Paddleton Netflix

Paddleton

Paddleton Netflix
„Paddleton“ // Deutschland-Start: 22. Februar 2019 (Netflix)

Sie puzzlen zusammen, spielen das selbsterfundene Paddleton oder schauen sich gemeinsam alte Martial-Arts-Filme an: Die beiden Nachbarn Mike (Mark Duplass) und Andy (Ray Romano) verbinden eine tiefe Freundschaft und jede Menge Rituale. Doch damit wird bald Schluss sein. Als bei Mike ein fortgeschrittener, unheilbarer Krebs festgestellt wird, will sich dieser eine demütigende und schmerzhafte Therapie ersparen. Stattdessen möchte er selbst bestimmen, wie und wann er stirbt. Zunächst muss er sich jedoch das passende Mittel besorgen, was nicht ganz so einfach ist. Also bittet er Andy, zusammen wegzufahren und gemeinsam seine letzten Tage zu verbringen.

Wo Duplass draufsteht, da ist auch Duplass drin. Als die beiden Brüder Mark und Jay Duplass anfingen Filme zu drehen, wurden sie mit ihren skurrilen Figuren und verschrobenen Alltagsgeschichten schnell zu Lieblingen der US-Indieszene. Bei Paddleton überließ Mark zwar Alex Lehmann den Regiestuhl und begnügte sich damit, mit ihm das Drehbuch zu schreiben. Doch die Art und Weise, wie hier zwei Außenseiter gemeinsam durchs Leben stolpern, sich eine eigene kleine Welt aufgebaut haben, das erinnert immer mal wieder an frühere Werke der Duplass-Brüder, etwa an Jeff, der noch zu Hause lebt.

Ein Spiel nach eigenen Regeln
Schon der Titel verdeutlicht, dass wir es hier mit zwei Originalen zu tun haben. Denn der leitet sich von einem selbst ausgedachten Spiel ab, das ein wenig wie Squash aussieht. Nur eben etwas anders ist. So wie vieles an ihnen etwas anders ist, etwas erklärungsbedürftig. Als etwa Andy sich beim Gespräch mit der Ärztin, welches den Film eröffnet, ständig einmischt, sieht sich diese irgendwann genötigt zu fragen, in welcher Beziehung die beiden eigentlich zueinander stehen. Paddleton, das ist eben auch die Geschichte einer besonderen Freundschaft. Eine Freundschaft, die nach ganz eigenen Regeln funktioniert, die man als Außenstehender nicht unbedingt versteht. Die man auch gar nicht verstehen muss.

Das unterscheidet Paddleton von den diversen anderen Filmen, die sich ganz ähnliche Themen vorgenommen haben. Und morgen Mittag bin ich tot oder Hin und weg fallen einem da beispielsweise ein, auch dort entschieden Todkranke, selbstbestimmt aus dem Leben zu treten und nahmen dafür längere Reisen in Kauf. Doch während bei den Kollegen der Tod immer wieder thematisiert wurde, das Genre fest im Drama verankert war, ist das hier deutlich lockerer und leichter. So wie es sich die zwei in ihrer eigenen kleinen Welt gemütlich gemacht haben, so wenig hat hierin der Krebs Platz. Sie machen einfach weiter, verwirren andere Menschen mit ihren Marotten, so als ob nie etwas die Routine durchbrechen könnte.

Freude und Trauer eng beieinander
Und auch als Zuschauer vergisst man dabei immer wieder, dass der Tod als Begleiter dabei ist. Man will es vielleicht auch vergessen. Denn irgendwie ist es so rührend, den zwei Männern im mittleren Alter zuzuschauen, die völlig unwichtig sind, nichts Besonderes im Leben geleistet haben, und dabei doch eben etwas Besonderes sind. Paddleton, das auf dem Sundance Film Festival 2019 Premiere feierte und nun per Netflix auch dem Rest der Welt zur Verfügung steht, feiert das Leben. Es feiert die Belanglosigkeit. Es feiert aber auch die ungewöhnlichen Begegnungen. Die kleinen Farbtupfer in dem Grau in Grau. Sollen doch die anderen Köpfe schütteln oder lachen. Manchmal braucht es zum Glück eben nicht mehr als ein rumpelndes Fass.

Und es braucht die dafür passenden Darsteller. Während Duplass in dieser Freundschaft den etwas ruhigeren Part übernimmt, die Emotionen seiner Figur lieber für sich behält, darf Romano (The Big Sick) den aktiveren Teil übernehmen. Das kann manchmal etwas anstrengend sein. Und doch macht er es einem leichter, sich in seiner Figur wiederzufinden, wie er um seinen Freund kämpft, hin und her gerissen ist zwischen seinem Wunsch, für Mike da zu sein und dem eigenen, Mike noch länger behalten zu dürfen. Dass er das nicht kann, er hilflos mitansehen muss, wie ihm seine Welt entschwindet, bewegt, tut später sogar richtig weh. Paddleton mag nicht für jeden sein mit seiner Mischung aus Alltag und Exzentrik, aus bescheuerten Spielen, bescheuerten Filmen und einer richtig bescheuerten Krankheit. Aber wer sich auf diese ruhige Reise einlassen kann, wird mit einer zutiefst menschlichen, warmherzigen Tragikomödie belohnt, die so banal und so einzigartig wie das Leben ist.



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Eine Freundschaft, die von viel Routine bestimmt ist, wird durch eine tödliche Krankheit gestört, das hört sich nach schwerem Drama an. „Paddleton“ kombiniert jedoch tragische Momente mit leichten, stellt uns zwei Männer vor, die ebenso gewöhnlich wie außergewöhnlich sind. Eine Liebeserklärung an das Leben, so komisch und so traurig es manchmal auch sein mag.
7
von 10