All die verdammt perfekten Tage All the Bright Places Netflix
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All die verdammt perfekten Tage

Kritik

All die verdammt perfekten Tage All the Bright Places Netflix
„All die verdammt perfekten Tage“ // Deutschland-Start: 28. Februar 2020 (Netflix)

Seitdem ihre Schwester bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, hat Violet (Elle Fanning), die selbst im Auto saß, jegliche Lebensfreude verloren. Sie trifft keine Freunde mehr, verlässt allgemein kaum noch das Haus, schon der Anblick eines Autos jagt ihr riesige Angst ein. Als sie eines Nachts in ihrer Trauer auf die Brücke klettert, begegnet sie dort ihrem Mitschüler Theodore (Justice Smith). Bislang hatten die beiden nur wenig Kontakt. Doch das wird sich ändern, denn es gelingt dem Jungen, sie aus ihrer Isolation zu holen und wieder die Schönheit der Welt zu zeigen. Dabei ahnt Violet nicht, wie es im Inneren ihres neuen Freundes ausschaut …

Die Filmrechte eines Buches zu verkaufen, noch bevor dieses erschienen ist, das ist eine Ehre, die nur wenigen Autoren und Autorinnen zuteil wird. Umso erstaunlicher ist es, dass die Adaption von Jennifer Nivens All The Bright Places schon so früh in Planung war. Bücher hatte die US-Amerikanerin zwar schon ein paar veröffentlicht, doch keines davon war im Jugendbereich angesiedelt – bis zu eben jenem Roman. Der wurde dann tatsächlich ein großer Erfolg, der bislang größte von Niven. Und nun ist auch der Film da, mit einigen Jahren Verspätung. heißt im Deutschen All die verdammt perfekten Tage und fand auf Netflix ein Zuhause.

Mehr Tragik als Spaß
Das ist durchaus nachvollziehbar, der Streamingdienst hat mit seinen ganzen Teenie-Romanzen gute Erfahrungen in Hinblick auf die Publikumsbindung gemacht, kürzlich kamen mit To All the Boys: P.S. I Still Love You und Isi & Ossi zwei weitere Titel heraus, die junge Herzen zum Überquellen bringen wollten. Im Gegensatz zu den tendenziell humorvoll angelegten Kollegen, gibt es hier jedoch nur wenig Grund zum Lachen. Ernste Themen waren natürlich auch bei den obigen Beispielen dabei, von mangelnder Selbstsicherheit bis zu Klassenunterschieden. All die verdammt perfekten Tage setzt dem Ganzen aber noch eins drauf, wagt sich in ein paar richtig tragische Abgründe.

Das überzeugt vor allem in der ersten Hälfte. Violet, die den Autounfall überlebt hat, während ihre Schwester sterben musste, findet keinen Weg aus ihrer Depression und ihren Schuldgefühlen, heil aus der Sache rausgekommen zu sein. Tragische Vorgeschichten sind in Jugendfilmen keine Seltenheit. Je mehr die Figuren mit irgendwelchen alten Problemen zu kämpfen haben, umso größer ist die Freude, wenn zum Schluss alles überwunden ist. Niven beschränkt sich aber nicht allein darauf, ein paar Hindernisse aufzuzeigen, sondern demonstriert auch, welche psychischen Auswirkungen dies haben kann. Während junge Protagonist*innen mit schweren körperlichen Erkrankungen in den letzten Jahren immer mal wieder thematisiert wurden, scheuen sich viele vor einem entsprechenden psychischen Pendant zurück. Dass hier zumindest versucht wird, das Tabu zu brechen, das ist lobenswert.

Ein schönes Paar
Schauspielerisch ist an dem Film ohnehin nichts auszusetzen. Elle Fanning (Maleficent – Die dunkle Fee, The Neon Demon) bringt das nötige Maß an Verletzlichkeit mit, eng verbunden mit einem gewissen Misstrauen. Justice Smith (Pokémon Meisterdetektiv Pikachu) tritt mitreißend und furchtlos auf, eine Mischung aus Mitgefühl und charmanter Übergriffigkeit. Die beiden zusammen zu sehen, wie sie Gefühle entwickeln und zurück ins Leben finden, das geht schon zu Herzen. Die Lebensfreude, die sie in einigen Situationen zeigen, bei den gemeinsamen Ausflügen, die ist ansteckend. Ebenso die Erkenntnis, selbst in der tiefsten Dunkelheit noch Licht finden zu können.

Allerdings geht es in All die verdammt perfekten Tage um mehr als eine allmähliche Heilung, so schön das auch sein mag. Doch wurde dieses „mehr“ teuer erkauft. Der Film setzt auf den Überraschungseffekt, was einerseits wirksam ist, aber doch auch irgendwie billig. Das wäre auch ohne den Holzhammer gegangen, ehrlicher, weniger manipulativ. Überhaupt muss es zum Ende hin irgendwie furchtbar schnell gehen, was nicht so gut zu der an und für sich ruhigen Erzählweise passt. Krisen werden erzwungen, damit alles ein Ende findet, dem Thema wird das Drama so nicht gerechnet. Solide ist es aber trotz dieser Mängel, aufgrund der Ernsthaftigkeit zudem eine sinnvolle Ergänzung zum stetig wachsenden Wohlfühl-Teenie-Sortiment von Netflix.

Credits

OT: „All The Bright Places“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Brett Haley
Drehbuch: Jennifer Niven, Liz Hannah
Vorlage: Jennifer Niven
Musik: Keegan DeWitt
Kamera: Rob Givens
Besetzung: Elle Fanning, Justice Smith, Luke Wilson, Kelli O’Hara

Bilder

Trailer

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Eine Jugendliche kommt nicht über den Tod ihrer Schwester hinweg, bis sich ein Mitschüler ihrer annimmt. „All die verdammt perfekten Tage“ überzeugt durch das Ensemble, einige schöne Momente, sammelt zudem Pluspunkte durch das Bekenntnis zum Tabuthema psychische Schwierigkeiten. Allerdings wird zum Ende unnötig mit dem Holzhammer dramatisiert.
6
von 10