Hollywood Netflix
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Kritik

Hollywood Netflix
„Hollywood“ // Deutschland-Start: 1. Mai 2020 (Netflix)

Die Träume sind groß von Jack Castello (David Corenswet), als er mit seiner Frau nach Hollywood zieht. Denn der frühere Soldat will Schauspieler werden. Das wollen jedoch viele, wie er bald feststellt, ohne Ausbildung und ohne Verbindungen gibt es für ihn praktisch keine Chance, überhaupt auf das Studiogelände gelassen zu werden. Und damit keine Chance, Geld zu verdienen. Also lässt er sich auf das Angebot von Ernest West (Dylan McDermott) ein, an dessen Tankstelle nicht nur Benzin, sondern auch sexuelle Dienste verkauft werden. Eine Kundin: Avis Amberg (Patti LuPone), die mit einem mächtigen Studioboss verheiratet ist. Jack ist dabei nicht der einzige, dessen Karriereweg äußerst holprig sind. Auch sein Schauspielkollege Roy Fitzgerald (Jake Picking), der angehende Regisseur Raymond Ainsley (Darren Criss) und Drehbuchautor Archie Coleman (Jeremy Pope) haben mit den ausbeuterischen Machenschaften der Studios zu kämpfen …

Eines kann man Ryan Murphy und Ian Brennan sicher nicht vorwerfen: dass sie sich ständig wiederholen. Nachdem das Duo mit der Musical-Serie Glee einen Volltreffer landeten, drehten die beiden TV-Größen unter anderem die Horrorkomödie Scream Queens, zuletzt machten sie mit der Satire The Politician von sich reden, die von erbitterten Machtkämpfen an einer Schule erzählten. Nun drehen sie, erneut im Auftrag von Netflix, die Zeit zurück und reisen mit Hollywood in die 1940er, um von dem damaligen Studiosystem und der Situation junger Künstler und Künstlerinnen im allgemeinen zu sprechen. Richtig toll war die nicht, man musste sich damals noch deutlich mehr gefallen lassen als heute.

Diskriminierung kennt keine Grenzen
Das könnte durchaus als eine Art Kommentar auf #MeToo verstanden werden. Mit dem Unterschied, dass es hier eben keine Frauen sind, die sich auf der Besetzungscouch ausziehen müssen, sondern die Männer. Nicht, dass es den Frauen in Hollywood unbedingt besser ginge. Sowohl Afroamerikanerin Camille Washington (Laura Harrier) wie auch die chinesischstämmige Anna May Wong (Michelle Krusiec) haben mit Rassismus zu kämpfen. Die weißen Frauen haben zwar mehr Einfluss, werden im Zweifelsfalls dann aber doch von ihren Männern in die Küche geschickt. Und selbst die mächtigen weißen Männer haben oft unter Diskriminierung zu leiden, wenn sie ihre Homosexualität verstecken müssen. Alles was anders ist, wird verfolgt, beschimpft, manchmal auch mit dem Tod bedroht.

Das ist natürlich harter Stoff, den Murphy und Brennan da auspacken. Ein Stoff, der trotz seines historischen Kontextes noch immer ausgesprochen aktuell ist. Doch Hollywood ist kein bleischweres Problemdrama, auch wenn es das Szenario anbieten würde. Anfangs meint man sogar eher, eine Komödie vor sich zu haben. Der Ton ist heiter, die Musik beschwingt, alles ist schön bunt und strahlend, es laufen auch praktisch nur gutaussehende Menschen durchs Bild. Und wenn Jack dann doch mal die Hose runterlassen muss und so einen kleinen Realitätseinlauf bekommt, dann wirkt das eher komisch als wirklich schrecklich. Frei nach dem Motto: Ach, seht das nicht so ernst, Hauptsache, wir haben alle Spaß!

Am Ende wird alles gut
Dieser Widerspruch von äußerem Glamour und den hässlichen Zuständen behält Hollywood über weite Strecken bei. Ein bisschen irritierend ist das schon, führt auch dazu, dass die dramatischen Entwicklungen kaum Wirkung zeigen. Vielleicht war das Duo der Ansicht, dem Publikum nicht zu viel zumuten wollen, damit die späteren Wohlfühl-Szenen nicht ganz so plötzlich wirken. Denn schon vorher wurden zwar immer wieder Steine in den Weg gelegt, die kurze Zeit später aber schon verschwunden waren. Der große Mut, den es beispielsweise brauchte – oder gebraucht hätte – in den 1940ern eine Schwarze für die Hauptrolle zu nehmen und sie als ganz normale Frau zu zeigen, nicht als Bedienstete, der wird hier zu hypothetisch.

Nun ist ein bisschen Träumen nicht verwerflich. Als Gedankenspiel ist das sogar gar nicht mal so uninteressant: Wie würde unsere Welt heute aussehen, wenn Hollywood in den 1940ern schon Frauen, anderen Ethnien und Homosexuellen den Weg zur Leinwand geöffnet hätten? Doch um diesen Gedanken auch ein bisschen Gewicht zu verleihen, hätte man auch die Konsequenzen zeigen müssen. Stattdessen gibt es zum Schluss lauter Kitschmomente, die man bei einer Filmversion als schamloses Oscar Bait verrissen hätte – eine nostalgisch gefärbte Selbstbeweihräucherung, die man im Altherrenclub immer wieder pflegt. Und das ist dann doch ein bisschen wenig, sogar irgendwie ärgerlich. Als Plädoyer für mehr Diversität und Toleranz ist die Netflix-Serie zu künstlich, die emotionalen Momente zu erzwungen, die Siege zu geschenkt. Das sieht dann zwar alles toll aus, ist auf seine Weise aber ebenso oberflächlich wie das System, das hier kritisiert wird.

Credits

OT: „Hollywood“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Ryan Murphy, Daniel Minahan, Michael Uppendahl, Janet Mock, Jessica Yu
Drehbuch: Ryan Murphy, Ian Brennan, Janet Mock, Reilly Smith
Idee: Ryan Murphy, Ian Brennan
Kamera: Simon Dennis, Blake McClure
Besetzung: David Corenswet, Darren Criss, Laura Harrier, Joe Mantello, Dylan McDermott, Jake Picking, Jeremy Pope, Holland Taylor, Samara Weaving, Jim Parsons, Patti LuPone

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„Hollywood“ nimmt uns mit in die Traumfabrik der späten 40er, wo Homosexuelle, Schwarze und Frauen gegen Diskriminierung anzukämpfen haben, der Weg zum Erfolg oft nur über die Besetzungscouch erfolgt. Die Serie sieht toll aus, traut sich aber nicht hässlich zu werden, weshalb die emotionalen Momente kaum wirken und das Plädoyer für mehr Toleranz zu oberflächlich bleibt.
5
von 10