The Perfection Netflix
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The Perfection

The Perfection Netflix
„The Perfection“ // Deutschland-Start: 24. Mai 2019 (Netflix)

Charlotte Willmore (Allison Williams) war eines der größten Talente der renommierten Bachoff-Schule und persönliches Protegé von dessen Leiter Anton (Steven Weber). Aber das Schicksal hatte etwas anderes mit der Cellistin vor, als ihre Mutter schwer krank wurde und Charlotte zu ihrer Familie zurück musste, um sich um sie zu kümmern. Nun ist sie zurück, doch nach all den Jahren ist kein Platz mehr für sie. Stattdessen steht Lizzie (Logan Browning) im Rampenlicht. Für Charlotte ist dies kein Problem, von Feindseligkeit keine Spur. Im Gegenteil: Beide entwickeln schnell Gefühle füreinander, werden zu einem Paar, das gemeinsam China bereist. Bis es zu einer verhängnisvollen Busfahrt kommt …

Der neue Netflix-Thriller The Perfection ist einer dieser Filme, bei denen man anfänglich denkt, alles bereits zu wissen, nur um dabei völlig aufs Glatteis geführt zu werden. Ein ehemaliges Wunderkind trifft auf ihre Nachfolgerin, die genau das Leben führt, das es selbst gern gehabt hätte. Das lässt ein bisschen Zickenkrieg erwarten, gekoppelt mit dem menschenverachtenden Druck, den es oft gibt, wer zur künstlerischen Elite gehören will – siehe etwa Black Swan oder Whiplash. Da sind die Menschen schon kaputt, bevor sie überhaupt wirklich erwachsen sind, was wiederum eine ideale Vorlage für ein bisschen Genrekino ist.

Huch, das kommt jetzt aber überraschend …
The Perfection fackelt aber nicht lange und bewegt sich in eine ganz andere Richtung, es dauert nur wenige Minuten, da landen Charlotte und Liz im Bett. Das geht ein bisschen schnell, hört sich auch etwas nach schmieriger Männerfantasie an, Glaubwürdigkeit wird nackter Haut geopfert. Aber jeglichen Anspruch an Glaubwürdigkeit sollte man im Vorfeld besser zurück in die Kiste legen, diese dreimal absperren und auf den Kopf stellen. Denn das, was Regisseur und Co-Autor Richard Shepard da zusammengesponnen hat, ist einer der bizarrsten Thriller, die man zuletzt hat sehen dürfen, ohne gleich in die experimentelle Arthouse-Schiene zu gehen.

Bis es interessant wird, braucht es jedoch ein wenig Geduld. Vor allem die Reise in China lässt einen des Öfteren auf die Uhr schauen, sofern noch vorhanden. Alternativ dürfte der eine oder andere auch mal angewidert den Blick abwenden, wenn in einer qualvoll langen Szene unkontrollierte körperliche Aktivitäten in den Mittelpunkt rücken. The Perfection ist ein Film, der sein Publikum mit widerwärtigen Szenen schockieren will, so hat man zumindest den Eindruck, wenn genüsslich das ausgebreitet wird, was man im wahren Leben doch fernab von einem beobachtenden Publikum tun würde.

Ignorance Is Bliss
The Perfection, das auf dem Fantastic Fest 2018 Weltpremiere feierte, schockiert dann auch wirklich. Aber anders, als man es zu dem Zeitpunkt erwartet. Viel mehr sollte man vorab gar nicht über den Film wissen. Der Horror-Thriller lebt davon, dass er immer wieder Haken schlägt, von denen einige völlig absurd, andere vorhersehbar sind. Aber selbst wer irgendwann das Spiel durchschaut hat, wird nicht auf alles vorbereitet sein, was hier geschieht: Die Twists gehen hier mit grotesken, grausamen, teils unzumutbaren Momenten einher, von denen man gar nicht weiß, ob das nun großartig oder grauenvoll ist.

Spaß macht das aber durchaus, sofern man diese Art Film mag. Gesprächsstoff gibt es im Anschluss auf jeden Fall eine Menge, im Guten wie im Schlechten. Zweifelsfrei gut sind zudem die Leistungen der Darstellerinnen: Allison Williams (Get Out) und Logan Browning (Dear White People) harmonieren wunderbar als unerwartetes Paar, dürfen in anderen Situationen aber auch ganz andere Seiten von sich zeigen. Und auch Steven Weber gefällt als schmieriger, eiskalter Leiter der Musikschule, hat ebenso wie seine Kolleginnen nicht die geringste Scheu davor, sich vor der Kamera mal ein bisschen gehen zu lassen und ebenso verrückt zu werden, wie es The Perfection zeitweise ist.



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„The Perfection“ fällt unter die Kategorie: Musst du gesehen haben, um es zu glauben! Was als typische Rivalität zwischen zwei Wunderkindern beginnt, wird zu einem bizarren Trip, der sich für keine Wendung zu schade ist. Glaubwürdig ist das natürlich nicht, aber durchaus spaßig – auch weil das Ensemble vor der Kamera so gar keine Hemmungen zeigt.
6
von 10