Die Gesetze der Thermodynamik Netflix
© Netflix

Die Gesetze der Thermodynamik

Die Gesetze der Thermodynamik Netflix
„Die Gesetze der Thermodynamik“ // Deutschland-Start: 31. August 2018 (Netflix)

Es war der reine Zufall, der Manel (Vito Sanz), Elena (Berta Vázquez), Eva (Vicky Luengo) und Pablo (Chino Darín) zusammenbrachte, als sie sich an jenem Tag über den Haufen rannten. Außer für Manel natürlich. Der ist angehender Wissenschaftler und davon überzeugt, dass alles eine wissenschaftliche Grundlage hat. Selbst seine anschließende Beziehung zu Elena, die den Gesetzen der Thermodynamik folgt, folgen muss. Doch immer wieder werden seine Theorien auf eine harte Prüfung gestellt, vor allem als nach einer Weile die Probleme zwischen den beiden immer größer werden und Manel mit dieser Situation überfordert ist.

Liebe geht immer. Fast immer. Und so wundert es dann auch nicht wirklich, dass bei dem Dauerbeschuss von Netflix nahezu jede Woche ein Film dabei ist, der sich mit dem schönsten und gleichzeitig kompliziertesten aller Gefühle auseinandersetzt. Viele dieser Titel ist wenig ambitionierte Durchschnittsware, die sich damit begnügt, abgenutzte To-do-Listen abzuhaken. Dann und wann finden sich aber auch weniger gewöhnliche Vertreter darunter. Der Geheimtipp Us and Them beleuchtet eine Langzeitbeziehung entlang der gemeinsam verbrachten Silvesterfeiern. Mit Alex Strangelove und Alles nur eine Frage des Geschmacks wird der LGBT-Markt bedient. Und dann wäre da noch Kein Mann für leichte Stunden, der die Machtverhältnisse von Mann und Frau einfach mal umdreht.

Das Gesetz der Liebe
Auch Die Gesetze der Thermodynamik unterscheidet sich wohltuend von der Masse an kaum unterscheidbaren Liebeskomödien. Der Film unterscheidet sich sogar so sehr, dass man sich nicht immer ganz einig darüber ist, ob es sich überhaupt noch um eine solche handelt. Der Clou der Sache ist bereits im Titel verraten: Manel und auch der Film selbst versuchen wissenschaftliche Gesetze auf zwischenmenschliche Beziehungen anzuwenden, und damit auch auf die Liebe. Struktur und Logik in etwas zu finden, das die wenigsten von uns verstehen.

Solche Versuche gibt es natürlich immer mal wieder, gerade auch im Film. Nerds, die heillos damit überfordert sind, wenn sich Menschen unlogisch verhalten? Klar, kennen wir. Und doch geht Die Gesetze der Thermodynamik deutlich darüber hinaus. Das verdeutlicht schon der Einstieg, wenn wir den Zusammenprall der vier Protagonisten beobachten. Wo andere sich mit der Szene an sich begnügen würden, da sehen wir hier die Wege des Quartetts auf dem Weg zum Tatort, während Voice overs erklären, wie es zu dem Zusammenstoß kommen musste. Das ist verwirrend und interessant, gibt einen guten Vorgeschmack, was einen hier in den nächsten anderthalb Stunden erwartet.

Viele Wissenschaftler verderben den Fluss
Eines muss man Regisseur und Drehbuchautor Mateo Gil dabei lassen: Er macht es weder sich noch seinem Publikum leicht. Er blendet Wissenschaftler ein, die im Doku-Stil über die Thermodynamik reden, grafische Elemente wie Pfeile kommen ebenso zum Einsatz wie Splitscreens. Das geht so weit, dass man zwischenzeitlich nicht mehr sagen kann, ob Die Gesetze der Thermodynamik überhaupt noch ein Spielfilm ist oder nicht doch eine Wissenssendung, die das Liebesleid von Manel lediglich zur Veranschaulichung braucht. Das führt dazu, dass die Geschichte nie wirklich in Fluss kommt, die Beziehung einfach zu oft von diesen Meta-Elementen durchbrochen wird, die zudem manchmal zu ausführlich und komplex ausfallen.

Fans herkömmlicher Romanzen könnten noch aus einem zweiten Grund ihre Schwierigkeiten mit der spanischen Produktion haben. Meistens sollen solche Filme dazu anhalten, den Protagonisten die Daumen zu drücken, mit ihnen zu leiden und am Ende wieder von einer besseren Welt zu träumen. In Die Gesetze der Thermodynamik ist das kaum möglich. Auch wenn Manel sicher kein schlechter Mensch ist, so ist er doch wahnsinnig anstrengend und unbelehrbar. Jemand, bei dem schon Freundschaft eine echte Prüfung darstellt. Im Gegenzug bleibt Elena ohne großen Charakter, wird zu oft auf ihr gutes Aussehen reduziert. Beides führt dazu, dass das Paar einen eher kalt lässt, man kein großes Mitgefühl für sie entwickelt. Ob der Film damit nicht irgendwie sein Ziel verfehlt, darüber ließe sich streiten. Er ist aber unterhaltsam, stellt auf originelle Weise die Frage, inwiefern Beziehungen und Gefühle vorherbestimmt sind und ob wir einen echten Einfluss haben. Allein deshalb schon ist das Chaos um den Nachwuchswissenschaftler eine der positiven Überraschungen in dem zuletzt nicht immer beglückenden Netflix-Output.



(Anzeige)

Ein Nachwuchswissenschaftler ist überzeugt davon, dass auch die Liebe nur den Gesetzen der Thermodynamik folgt, und treibt damit seine Freundin zur Verzweiflung. Das ist weniger romanisch, als wir es von Liebeskomödien gewohnt sind. Dafür ist „Die Gesetze der Thermodynamik“ ein sehr origineller Vertreter, der sich durch die – wenn auch manchmal etwas exzessiven – Metaelemente wie Interviews unterhaltsam von der Masse abhebt.
7
von 10