Devilman Crybaby
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Devilman Crybaby
„Devilman Crybaby“ Release // Netflix: 5. Januar 2018

Man kann nicht unbedingt behaupten, dass Akira Fudo ein Mensch mit großer Durchsetzungskraft wäre. Dass ausgerechnet er die Welt retten soll, das ist deshalb schon ein recht absurder Einfall. Und doch ist es genau das, was sein Freund Ryo Asuka vorschlägt. Aber es wird noch verrückter: Die Bedrohung für die Welt sollen Dämonen sein, die sich zum großen Angriff rüsten. Um diese übermächtigen Wesen aufhalten zu können, soll Akira deren Fähigkeiten annehmen, mit einem Dämon verschmelzen, um so das Böse aufhalten zu können. Das klappt überraschend gut, der ehemalige Schwächling gewinnt sehr viel Stärke hinzu und mäht einen Widersacher nach dem anderen nieder. Gleichzeitig muss er sich jedoch in Acht nehmen. Denn wenn erst einmal bekannt ist, wer sich hinter dem Devilman verbirgt, dann ist erst recht der Teufel los.

Es war ja fast schon etwas zu viel des Guten. Erst lässt sich Masaaki Yuasa einige Jahre gar nicht blicken. Und dann meldet er sich mit einem regelrechten Feuerwerk zurück. Gleich zwei Filme lieferte der Anime-Kultregisseur letztes Jahr ab, die Eigenentwicklung Lu Over the Wall und die Romanadaption Night Is Short, Walk On Girl. Und dann krönt er sein Comeback auch noch mit einer neuen Serie, die er exklusiv für Netflix produzierte.

Rückkehr eines Klassikers
Wobei, ganz neu ist Devilman Crybaby natürlich nicht. Wer sich ein bisschen in der Welt des Mangas und des Anime zu Hause fühlt, der könnte über den Titel schon in anderer Form gestolpert sein. 46 Jahre ist es mittlerweile her, dass der große Mangaka Go Nagai (Cutie Honey: Tears, Mazinger Z) mit der Geschichte um eine dämonische Schlacht einen seiner bekanntesten, aber auch kontroversesten Titel veröffentlichte. Es folgten eine Reihe von Umsetzungen im Laufe der Jahrzehnte, zuletzt die Crossover-OVA Cyborg 009 VS Devilman.

Yuasa und sein Drehbuchautor Ichirō Ōkouchi (Planetes) verlegten die Geschichte zwar in die Neuzeit, bauten beispielsweise an vielen Stellen Konversationen mittels Smartphones ein. Ansonsten aber hielten sie sich eng an die Vorlage. Das bedeutet, dass auch in dieser Fassung die Begegnung mit dem Halbdämon ziemlich harter Tobak ist. In Devilman Crybaby werden Menschen bei lebendigem Leibe gefressen, manchmal auseinandergerissen. Aber auch bei den Dämonen hat die körperliche Unversehrtheit eine nur kurze Haltbarkeit. Hinzu kommen überraschend explizite Sexszenen, bei der es dann auch keinen Unterschied mehr macht, welches Geschlecht dann nun mit welchem im Bett landet. Oder wo auch immer die Figuren gerade die Lust überkommt.

Altbekannt und doch sehr seltsam
Teilweise weckt das unangenehme Erinnerungen an die 1980er, als Werke wie Wicked City oder Urotsukidōji in erster Linie durch Sex und Gewalt auf sich aufmerksam machen wollten. Und für Kinder ist Devilman Crybaby ohnehin völlig ungeeignet, vergleichbar hart zur Sache geht es auch bei den in der Hinsicht nicht ganz unbefleckten Animes nur selten zu. Und doch wäre es ein Fehler, die Serie allein darauf zurückzuführen. Zu sehen gibt es beispielsweise selbst abseits der blutigen Momente eine ganze Menge. Yuasa lässt glücklicherweise seinem notorisch exzentrischen visuellen Spieltrieb freien Lauf. Fremdartige Bewegungen, seltsame Farbentscheidungen – der von seinem Studio Science Saru produzierte Anime schließt an seine früheren stilistischen Wunderwerke wie The Tatami Galaxy an.

Dessen Komik ist auch hier zu finden, bietet einen starken Kontrast zu den grausigen Szenen. Und auch den ernsten Szenen. Denn das ist der zweite Punkt, der seinen Anime von oberflächlich ähnlichen unterscheidet: Devilman Crybaby ist verdammt traurig. Und auch wendungsreich. Wer genug hat von den ewig gleichen Geschichten japanischer Herkunft hat, in denen ein Jugendlicher die ganze Welt retten muss, der findet hier eine surreale bis tragische Alternative, die sich an keinerlei Erwartungen hält und eines der düstersten Enden bereithält, die man in der japanischen Zeichentrickkunst je mitansehen durfte oder musste. Eine Vorliebe für das Seltsame ist dabei jedoch sehr vom Vorteil, sonst droht ein Gefühl irgendwo zwischen Verwunderung und Verstörung.



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In „Devilman: Crybaby“ zeigt Masaaki Yuasa wieder seine gewohnt exzentrische Vorliebe für stilistisch einzigartige Bilder. Gleichzeitig wird der Kultregisseur aber auch der berühmten Manga-Vorlage gerecht: Wenn hier ein Jugendlicher mit einem Dämon verschmilzt, um die Welt zu retten, dann hält sich das an keine Erwartungen oder geschmackliche Grenzen, der bizarre und brutale Anime ist selbst für Erwachsene eine größere Herausforderung.
8
von 10