Abercrombie & Fitch: Aufstieg und Fall Netflix
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Abercrombie & Fitch: Aufstieg und Fall

Abercrombie & Fitch: Aufstieg und Fall Netflix
„Abercrombie & Fitch: Aufstieg und Fall“ // Deutschland-Start: 19. April 2022 (Netflix)

Inhalt / Kritik

Wer um die Jahrtausendwende in den USA jung war, musste Kleidung von Abercrombie & Fitch tragen – jedenfalls dann, wenn er oder sie dazugehören und „cool“ sein wollte. Unter der Leitung von CEO Mike Jeffries wurde das Unternehmen in der Neunziger Jahren schnell zur angesagtesten Modemarke unter Schülern und Studenten. Viel mehr als Bekleidung verkaufte A&F aber ein Lebensgefühl, und dieses basierte vor allem darauf, dass man einem exklusiven Club angehörte, der nicht jeden aufnahm. Zum Konzept gehörten auch die bis in Details streng durchdesignten Läden, die von außen nicht einsehbar waren, von lauten Clubbeats beschallt wurden und in denen stets der typische A&F-Duft in der Luft lag.

Im Marketing ebenfalls nicht wegzudenken waren leicht bekleidete Körper; sowohl auf großformatigen Bildern als auch leibhaftig am Eingang der Geschäfte sah man die Waschbrettbäuche oberkörperfreier männlicher Models. So faszinierend all das für eine Weile wirkte, hatte das Erfolgsmodell aber auch seine Schattenseiten: Nach und nach wurden etwa Vorwürfe laut, das Unternehmen würde lediglich „gutaussehende“ und vor allem nur weiße Mitarbeiter für seine Läden einstellen. Nachdem einige von ihnen gegen das Unternehmen klagten, behauptete dieses, einen Kurswechsel vornehmen zu wollen. Doch die Blütezeit von A&F war vorüber, das Mysterium entzaubert und die Marke längst nicht mehr so cool, wie sie einmal gewesen war.

Ein Club für junge Weiße

Die Dokumentation auf Netflix versucht nun genau diesen „Aufstieg und Fall“ nachzuzeichnen – und zumindest das gelingt ihr auch. Zunächst jedoch scheint auch der Film einfach nur cool sein zu wollen. Schnelle Schnitte und auch unter den Redebeiträgen liegende laute Musik bestimmen den Anfangsteil der Dokumentation. Das wirkt nervig, aber der Film vermittelt erfolgreich die immense Bedeutung von A&F in der noch von Musiksendern und Shopping Mall-Kultur geprägten Phase um das Jahr 2000. Interviewt wurden vor allem Journalisten und ehemalige Mitarbeiter des Konzerns. Von Ex-CEO Mike Jeffries wird meist immer nur wieder dasselbe unvorteilhafte Foto eingeblendet. Für ein eigenes Interview hat man ihn nicht gewinnen können, doch der Film arbeitet das Konzept, das Jeffries für die Marke entwickelt hat, gut heraus. Demzufolge waren die Kleidungsstücke eher nebensächlich, viel mehr verkaufte A&F eben ein Gefühl. Dieses wiederum basierte in erster Linie auf Exklusivität, was bedeutet, dass man bestimmte Gruppen gezielt ausschließen musste. Die Marke richtete sich an eine junge, weiße Käuferschicht, für die das A&F-Gefühl etwas Erstrebenswertes darstellte, das aber eben nicht so sehr außer Reichweite schien, dass es unerreichbar war. Coolness für eine breite Masse also, aber nicht für jeden (denn „dazugehören“ kann nur, wer sich auch von etwas abgrenzt).

Neben Jeffries wird als weitere zentrale, für den Erfolg des Unternehmens wichtige Figur Starfotograf Bruce Weber genannt, der über viele Jahre hinweg die Models ablichtete, deren Abbilder dann Filialen, Tüten und Werbeplakate zierten. Dabei wird auch nicht unterschlagen, dass die Motive stets eine starke homoerotische Komponente aufwiesen – und trotzdem auch bei der breiten Masse Anklang fanden, an der diese schwulen Elemente anscheinend komplett vorbeigingen. Das Marketingkonzept von A&F wurde so streng durchgezogen, dass alle als Models, Influencer oder Verkäufer arbeitenden Mitarbeiter einem einheitlichen Look entsprechen sollten, den man mit den Worten jung, weiß und glatt zusammenfassen kann. Keine Dreadlocks und nur dezenter Schmuck – solche Beispiele werden aus den firmeninternen Vorgaben für neue Mitarbeiter zitiert und man wundert sich, wie A&F damit überhaupt jahrelang durchkommen konnte. Heute würde das wohl sofort einen Social Media Shitstorm auslösen.

Mehr Drumherum als Kleidung

Diskriminierende und rassistische Slogans auf T-Shirts, umstrittenen Äußerungen von Jeffries, die eben genannten Einstellungskriterien und Anschuldigungen gegen Bruce Weber wegen angeblicher sexueller Übergriffe – als der Film sich schließlich auf diese Themen konzentriert, wird er endlich auch ruhiger und stringenter. Es wird herausgearbeitet, dass viele der Probleme letztendlich im Grundkonzept der Marke begründet liegen, gezielt auf Exklusion zu setzen und nur die „coolen Kids“ ansprechen zu wollen. Letztendlich fußte der Erfolg von A&F auf Diskriminierung und so war es nur eine Frage der Zeit, bis sowohl die Öffentlichkeit als auch Mitarbeiter ihre Stimme dagegen erhoben. Demonstrationen vor den Filialen und Klagen einiger nicht weißer, sich benachteiligt fühlender Angestellter führten schließlich dazu, dass das Unternehmen Änderungen ankündigte. Ein „Chief Diversity Officer“ wurde eingestellt, Jeffries musste gehen, die Belegschaft wurde insgesamt diverser. Doch A&F fand Schlupflöcher, um sich den Auflagen zu entziehen und so kam es wohl, wie es kommen musste: Die Marke hat heute nicht mehr dieselbe Bedeutung wie noch vor 20 Jahren und die Aura von mysteriöser Coolness ist längst verblasst.

Diesen immensen Erfolg und ebenso raschen Fall von Abercrombie & Fitch zeichnet der Film knapp, aber verständlich nach. Bezeichnend ist, dass es fast gar nicht um die Kleidung an sich geht. Wo die Kleidungsstücke herkommen, wer sie produziert, designt oder auswählt, wird mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen bekommt man hier eine komprimierte und bisweilen reißerische Lektion in Marketing und Werbepsychologie. Ein wenig wirkt das so, als seien die Filmemacher selbst der Faszination der Marke erlegen.

Credits

OT: „White Hot: The Rise & Fall of Abercrombie & Fitch“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: Alison Klayman
Kamera: Julia Liu, Tasha Van Zandt

Bilder

Trailer

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Abercrombie & Fitch: Aufstieg und Fall
Fazit
Geschichten von großem Erfolg und anschließendem Fall faszinieren immer – so auch hier. Während die Dokumentation etwas konfus und laut beginnt, lernt man später immerhin einiges Interessantes über die Hinter- und Abgründe des Erfolgs von Abercrombie & Fitch.
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