Jeffrey Epstein Filthy Rich Stinkreich Netflix
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Jeffrey Epstein: Stinkreich 

Kritik

Jeffrey Epstein Filthy Rich Stinkreich Netflix
„Jeffrey Epstein: Stinkreich“ // Deutschland-Start: 27. Mai 2020 (Netflix)

Neben zahlreichen Serien und dem einen oder anderen Prestigefilm setzt Netflix gerade auch auf Dokumentationen, um eine möglichst große Anzahl von Zuschauern und Zuschauerinnen vor die Bildschirme zu locken. Einer der wichtigsten Publikumsmagnete sind in der Hinsicht die sogenannten True Crime Dokus: Produktionen, die sich mit wahren Verbrechen auseinandersetzen. Während die frühen Beispiele vor allem mit der Rekonstruktion der Verbrechen beschäftigt waren, gab es in der letzten Zeit einen auffälligen Trend, die Leute daheim nicht einfach informieren zu wollen, sondern sie zu bewegen. Zu diesem Zweck ist kein Verbrechen zu scheußlich: Wenn in Don’t F**k with Cats – Die Jagd nach einem Internet-Killerkleine Kätzchen gequält und getötet werden oder in Der Fall Gabriel Fernandez ein kleiner Junge brutal zu Tode gefoltert wird, dann ist die Empörung und der Horror des Publikums bereits einkalkuliert.

Gleiches gilt für Jeffrey Epstein: Stinkreich, den neuesten Zuwachs in dem inzwischen reich gefüllten Segment. Erzählt wird darin von dem gleichnamigen Mogul, der zahlreiche Minderjährige missbraucht und einen Sexhandelsring unterhalten haben soll. In Europa wurde seine Verhaftung im letzten Jahr zwar von den Medien aufgenommen, von der breiten Bevölkerung aber eher weniger wahrgenommen – nicht zuletzt weil Epstein in seiner Zelle starb, bevor der Prozess eröffnet werden konnte. Das wiederum rief Verschwörungsanhänger auf den Plan, die in dem Tod einen Auftragsmord von Leuten sahen, die noch sehr viel mehr zu vertuschen hatten und ihn deshalb aus dem Weg geräumt sehen wollten, bevor er aussagte. Das ist verständlich, verkehrte Epstein als Milliardär mit den Wichtigsten und Mächtigsten, unter anderem gehörten Bill Clinton und Donald Trump zu seinem Umfeld, die sich im Anschluss natürlich eiligst von ihm distanzierten.

Wenig neue Erkenntnisse
All das erzählt Regisseurin Lisa Bryant pflichtbewusst in Jeffrey Epstein: Stinkreich, sät Zweifel an der offiziellen Geschichte, ohne näher ins Detail zu gehen. Das liegt auch an der Natur der Sache, hatte sie doch keinen Zugang zu dem Verstorbenen oder anderen Hintermännern. Sie traf sich zwar mit ausgesprochen vielen Leuten, um mit ihnen über die Sache zu reden, darunter frühe Weggefährten. Das Phänomen kann aber auch sie nicht erklären. Wie er beispielsweise zu dem großen Reichtum kam, der im Titel angesprochen wird, das wird hier kaum thematisiert. Die Frage, wie es überhaupt möglich war oder gewesen wäre, einen derartigen Sexhandelsring aufzubauen, dazu schweigt sich die Dokumentation aus. Der Titel ist deshalb recht irreführend, der Mogul mag im Mittelpunkt des Geschehens stehen, im Anschluss ist man aber nicht viel schlauer.

Was Bryant stattdessen macht: Sie lässt die Opfer zu Wort kommen. Nach und nach melden sich hier unzählige Frauen, die entweder selbst missbraucht worden sind oder anderen nahestanden, denen das Schicksal widerfahren ist – Schwestern beispielsweise. Die vier Folgen, jede etwa eine Stunde lang, veranschaulichen auf diese Weise, was genau geschehen ist, aber auch auf welche Weise sie zu Opfern werden konnten. Oft suchte sich Epstein Mädchen, die aus dem einen oder anderen Grund leichte Beute waren, weil sie entweder Geld brauchten, unter mangelndem Selbstbewusstsein litten oder nicht die geistige Reife mitbrachten, um zu erkennen, was hier vor sich ging. Bei vielen setzte die Erkenntnis erst relativ spät ein.

Zwischen Befreiung und Ausbeutung
Das Ergebnis dieser Aussagen ist jedoch ausgesprochen zwiespältig. Auf der einen Seite ist es wichtig, eben die Opfer einmal sprechen zu lassen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Version der Geschichte präsentieren zu dürfen. Zu oft werden sie ignoriert, auch von den Behörden, die Epstein in einer früheren Anklage einen Deal zuschusterten, der wie ein Schlag ins Gesicht für die Frauen gewesen sein muss, die erst Furchtbares erleben mussten, danach den Mut finden auszusagen, nur um dann zu sehen, wie Epstein mit einem blauen Augen davonkam und einfach weitermachen konnte. In Jeffrey Epstein: Stinkreich die Schilderungen zu hören, das geht durch Mark und Bein, zeichnet das Bild eines manipulativen Monsters, der viel früher schon hätte weggesperrt werden müssen.

Gleichzeitig hat aber auch Jeffrey Epstein: Stinkreich dadurch etwas Manipulatives und Ausbeuterisches an sich. Die Schmerzen, welche die Frauen hier noch ein zweites Mal durchleben müssen, sie werden nicht zum Erkenntnisgewinn eingesetzt, sondern um gezielt das Publikum anzusprechen. Gerade weil der Informationsgehalt der Serie sich eher in Grenzen hält, entsteht dadurch ein Ungleichgewicht zwischen der Schilderung des Falles und der Schilderung der schrecklichen Erfahrungen – wodurch die Dokumentation klar voyeuristische Züge annimmt. Verstärkt wird das durch besonders theatralische Überspitzungen, die nicht ohne Grund eingebaut wurden. Wen das nicht stört bzw. in Kauf nimmt, der kann sich hier von zahlreichen Details verstören lassen, die sich kein Drehbuchautor schlimmer hätte ausdenken können. Und sich eben empören lassen, dass ein Mensch wie Epstein ungestraft über viele Jahre an jungen Mädchen vergreifen konnte, ohne dass jemand eingeschritten ist.

Credits

OT: „Jeffrey Epstein: Filthy Rich“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Lisa Bryant

Bilder

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„Jeffrey Epstein: Stinkreich“ erzählt dem Publikum von den Machenschaften des gleichnamigen Milliardärs, der über viele Jahre Mädchen missbraucht und einen Sexhandelsring unterhalten haben soll. Der Informationsgehalt zum Fall ist eher dünn, aus verschiedenen Gründen kann die Dokuserie nicht mehr über die Geschichte erzählen als allgemein bekannt. Dafür gehen die Zeugenaussagen der ehemaligen Opfer durch Mark und Bein, auch weil das hier durchaus voyeuristische Züge annimmt.