IO Netflix
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IO Netflix
„IO“ // Deutschland-Start: 18. Januar 2019 (Netflix)

Aufgeben? Das kommt für Sam (Margaret Qualley) nicht in Frage. Während die meisten anderen längst die Erde verlassen haben, nachdem diese in Folge einer Klimakatastrophe nahezu unbewohnbar wurde, harrt die Wissenschaftlerin immer noch aus. Denn ganz aufgegeben hat sie die Hoffnung nicht. Ihr Ziel: Ein Verfahren entwickeln, mit dem die Menschen doch noch auf der Erde bleiben können. Als sie jedoch Micah (Anthony Mackie) kennenlernt, der sie dazu drängt, mit ihm die letzte Raumfähre zu nehmen, welche zum Jupitermond IO unterwegs ist, kommen ihr Zweifel. Will sie tatsächlich allein zurückbleiben und den Kampf ganz ohne Gesellschaft fortführen?

Auch wenn die menschliche Geschichte quasi täglich neue Fortschritte verkündet, technologisch, medizinisch oder auch kulturell, so richtig hoffnungsvoll blicken wohl immer weniger in die Zukunft. Vor allem Filmemacher zeigen sich regelmäßig als Pessimisten, wenn sie eine Vision der Erde von morgen entwerfen. Überwachungsstaaten (Anon), konstante Kriege, der Kampf um Ressourcen (Mad Max: Fury Road) – je negativer der Ausblick, umso besser. Und wenn selbst das nicht mehr reicht, wird die Welt eben komplett unbewohnbar gemacht, ausgelöst durch Gier, Dummheit und Raubbau.

Hauptsache, die Welt ist schön kaputt
So richtig frisch ist das Szenario von IO daher nicht, wenn hier mal wieder eine Klimakatastrophe alles kaputt gemacht hat, was Jahrtausende menschlicher Entwicklung aufgebaut hat. Von den Jahrmillionen vor dem Menschen ganz zu schweigen. Man könnte sogar sagen, es ist ebenso verbraucht wie der Planet. Aber das muss ja nicht schlimm sein. So lange die Atmosphäre stimmt, es ein paar schaurig-schöne Untergangsbilder zu bewundern gibt und im Idealfall noch eine interessante Geschichte dazu erzählt, so lange ist die Welt noch in Ordnung. Zumindest für das Publikum, welches sich das Elend anschaut.

Dem Netflix-Film gelingt das aber nur zum Teil. Die Welt an sich ist ganz ansehnlich geworden, kombiniert typische Endzeitelemente heruntergekommener Gebäude mit Naturaufnahmen. Das hat sogar ein bisschen was Nostalgisches, wenn Micah so gar nicht futuristisch in einem Heißluftballon unterwegs ist. Ohnehin wirkt das hier alles irgendwie aus der Zeit gefallen. Menschen sind ansonsten keine unterwegs, von der Hektik der Gegenwart ist nichts zu spüren – auch wenn offiziell die Zeit ja durchaus drängen sollte, schließlich fliegt das letzte Schiff bald weg. Ein bisschen Eile wäre da dann schon angebracht gewesen.

Immer mit der Ruhe
Aber um Spannung geht es dem französischen Regisseur Jonathan Helpert, der hier seinen zweiten Spielfilm abliefert, offensichtlich ohnehin nicht. Obwohl solche Endzeitfilme ganz gerne mal im Action- oder Thrillerbereich angesiedelt sind, da ist IO in erster Linie ein Drama. Ein sehr ruhiges Drama. Das Problem ist jedoch weniger, dass in dem Film erstaunlich wenig geschieht, die Figuren sich in aller Seelenruhe unterhalten, während um sie herum die Welt untergeht. Das Problem ist, dass sie dabei nicht wirklich viel zu sagen haben. Gleich drei Namen, so verrät der Abspann, sind für das Drehbuch verantwortlich. Drei Leute, die sich anscheinend nicht einig werden konnten, wovon der Film denn eigentlich handeln soll.

Da gibt es das persönliche Drama, welches sich in Flashbacks nach und nach enthüllt. Spuren von Romanzen finden sich in dem Film, wenn Sam von Anfang an mit ihrer weit entfernten Liebe kommuniziert, in Form von Nachrichten. Direkte Gespräche, die sind nicht mehr möglich. Eine ökologische Botschaft ist in IO ohnehin dabei, schließlich haben die Menschen ihr Schicksal selbst zu verantworten. Zum Schluss gibt es dann auch noch kräftige Verweise auf die griechische Mythologie, um sich selbst einen intellektuellen Anstrich zu geben. Jedes Thema wäre für sich genommen durchaus wert, als Film aufgearbeitet zu werden. In dieser Form ist das dann aber doch wenig befriedigend, geht zu wenig in die Tiefe. Es ist sogar mitunter beleidigend, wie Kitsch für Poesie verkauft werden soll, offenes Ende und Namesdropping als Gedankenanstoß missverstanden wird. Das kann man sich insgesamt sicher noch ansehen, die ruhige, leicht traumartige Atmosphäre macht die inhaltlichen Schwächen zum Teil wieder wett. Aber es ist dann doch frustrierend, wie wenig mal wieder aus einem vielversprechenden Material gemacht wurde.



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Die Erde ist tot … oder doch nicht? In „IO“ sucht eine Wissenschaftlerin nach einer Möglichkeit, ihr durch eine Klimakatastrophe verwüstetes Zuhause doch noch bewohnbar zu machen. Das bringt diverse interessante Themen mit sich, ist auch atmosphärisch gut gelöst, überzeugt jedoch nicht in der Summe. Dafür mangelt es zu sehr an Tiefgang, das ruhige Drama verlässt sich trotz guter Absichten an zu vielen Stellen auf plakative Schlagwörter.
5
von 10