlicher Einsatz in dem Animationsabenteuer Vivo – Voller Leben. Da war es wirklich nur eine Frage der Zeit, bis sich der vielbeschäftigte US-Amerikaner auch einmal an einer Regiearbeit versuchen würde. Nun liegt diese vor, in Form des Netflix-Films Tick, Tick… Boom!, der – wie sollte es auch anders sein? – erneut im Musicalfach angesiedelt ist.

Dieses Mal geht es mal nicht um Material, welches Miranda selbst geschrieben hat. Stattdessen handelt es sich um eine Adaption eines bereits existierenden Bühnen-Musicals. Dass er an diesem Gefallen gefunden und es als filmische Variante umsetzen wollte, überrascht dabei nicht. Nicht allein dass Tick, Tick… Boom! ein Musical ist mit eingängigen Liedern, die sich schön in Szene setzen lassen. Der Film ist darüber hinaus ein Film über Musicals. Das gibt Miranda die Gelegenheit, sich quasi auf einer Meta-Ebene mit seiner Arbeit auseinanderzusetzen. Da gibt es namhafte Cameo-Auftritte aus der Branche, dazu Anspielen und Verweise, die ganz eindeutig für eine sehr affine und versierte Musical-Zielgruppe eingebaut wurden und bei den meisten nicht erkannt werden dürften.

Das Vermächtnis eines jungen Künstlers

Vor allem dürfte das Musical aber von Interesse sein, weil es das semi-autobiografische Vermächtnis von Jonathan Larson ist. Der war mit Rent weltberühmt geworden: Die Geschichte um eine Gruppe junger Künstler in New York, die nicht mehr ihre Miete bezahlen können, wurde zu einem der am längsten am Broadway gespielten Musicals. Mit Tick, Tick… Boom! schilderte er in fiktionalisierter Form, wie es war, lange für diesen Traum kämpfen zu müssen. Wie schwierig es war, weiterhin an das Projekt zu glauben, obwohl kaum einer mehr Hoffnung machen wollte. Der Film ist damit auch eine Art der Liebeserklärung an schöpferische Arbeit und kreative Prozesse, an den unbedingten Willen, etwas zu erschaffen, mögen die Hindernisse auch noch so groß sein.

Miranda findet dafür interessante Bilder. Immer wieder hebt er die Grenze zwischen dem Leben seines Protagonisten und dessen Gedankenwelt auf. Dass in Musicals die Leute mitten im Satz anfangen zu singen und zu tanzen, gehört natürlich dazu. In solchen Werken wird die ganze Welt zu einer eigenen Bühne, die es zu erobern gilt. Tick, Tick… Boom! gelingt es aber noch ein wenig schöner, alles miteinander zu verbinden. Jonathan lebt einerseits in seiner eigenen Welt, in der er nicht viel von draußen mitbekommt – ein Tunnelblick, der es ihm erlaubt, trotz aller Wahrscheinlichkeit an seinem Traum festzuhalten. Gleichzeitig sehen wir, wie alles, was um ihn herum geschieht, zu einer Inspirationsquelle wird. Die Welt selbst wird zum Musical.

Ein umwerfender Protagonist

Das ist nicht ganz frei von Pathos und überschwänglichen Gefühlen, gerade zum Ende hin, wenn die Geschichte sehr tragisch wird. An vielen Stellen ist Tick, Tick… Boom! aber tatsächlich mitreißend und zeigt auf, welches inszenatorische Potenzial Filme als Musical haben. Dass sie ganz andere Mittel haben, die es sich zu nutzen lohnt. Gleichzeitig menschelt der Film sehr, über die kleinen Kniffe und Tricks hinaus. Vor allem Andrew Garfield (Alles, was wir geben mussten, Under the Silver Lake) begeistert als selbstvergessener und gleichzeitig egozentrischer Träumer, der alles für sein Musical tun würde. Der für seine Theater-Arbeit ausgezeichnete Schauspieler füllt mit einer umwerfenden Energie seine Rolle aus und zeigt ein überraschend großes Gesangstalent, für das alleine es sich schon lohnen würde hier einmal reinzuschauen und reinzuhören.

Credits

OT: „Tick, Tick… Boom!“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Lin-Manuel Miranda
Drehbuch: Steven Levenson
Vorlage: Jonathan Larson
Musik: Jonathan Larson
Kamera: Alice Brooks
Besetzung: Andrew Garfield, Alexandra Shipp, Vanessa Hudgens, Robin de Jesús, Joshua Henry

Bilder

Trailer

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„Tick, Tick... Boom!“ basiert auf dem gleichnamigen Musical und schildert, wie ein junger Mann an seinem Traum vom eigenen Musical festhält und allen Hindernissen trotzt. Das ist nicht frei von Pathos, an vielen Stellen aber mitreißend gespielt und kreativ umgesetzt und eine Liebeserklärung an schöpferische Prozesse.
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