Enthüllungen zu Mitternacht The Midnight Gospel Netflix
© Netflix

Enthüllungen zu Mitternacht – Staffel 1

Kritik

Enthüllungen zu Mitternacht The Midnight Gospel Netflix
„Enthüllungen zu Mitternacht – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 20. April 2020 (Netflix)

Clancy ist niemand, der es besonders lange an einem Ort aushält. So hat er beispielsweise die Erde verlassen, um sich ganz seinem Projekt widmen zu können: sein Weltraum-Podcast! Zu diesem Zweck hat er sich einen eigenen Simulator zugelegt, der es ihm erlaubt, sich auf fremde Planeten zu projizieren, wo er die unterschiedlichsten Leute interviewt. Dabei erfährt er einiges über die jeweiligen Orte, unterhält sich aber auch über zahlreiche universelle Themen. Das erlaubt es ihm, ein besserer Mensch zu werden und sich auch mit Dingen auseinanderzusetzen, die er gern hinter sich gelassen hätte …

Man mag von Netflix halten, was man will, als Animationsfan sind sie eine echte Bereicherung für die Szene. Der Streamingdienst finanziert oder lizensiert andauernd ausgesprochen ungewöhnliche Titel, die sonst wohl nirgends sonst eine Heimat gefunden hätten. Am meisten Aufmerksamkeit bekommen dabei sicher die diversen Filme. Aber auch im Serienbereich finden sich eine Reihe von Geheimtipps und kultverdächtige Exemplare, von Aggretsuko über Hilda bis zu Tuca & Bertie, allesamt sehr fantasievolle Werke, sowohl inhaltlich wie visuell. Gleiches gilt auch für Enthüllungen zu Mitternacht, ein Neuzugang, der mit nur wenig vergleichbar ist.

Ungewöhnliche Kooperation aus Bild und Inhalt
Die Erwartungen waren im Vorfeld schon etwas höher, zumindest in gewissen Kreisen, handelt es sich doch um die neueste Serie von Pendleton Ward, der dank Adventure Time – Abenteuerzeit mit Finn und Jake Kultstatus genießt. Genauer handelt es sich um eine Kooperation mit Duncan Trussell, der ebenfalls Fernseherfahrung gesammelt hat. Vor allem hat er einen ziemlich erfolgreichen Podcast namens The Duncan Trussell Family Hour, der es auf bislang mehr als 300 Folgen bringt und letztendlich auch die Inspiration für die Serie war. Tatsächlich ist Enthüllungen zu Mitternacht weniger narratives Werk als vielmehr selbst eine Art Podcast. Wenn Clancy auf den unterschiedlichsten Welten Halt macht, dann weniger, um dort Abenteuer zu erleben, sondern um sich ausgiebig zu unterhalten.

Das Themenspektrum ist wie bei der Vorlage groß, reicht vom Gebrauch von Drogen über Spiritualität bis zum Tod – je nach Gesprächspartner*in. Nun können Gespräche inhaltlich noch so interessant sein, visuell geben sie nicht wirklich viel her, was viele Dokumentationen beweisen. Aus diesem Grund hat Ward, der Regie führte, diese Gespräche mit allerlei actionreicher Szenen verbunden. Das anfängliche Gespräch über Drogen findet beispielsweise inmitten einer Zombie-Apokalypse statt. Der Tod wiederum führt uns in eine Tasche, deren Inneres sehr viel größer und eigenartiger ist, als sie nach außen hin zeigt. Die Kombination ist ausgesprochen interessant, weil zwei Elemente miteinander verknüpft werden, die eigentlich gar nicht zusammengehören. Wenn zeitgleich tiefgründige Gespräche geführt werden sollen, drumherum aber absurde, teils brutale Abenteuer stattfinden, dann entsteht daraus eine Schere zwischen Inhalt und Bild, wie man das in der Form wohl noch nie gesehen hat.

Lauter Welten ohne Verbindung
Doch was einerseits den Reiz von Enthüllungen zu Mitternacht ausmacht, ist gleichzeitig Manko: Es gelingt Ward und Trussell kaum, daraus Kontexte oder Querverbindungen zu schaffen, die Zuordnung ist oft völlig willkürlich. Es wurde auch nicht wirklich versucht, einen Rahmen zu schaffen, der sich über mehrere Folgen hinweg zieht. Teilweise macht der Weltenreisende zwar Entwicklungen durch, manche Figuren tauchen mehrfach auf. Aber das ist nicht genug, um daraus beispielsweise Emotionalität zu erzeugen. Wenn es gegen Ende hin auf einmal sehr traurig wird, dann kommt auch das aus dem Nichts, ist nur ein Element unter vielen. Manchmal fällt es aufgrund der Diskrepanz sogar schwer, sich auf einen der beiden Bestandteile zu konzentrieren. Da wurde wirklich die Chance verpasst, den Podcast mit den Vorzügen eines narrativen Werks zu verbinden.

Doch auch wenn Enthüllungen zu Mitternacht am Ende unter den Möglichkeiten bleibt, es ist eine faszinierende Erfahrung. Technisch ist das eher spärliche Werk zwar nicht so wirklich beeindruckend, Animation und Spezialeffekte verraten das geringe Budget. Die Serie macht dies jedoch mit umso ausgefallener gestalteten Welten wieder wett, deren bloßer Anblick schon ein psychedelischer Trip ist. Die Orte folgen keinen Gesetzmäßigkeiten, allenfalls einer Traumlogik. Ständig passieren hier seltsame Dinge, die man nicht erwartet, nicht erwarten kann, weil sie einem Zufallsgenerator entsprungen sind. Wer etwas andere Animationstitel zu schätzen weiß, sollte hier auf jeden Fall reinschauen, auch wenn sich die Spannung bei den visualisierten Gesprächen eher in Grenzen hält.

Credits

OT: „The Midnight Gospel“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Pendleton Ward
Drehbuch: Duncan Trussell, Pendleton Ward, Mike L. Mayfield, Brendon Walsh, Meredith Kecskemety
Idee: Duncan Trussell, Pendleton Ward
Musik: Joe Wong, Duncan Trussell

Bilder

Trailer

Kaufen/Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

„Enthüllungen zu Mitternacht“ ist sicherlich einer der ungewöhnlichsten Animationstitel der letzten Jahre: Die Serie kombiniert reale Podcast-Gespräche über die unterschiedlichsten Themen mit surrealen Abenteuern eines Simulator-Reisenden. Leider gelingt es nicht, beides so zusammenzuführen, dass sie sich gegenseitig ergänzen oder eine tatsächliche Geschichte formen. Als Experiment ist dieser farbenfrohe, teils brutale Trip aber durchaus faszinierend.
7
von 10