Die 12 Geschworenen The Twelve de Twaalf Netflix Serie
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Die zwölf Geschworenen – Staffel 1

Kritik

Die 12 Geschworenen The Twelve de Twaalf Netflix Serie
„Die zwölf Geschworenen – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 10. Juli 2020 (Netflix)

Die Anschuldigen wiegen schwer, die man Frie Palmers (Maaike Cafmeyer) hier macht. Sie soll nicht nur ihre beste Freundin umgebracht haben, sondern auch ihre Tochter, die inzwischen bei ihrem Exmann Stefaan De Munck (Johan Heldenbergh) und dessen neuer Freundin Margot Tindemans (Greet Verstraete) lebte. Doch war sie es wirklich? Oder wollte man ihr nur die Schuld in die Schuhe schieben? Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, werden zwölf Geschworene ausgesucht, geleitet von Holly Ceusters (Charlotte De Bruyne), die am Ende über die Schuldfrage beraten sollen. Einfach ist das nicht. Nicht nur, dass der Fall viele Ungereimtheiten aufweist und die Männer und Frauen einen sehr unterschiedlichen Hintergrund mitbringen. Die meisten von ihnen haben gerade privat mehr als genug um die Ohren …

Bei dem Titel Die zwölf Geschworenen ist es als einigermaßen filmaffiner Mensch nahezu unmöglich, nicht an den Klassiker aus dem Jahr 1957 zu denken. In seiner Kinofassung eines früheren Fernsehfilms erzählte Sidney Lumet von eben jenen Geschworenen, die darüber zu beraten haben, ob ein junger Mann seinen Vater ermordet hat. Mehrere Male wurde die Geschichte verfilmt, was den Schluss zulässt, dass die belgische Netflix-Serie ein weiteres Remake des Stoffes sein könnte, nur eben im Langformat. Doch auch wenn es unbestritten Gemeinsamkeiten gibt, so ganz lässt sich das hier mit den vermeintlichen Vorbildern nicht vergleichen.

Die Menschen hinter dem Urteil
Zum einen geht es in der Serie Die zwölf Geschworenen nur zum Teil um das Verbrechen an sich. War der Film ein reines Kammerspiel, das nahezu ausschließlich in dem Beratungszimmer der Geschworenen stattfand, gibt es hier umfangreiche Ausflüge in das Leben der Laienjuroren. Was bei der Filmvariante nur am Rand ausgesprochen wurde, und zwar dass der Hintergrund der Menschen ihre jeweiligen Urteile beeinflusst, das rückt hier deutlich in den Vordergrund. Tatsächlich wird gleich zu Beginn die Frage gestellt, ob eine der Geschworenen aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen zuvor nicht voreingenommen ist. Das ist sie natürlich auf ihre Weise, wie sie es alle sind, keiner geht völlig frei an diese Arbeit.

Immer wieder wird die Suche nach der Wahrheit daher durch Nebenhandlungen unterbrochen, denn die meisten haben privat mit irgendwas zu kämpfen. Mal sind es Probleme mit der Tochter, dann steckt jemand in finanziellen Schwierigkeiten, ein anderer ist einsam und sucht Anschluss in der Gruppe, wird jedoch zunächst ignoriert. Das trägt dazu bei, dass „Die zwölf Geschworenen“ deutlich mehr menschelt, als man es vorab erwarten durfte. Die belgische Produktion, die Ende 2019 bei unseren Nachbarn bereits im Fernsehen lief, ist an vielen Stellen mehr Drama als Krimi, beschäftigt sich stark mit den Beziehungen der Figuren und diversen menschlichen Abgründen. An verabscheuungswürdigen Charakteren mangelt es dabei nicht, vor allem lügen viele wie gedruckt.

Nicht ist, wie es scheint
Das wiederum kommt natürlich dem Krimipart zugute. Immer wieder werden durch neue Erkenntnisse oder alte Flashbacks Puzzleteile neu angeordnet. Was zuvor wie eine unerschütterliche Wahrheit wirkte, steht auf einmal nur noch auf wackligen Füßen. Manche Spuren führen auch ins Nichts, wie bei einem klassischen Whodunnit wird man hier regelmäßig in die Irre geführt. Das ist für ein Publikum, das gerne rätselt, ein reizvoller Spielplatz, auf dem man viel Zeit verbringen kann – und gewissermaßen auch muss: Das Tempo von Die zwölf Geschworenen ist recht gering, gerade durch die vielen Abzweigungen geht es oft nur langsam voran.

Ein weiteres Manko dürfte für viele sein, dass es ein eher offenes Ende gibt, das zwar zu einem Urteilsspruch führt, aber nach wie vor viele Fragen offen lässt. Ob man dies so gehandhabt hat, um noch eine etwaige zweite Staffel hinterherschieben zu können, das sei mal dahingestellt. Vielleicht gehörte es auch zum Konzept, dass eine Schuldfrage, anders als man es in Filmen und Serien oft vorgeführt bekommt, oft nicht so eindeutig ist, wie man es gern hätte, Zweifel am Ende dazugehören. Wer sich damit abfinden kann und auch damit, dass die Geschworen ungleichmäßig behandelt werden – über manche erfährt man fast gar nichts –, der findet hier eine atmosphärische Mischung aus Charakterdrama, Mördersuche und Gerichtsprozedere.

Credits

OT: „De twaalf“
IT: „The Twelve“
Land: Belgien
Jahr: 2019
Regie: Wouter Bouvijn
Drehbuch: Bert Van Dael, Sanne Nuyens
Musik: David Martijn, Jeroen Swinnen
Kamera: Dries Delputte
Besetzung: Maaike Cafmeyer, Charlotte De Bruyne, Maaike Neuville, Tom Vermeir, Zouzou Ben Chikha, Piet De Praitere, Peter Gorissen, Anne-Mieke Ruyten, Josse De Pauw, Johan Heldenbergh, Greet Verstraete, Koen De Sutter, Sofie Decleir, Mieke De Groote

Bilder

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„Die zwölf Geschworenen“ erzählt von einer Frau, der vorgeworfen wird, ihre beste Freundin und das eigene Kind getötet zu haben, aber auch deren Umfeld und vor allem den Menschen, die ihre Schuld feststellen sollen. Das Ergebnis ist eine sehenswerte Mischung aus Krimi und Drama, die aufgrund des langsamen Tempos und des offenen Endes aber nicht jedem gefallen dürfte.
7
von 10