The Old Guard Netflix
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The Old Guard

Kritik

The Old Guard Netflix
„The Old Guard“ // Deutschland-Start: 10. Juli 2020 (Netflix)

Sie wollen die Menschen beschützen, das haben sich Andy (Charlize Theron), Booker (Matthias Schoenaerts), Joe (Marwan Kenzari) und Nicky (Luca Marinelli) einst geschworen. Und diesem Schwur gehen sie seither nach, selbst Jahrhunderte später. Die eingeschworene Gruppe, die im Geheimen agiert, ist nahezu unsterblich, weder Waffen noch Kugeln können ihnen etwas anhaben – den unheimlichen Heilungskräften sei Dank. Doch Andy ist müde geworden, ist es leid, immer wieder in Einsätzen malträtiert zu werden, ohne dass die Menschheit jemals wirklich besser zu werden scheint. Da begegnet sie Nile (KiKi Layne), einer jungen US-Soldatin, welche dieselben Kräfte zu haben scheint. Kräfte, die sich die Männer um Merrick (Harry Melling) und Copley (Chiwetel Ejiofor) gern zunutze machen würden …

Dieses Jahr war durch das Corona-Fiasko bislang nicht sonderlich ergiebig für die Fans von großen Superhelden-Geschichten. Die Blockbuster wurden allesamt verschoben und auch wenn sie inzwischen neue Kinotermine erhalten haben, die Skepsis ist groß, ob es wirklich bei diesen bleiben wird. Für Netflix ist das natürlich eine prima Gelegenheit, in diesem Umfeld mitmischen zu wollen. Versuche hat es in der Hinsicht bereits eine Reihe gegeben, an Geschichten von übernatürlich begabten Figuren mangelt es beim Streaminganbieter bekanntlich nicht – siehe etwa The Umbrella Academy, Raising Dion oder I Am Not Okay with This. Nun startet mit The Old Guard ein weiterer Anlauf, das zahlungskräftige Publikum, das sich sonst Marvel oder DC auf der großen Leinwand anschauen würde, zu sich zu locken.

Fünfmal Unsterblichkeit zum Mitnehmen, bitte
Wobei der Vergleich in mehrfacher Hinsicht hinkt. Wo die Konkurrenz mit vielen verschiedenen Kräften um Aufmerksamkeit wirbt, da ist es bei The Old Guard „nur“ die Unsterblichkeit bzw. Unverwundbarkeit. Die Mitglieder des geheimen Superheldenclubs unterscheiden sich deshalb kaum, gehen alle mit denselben Stärken in den Ring. Das ist natürlich weniger abwechslungsreich, als man es von anderen Comic-Adaptionen gewohnt ist. Greg Rucka, der sowohl die Vorlage wie auch hier das Drehbuch geschrieben hat, setzt auf Masse als auf Vielfalt. Das kann man natürlich machen, sollte dann aber anderweitig dafür sorgen, dass einem nicht langweilig wird – gerade weil unverwundbare Helden und Heldinnen nicht unbedingt für Spannung in Kämpfen sorgen.

Daraus hätte man ein gut gelauntes Actionspektakel machen können, durchlöchert von Kugeln und knackigen Sprüchen. Oder man bewegt sich stärker in eine dramatische Richtung und zeigt auf, was es bedeutet, für immer leben zu müssen und mitanzusehen, wie die Menschen um einen herum streben. Bei Vampirfilmen hat man dies beispielsweise des Öfteren getan. Humor gibt es in The Old Guard praktisch keinen, von ein paar kleineren Wortgefechten mal abgesehen. In Hinblick auf das Drama versuchte man tatsächlich, gerade Andy als tragische Figur aufzubauen, die das Leid nicht mehr mitmachen will. Aber es fehlte dann doch der Mut oder auch der Wille, das wirklich durchzuziehen und ein bisschen tiefer zu bohren, die emotionale Komponente fällt dünn aus.

Actionszenen mit Hand und Blut
Stattdessen gibt es in erster Linie Actioneinsätze, wenn die Unsterblichen gegen Merrick in den Kampf ziehen, um ihn aufzuhalten und sich selbst zu schützen. Das sieht teilweise richtig ordentlich aus: Anstatt sich wie bei anderen Comic-Verfilmungen auf reine Effektgewitter zu verlassen, darf es bei The Old Guard deutlich physischer durchgehen – und auch brutaler. Da werden immer mal wieder Leute mit gezielten Kopfschüssen erledigt, auch andere Waffen kommen zum Einsatz. Falsche Scheu kennt da niemand, einfach mal kräftig draufhalten heißt die Devise. Das ist nicht unbedingt elegant oder originell in Szene gesetzt, dafür aber schön wuchtig.

Und doch: So richtig groß sind die Begeisterungsstürme hier nicht. Zwar darf eine abgeklärte Theron erneut zeigen, dass sie durchaus mit Mitte 40 eine knallharte Actionheldin mimen kann. Dazu gibt es diverse andere bekanntere Gesichter, die sie unterstützen. Aber es ist schon recht austauschbar was da geschieht, sowohl auf die Geschichte wie die Inszenierung bezogen. Das epische Gefühl von Jahrhunderte alten Kriegern will sich nicht einstellen, zu oft wird The Old Guard zu einem ganz gewöhnlichen Söldnerstreifen. Unbefriedigend ist auch, dass die Kräfte nie aufgeklärt werden und diese irgendwann einfach weg sein können – als Geschichtenerzähler darf man da schon mehr Arbeit investieren, anstatt sich so leicht aus der Affäre ziehen zu wollen. Sollte aus dem Film ein ganzes Franchise werden, so wie es die verräterischen Midcredits-Szenen andeuten, dann bitte in einem Szenario, welches mit den Superkräften etwas anfangen kann und sie nicht nur zu Werbezwecken verwendet.

Credits

OT: „The Old Guard“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Gina Prince-Bythewood
Drehbuch: Greg Rucka
Vorlage: Greg Rucka, Leandro Fernández
Musik: Volker Bertelmann, Dustin O’Halloran
Kamera: Tami Reiker, Barry Ackroyd
Besetzung: Charlize Theron, KiKi Layne, Matthias Schoenaerts, Marwan Kenzari, Luca Marinelli, Chiwetel Ejiofor, Harry Melling

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In „The Old Guard“ bekommt es eine Gruppe unsterblicher Menschenretter mit einem fiesen Feind zu tun, der ihre Kräfte für sich nutzen will. Das ist prominent besetzt und lockt mit bodenständigen Kämpfen, löst aber keine großen Begeisterungsstürme aus, da weder aus den Figuren noch dem Szenario oder den Kräften viel herausgeholt wird.
6
von 10