Grand Army Netflix
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Grand Army – Staffel 1

Kritik

Grand Army Netflix
„Grand Army – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 16. Oktober 2020 (Netflix)

Der Schock ist groß bei den Schülern und Schülerinnen der Grand Army High School, als bekannt wird, dass ein Bombenanschlag stattgefunden haben soll. Zusammengekauert warten sie in den Treppenhäusern darauf, dass die Situation sich wieder klärt. Unter ihnen befinden sich auch Joey Del Marco (Odessa A’zion), Dominique Pierre (Odley Jean), Leila Kwan Zimmer (Amalia Yoo), Jayson Jackson (Maliq Johnson) und Siddhartha Pakam (Amir Bageria). Dabei ist das Leben auch so schon kompliziert genug für die Jugendlichen, müssen sie sich doch mit den Fragen des Alltags herumplagen, mit komplizierten Gefühlen, aber auch der Frage, was genau aus ihnen eigentlich werden soll, wenn die Schule erst einmal vorbei ist …

Netflix hat ein Herz für Jugendliche. Zumindest für solche, die fleißig beim Streamingdienst zuschauen. Und damit das auch so bleibt, wird nahezu jede Woche ein neuer Film oder eine neue Serie ins Programm aufgenommen, in deren Zentrum junge Menschen und ihre mal mehr, mal weniger alltäglichen Probleme im Fokus stehen. Die Versuchung ist daher hoch, Grand Army als nur einen weiteren Tropfen in dieser Flut aus Coming-of-Age-Liebesdramen anzusehen, die über das Publikum hinwegfegt. Doch das wäre nicht ganz fair, denn die von Katie Cappiello entwickelte Serie hat deutlich mehr zu erzählen, als es in dem Bereich Standard ist.

Ein bombiger Alltag
Schon der Einstieg rund um die Bombendrohung ist ungewöhnlich. Für die eigentliche Geschichte ist der Vorfall zwar sekundär, später wird nur noch selten darauf verwiesen. Zumindest aber gelingt es Grand Army, sich damit auf einen Schlag von der zahlreichen Konkurrenz abzuheben und die Neugierde zu wecken. Außerdem passt es ganz gut zu einer Serie, die sehr viel von der Unsicherheit junger Menschen handelt, die sich einen Weg durch das Dickicht aus Regeln und Erwartungen schlagen müssen und dabei oftmals gar nicht wissen, wer sie denn nun sind und was sie auf dieser Welt eigentlich sollen. Die aber auch beim Umgang mit anderen Menschen oft ein wenig überfordert sind, sich mit Gefühlen schwer tun und nicht verstehen, was im jeweiligen gegenüber so vor sich geht.

Leila beispielsweise ist ein chinesisches Mädchen, das von einem weißen, jüdischen Paar adoptiert wurde. Dass ein junger Mensch in einer solchen Konstellation gewisse Schwierigkeiten mit der Bestimmung der eigenen Identität hat, ist nur allzu verständlich. Hinzu kommt, dass sie keinerlei chinesische Sprachkenntnisse hat, weswegen sie zur Zielscheibe des Spotts „echter“ chinesischer Mitschülerinnen wird. Siddhartha wiederum hat mit seiner Homosexualität zu kämpfen, von der niemand etwas wissen darf, vor allem nicht seine aus Indien stammende Familie, die sehr konservative Ansichten pflegt und entsprechenden Druck auf den Sohn ausübt.

Ein bunter Strauß ernster Themen
An ernsten Themen mangelt es in Grand Army also nicht: Ob nun sexuelle oder kulturelle Identität, die Protagonisten und Protagonistinnen haben ihre jeweiligen Rollen noch nicht gefunden. Die feministisch engagierte Joey wiederum lehnt sich offen gegen die ihr zugewiesene Rolle auf, wenn sie gegen Sexismus rebelliert und damit regelmäßig Ärger provoziert. Bei ihrem Handlungsstrang wird zudem auf #MeToo eingegangen. Und als wäre das nicht schon genug harter Stoff, darf auch Rassismus nicht fehlen, wenn die meisten der Hauptfiguren dunkelhäutig sind und in einer Welt aufwachsen, die ihnen geringere Rechte zugesteht. Weiße, heterosexuelle Männer gibt es zwar schon auch. Die meisten von ihnen spielen aber keine nennenswerte Rolle in dem Drama.

Das ist natürlich schon alles ein bisschen geballt. Dennoch gelingt es Grand Army diese ganzen Problemfelder aufzuzeigen, ohne sich gleich moralisierend zu geben oder das Publikum zu erschlagen. Vielmehr wird vieles doch sehr nachvollziehbar aufgezeigt, wenn die Schule zu einem Mikrokosmos der Welt der draußen wird. Ein Mikrokosmos, der sich einerseits an dem orientiert, was heutige Jugendliche umtreibt, dabei aber auch ganz universelle Themen aufgreift, wie sie schon vor Jahrzehnten gezeigt wurden. Da auch das junge Ensemble überzeugt, einige daraus sogar eine echte Entdeckung sind, ist dieses zwischen hoffnungsvoll und erschütternd wechselnde Jugenddrama den meisten anderen überlegen, die Netflix zuletzt veröffentlicht hat. Man muss nicht immer alles gut heißen, was die Jugendlichen da tun. Sie können rührend sein, manchmal aber auch richtig nerven. Am Ende erinnert die Serie daran, wie schön und aufregend das Erwachsenwerden sein kann – und wie grauenvoll.

Credits

OT: „Grand Army“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: So Yong Kim, Darnell Martin, Tina Mabry, Silas Howard, Clement Virgo
Drehbuch: Katie Cappiello, Hilary Bettis, Randy McKinnon, Andy Parker, Ming Peiffer, Lewaa Nasserdeen, Alessandra Clark
Idee: Katie Cappiello
Musik: Morgan Kibby
Kamera: Ava Berkofsky, Bobby Shore, Autumn Eakin, Andrew Wehde
Besetzung: Odessa A’zion, Odley Jean, Amir Bageria, Maliq Johnson, Amalia Yoo, Alphonso Romero Jones II, Thelonius Serrell-Freed, Anthony Ippolito, Brian Altemus

Bilder

Trailer

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„Grand Army“ begleitet fünf Schüler und Schülerinnen durch ihren von Kämpfen, Unsicherheiten und anderen Problemen geprägten Alltag. Die Bandbreite an ernsten Themen ist hoch, was manchen zu viel sein könnte. Aber es gelingt der Serie und dem Ensemble doch gut, einfühlsam und authentisch aus dem Leben junger Menschen zu erzählen, die selbst noch nicht wissen, was sie mit dieser Welt anfangen sollen.
7
von 10