American Son Netflix
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American Son

American Son Netflix
„American Son“ // Deutschland-Start: 1. November 2019 (Netflix)

Kendra (Kerry Washington) würde alles für ihren Sohn Jamal tun. Entsprechend beunruhigt ist sie dann auch, als der mittlerweile 18-Jährige eines Abends nicht nach Hause zurückkehrt. Auf der Polizei erfährt sie zwar von dem anwesenden Officer Paul Larkin (Jeremy Jordan), dass der Wagen in irgendeinen Vorfall verwickelt war. Doch über die genauen Umstände schweigt sich der Polizist aus. Erst als Kendras Mann Scott (Steven Pasquale), der selbst beim FBI arbeitet, hinzustößt, kommt Bewegung in die Geschichte. Aber die Ungewissheit bleibt, was das inzwischen getrennt lebende Paar zunehmend zum Äußersten treibt und viele verborgene Konflikte ans Tageslicht bringt …

Auch wenn das Film-Angebot von Netflix zeitweise nur aus billig zusammengeschusterter Massenware zu bestehen scheint, es gibt sie durchaus, die Werke, die mit dem Anspruch gedreht wurden, etwas über die Welt auszusagen. Ein solches Werk trägt den Titel American Son und wurde nun einige Wochen nach der Premiere auf dem Toronto International Film Festival 2019 ins Programm aufgenommen. Grundlage bietet hier ein Broadway-Stück von Christopher Demos-Brown, der auch das Drehbuch geschrieben hat. Broadway bedeutet in dem Fall aber nicht rauschendes Musical, was manche mit dem Namen verbinden. Stattdessen ist der Film ein überaus intimes Drama.

Gefangen in den Schatten der Bretter
Dass American Son sonst auf einer Bühne stattfindet, das ist unverkennbar. Selbst wer nicht über diese Information verfügt, dürfte schnell dahinterkommen, aus welchem Grund nahezu die gesamte Geschichte in einem einzigen Raum in der Polizei stattfindet. Vereinzelt versucht Regisseur Kenny Leon, der selbst viel Erfahrung im Theater hat, zwar schon, aus diesem strengen Format auszubrechen. Sonderlich viel ist ihm dazu aber nicht eingefallen. Eigentlich beschränkt sich das auf diverse Flashbacks, die dem Film aber nichts hinzuzufügen haben, weder inhaltlich noch visuell, und sogar eher irritieren, als dass sie etwas bringen würden. Immerhin ist die Kameraarbeit ordentlich.

Das Hauptaugenmerk dürfte aber ohnehin auf der Geschichte liegen. Die hat glücklicherweise auch einiges zu bieten, selbst wenn die Themen schon sehr auf die USA bezogen sind. Im Mittelpunkt des Films steht wieder einmal der Rassismus, sowohl der ganz alltägliche wie auch der im Kontext der Polizei – Gewalt gegenüber Schwarzen ist bekanntermaßen ein Dauerbrenner im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. American Son nähert sich dem Thema aber auf eine interessante Weise an, indem es hier um den Sohn einer schwarzen Frau und eines weißen Mannes geht. Schon die unterschiedliche Behandlung, die Officer Larkin den beiden Partnern gegenüber an den Tag legt, sagt einiges aus. Wobei unklar bleibt, wie viel davon auf die Hautfarbe, wie viel auf das Geschlecht und wie viel auf den Beruf zurückzuführen ist – dass ein Polizist einem FBI-Mitarbeiter gegenüber auskunftsfreudiger ist, liegt auf der Hand.

Geht das auch mal leiser?
Das ist dann aber auch symptomatisch für einen Film, der immer wieder alles auf einmal zusammenbringen will und nicht viel übrig hat für Subtilität. Im Rahmen einer Theateraufführung sind die konstruierten Dialoge und der Hang zum Exzess leichter zu verarbeiten als auf dem Bildschirm, American Son wirkt schon nach kurzer Zeit überaus künstlich. Zudem ist das Drama ungemein anstrengend, wenn die diversen inhaltlichen Auseinandersetzungen immer sofort zu schrillen Schreiwettbewerben ausarten. Man hat überhaupt keine Gelegenheit, auch mal über etwas nachzudenken, da sofort wieder verbal draufgehauen wird und aus jedem einzelnen Wort ein Konflikt gemacht wird. Das führt dazu, dass das Paar bei allem Verständnis für seine Lage dermaßen unangenehm und unsympathisch ist, dass man nur schnell das Weite suchen möchte und schon gar nicht mehr wissen will, das denn nun mit Jamal passiert ist.

Und das ist schon sehr schade, da der Film so viele wichtige Punkte anspricht und teilweise auch darum bemüht ist, verschiedene Blickwinkel zuzulassen und nicht nur in Schwarzweiß-Mustern zu verharren. Während beispielsweise Kendra anfangs an einem weißen Cop scheitert, gibt es später die umgekehrte Situation, als Scott es mit dessen schwarzen Chef zu tun bekommt. Und auch bei der Auflösung kommt es zu der einen oder anderen Überraschung. Als grundsätzlicher Denkanstoß funktioniert American Son daher schon, der Film gewinnt aber nicht annähernd die Kraft der Serie When They See Us, mit der Netflix vor einiger Zeit schon einmal das Thema des institutionalisierten Rassismus aufgriff.



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„American Son“ erzählt die Geschichte einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters, die auf einer Polizeistation auf Nachricht von ihrem Sohn hoffen und dabei höchst unterschiedliche Erfahrungen machen. Das Drama spricht dabei eine Reihe von wichtigen Themen an, kann aber seine Bühnenherkunft nie überwinden und wird schon nach kurzer Zeit so übertrieben und anstrengend, dass der Inhalt zur Nebensache wird.
5
von 10