Die wandernde Erde The Wandering Earth Netflix
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Die wandernde Erde

Die wandernde Erde The Wandering Earth Netflix
„Die wandernde Erde“ // Deutschland-Start: 30. April 2019 (Netflix)

Alles hat einmal ein Ende, selbst die gute alte Sonne. Zum Glück hat die Menschheit aber vorgesorgt und sich jahrelang in einer gemeinsamen Aktion darauf vorbereitet. Die Idee: Auf dem gesamten Globus werden Triebwerke angebracht, welche helfen sollen, die Erde aus dem derzeitigen in ein anderes Sonnensystem zu bewegen. Unter den Astronauten, die das etwas andere Gefährt steuern sollen, befindet sich auch Liu Peiqiang (Jing Wu), der für diese wichtige Mission seinerzeit sogar seinen Sohn Qi (Chuxiao Qu) in der Obhut seines Schwiegervaters Han Zi’ang (Man-Tat Ng) ließ. Nun ist endlich der Moment gekommen, dass sich die Erde auf die Reise macht. Doch als sich die Menschheit dem Jupiter nähert, geschieht eine Katastrophe – und ausgerechnet Qi, seine Adoptivschwester Duoduo (Jinmai Zhao) und Zi’Ang stehen plötzlich im Mittelpunkt einer gigantischen Rettungsaktion.

China hat nicht nur als wirtschaftliche und politische Supermacht den Anspruch, die Weltspitze einzunehmen. Auch im Filmbereich setzt das Reich der Mitte an, alle anderen zu überholen. Zumindest der heimische Markt bringt inzwischen auch Blockbuster hervor, deren Einspielergebnisse es mit den Größten aus den USA aufnehmen können. Aktuelles Beispiel ist Die wandernde Erde bzw. The Wandering Earth, das daheim knapp 700 Millionen Dollar einspielen konnte. Zum Vergleich: Das sind auch die Ergebnisse, die Avengers: Infinity War und Black Panther in den USA hatten.

Internationale Resteverwertung
International sind die chinesischen Superhits jedoch eine Randerscheinung, von denen kaum einer Notiz nimmt. Und auch dafür ist Die wandernde Erde ein Beispiel. Während das Science-Fiction-Spektakel in der Heimat auf den größten Leinwänden lief, muss es sich hierzulande mit einem Netflix-Release zufriedengeben. Sonderlich viel Werbung gab es dafür nicht. Man machte sich nicht einmal die Mühe, den Film zu synchronisieren. Wer keine Lust auf Untertitel hat, der hat zwar die Alternative einer englischsprachigen Fassung. Aber die ist wie so oft in dem Bereich lieblos bis unfreiwillig komisch.

Dabei hat Die wandernde Erde durchaus einiges zu bieten, was auch einem internationalen Publikum gefallen sollte. Vor allem, weil einem hier vieles doch recht bekannt vorkommt. Die Geschichte mag auf einer Novelle des preisgekrönten Autors Cixin Liu basieren. Preisverdächtig ist sie deshalb aber noch nicht, zumindest in der adaptierten Filmfassung. Über weite Strecken folgt sie den üblichen Pfaden eines solchen Science-Fiction-Abenteuers, sowohl in Hinblick auf Dramaturgie wie auch die Figuren. Sofern man überhaupt von Figuren sprechen mag, sonderlich viel Persönlichkeit haben die Leute nicht, die hier so herumlaufen. Hervorstechend ist lediglich die Idee, die Erde selbst zu einer Art Raumfahrzeug zu machen, was irgendwo zwischen interessant und trashig ist – gerade auch im Zusammenspiel mit der gespielten Ernsthaftigkeit, die so gar nicht zu dem Blödsinn passt.

Eisiges Vergnügen mit nationalem Touch
Aber auf den Inhalt sollte man ohnehin nicht allzu viel Wert legen. Die wandernde Erde arbeitet gerne mit Pathos, da das Science-Fiction-Abenteuer mit viel Familiendrama verbunden wird – nicht ohne Grund lief der Film in China zu Neujahr an, wenn Familienvereinigungen das ganze Land beschäftigen. Und er ist wie diverse andere chinesische Blockbuster auch – allen voran Wolf Warrior – recht nationalistisch angehaucht. Waren US-Spektakel zumindest früher darauf fixiert, die USA als Retter der Menschheit zu zeigen, gemäß dem eigenen Selbstbild, tun es ihnen nun die Chinesen mit einigen Jahrzehnten Verspätung gleich. Zwar ist in dem Film immer wieder von einer internationalen Kooperation die Rede, zum Ende dürfen auch ein paar Brücken gebaut werden. Doch die sind recht notdürftig, das Reich der Mitte nimmt sich selbst als Zentrum der Welt, was auch einer der Gründe sein dürfte, warum die Filme es im Ausland so schwer haben.

Trotz dieser offensichtlichen Mängel, Spaß macht Die wandernde Erde schon. Vor allem die Bilder tragen dazu bei, dass man hier über längere Strecken ganz gerne zuschaut. Der Look hat zwar manchmal etwas von einem Videospiel. Doch die ehemaligen Metropolen, die in Folge der Veränderungen zu eisigen Geisterstädten wurden, die machen einiges her. Und auch das Raumschiff, an welches die Erde gekoppelt ist, kann sich sehen lassen. Hinzu kommen einige nette Szenen mit den unfreiwilligen Helden, welche etwas Humor in dem Chaos suchen, etwas Menschlichkeit in der Technologie – und ein paar ethische Grundsatzfragen gibt es noch dazu. Das reicht dann alles nicht, um das Weltraumabenteuer einen Platz in der Geschichte des Sci-Fi-Genres zu verdienen. Wie so viele China-Blockbuster ist das hier nicht mehr als Popcornkino. Aber doch eines, mit dem man sich einiger Längen zum Trotz die Zeit vertreiben kann.



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In China war „Die wandernde Erde“ eine absolute Sensation, hierzulande werden eher weniger von dem Science-Fiction-Abenteuer Notiz nehmen. Spaß macht die im Grunde unsinnige Geschichte um eine zum Raumschiff umfunktionierte Erde, die ein neues Sonnensystem erreichen will, aber durchaus, gerade auch wegen der Bilder einer stark veränderten Welt.
6
von 10