Ghost Stories Netflix
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Ghost Stories (2020)

Kritik

Ghost Stories Netflix
„Ghost Stories“ // Deutschland-Start: 1. Januar 2020 (Netflix)

Das indische Kino verbanden wir lange Zeit allein mit den typischen Bollywood-Produktionen: überlange Romanzen mit vielen Farben und viel Tanz, mit einem offenen Bekenntnis zu Kitsch. Seit einiger Zeit findet man aber zumindest auf Netflix eine Reihe von Beispielen, dass in dem Vielvölkerstaat noch deutlich mehr möglich ist. Vor allem an Genre-Beiträgen zeigte der Streamingdienst Interesse. Den Anfang machte die Thrillerserie Der Pate von Bombay, später folgten die Horror-Produktionen Ghul und Der Geist von Sultanpore, die Science-Fiction-Dystopie Leila oder auch der Action-Thriller Drive. Die Abwechslung war also hoch, die Qualitätsunterschiede leider auch.

Das gilt gleichermaßen für Ghost Stories. Hier kam noch einmal das Team von Lust Stories zusammen, um eine weitere Anthologie für Netflix zu drehen. Dieses Mal standen aber weniger zwischenmenschliche Bedürfnisse auf dem Programm, sondern – der Titel verrät es bereits – Begegnungen mit dem Übernatürlichen. Genauer sind es vier Geschichten, die hier vereint werden, die teils tatsächlich von Geistern handeln, teils von anderen unheimlichen Gestalten. Doch egal, mit welchen Kreaturen es die Protagonisten und Protagonistinnen so zu tun bekommen, das Ziel dabei ist immer dasselbe: dem Publikum das Fürchten lehren.

Eine schreckliche Alte
Das klappt vereinzelt ganz gut, oft aber auch nicht. In der ersten Geschichte erzählt Zoya Akhtar von Sameera (Janhvi Kapoor), die als Pflegerin bei einer älteren Dame (Surekha Sikri) angeheuert wird, die nach einem Schlaganfall bettlägerig ist. Große Lust hat sie auf diese Stelle nicht, zumal die Alte nicht allzu kooperativ ist. Anstatt brav ihre Medikamente zu nehmen, besteht sie drauf, dass ihr Sohn sich in der Küche versteckt hat, dabei hat der sich schon seit Tagen nicht mehr blicken lassen. Das Ende ist ganz nett, davor gibt es jedoch viel Standard, am meisten bearbeiten noch die Schreie der Patientin die eigenen Nerven.

Danach folgt auch schon der Höhepunkt der Anthologie. So ganz klar wird zwar nicht, wovon der Beitrag von Anurag Kashyap eigentlich handelt. Im Mittelpunkt steht jedoch Neha (Sobhita Dhulipala), die abwechselnd von Babys und Vögeln träumt – Überbleibsel ihrer eigenen Kindheit. Das wird nie wirklich viel Sinn ergeben, soll es aber auch gar nicht. Stattdessen gewinnt Ghost Stories hier eine sehr surreale Note, teils sogar verstörend. Zumindest hierfür lohnt sich das Einschalten auch, wenngleich einem Netflix leider nicht die Möglichkeit gibt, die einzelnen Beiträge gesondert auszuwählen.

Beklemmen de Langeweile
Immerhin geht es im Anschluss ebenfalls nicht schlecht weiter. Sehr viel greifbarer wird es im dritten Film nicht, Dibakar Banerjee verzichtet sogar darauf, seinen Figuren einen Namen zu geben. Klar ist lediglich, dass es einen Mann (Sukant Goel) in ein kleines Kaff verschlägt, wo er zwei Kinder (Aditya Shetty, Eva Ameet Pardeshi) antrifft, die Horrorgeschichten erzählen. Genauer sollen in dem Dorf die Menschen übereinander herfallen und sich gegenseitig fressen, weshalb sie nicht mehr nach draußen wollen. Verständlicherweise. Die klaustrophobische Note wird später etwas aufgegeben. Einige spannende Szenen sind dennoch dabei. Leider ist der Film jedoch viel zu lang, was als wirklicher Kurzfilm für Schrecken hätte sorgen können, wird zu einem argen Geduldsspiel.

Der letzte Beitrag ist im Vergleich recht kurz. Das ist aber auch schon, neben den schönen Bildern, das größte Kompliment, das man ihm machen kann. Hier stellt uns Karan Johar die schöne Ira (Mrunal Thakur) und Dhruv (Avinash Tiwary) vor, die im Rahmen einer arrangierten Ehe zusammenfanden. Das hört sich schlimmer an, als es ist, schließlich ist Dhruv selbst ausgesprochen gutaussehend und lebt zudem in einem kleinen Palast. Nachteil: Die Familie ist ziemlich durchgeknallt, Dhruv selbst besteht darauf, jede Nacht seiner verstorbenen Großmutter, die das Haus gebaut hat, gute Nacht zu wünschen. Das hat mehr was von einer Komödie als von Horror, irgendwie passiert hier nichts, was die Genrebezeichnung verdient hätte. Insgesamt können Gruselfans mehr oder weniger auf Ghost Stories verzichten, die Anthologie ist zu zäh und spannungsarm. Oder man schaut sich alternativ nur die beiden stärkeren Beiträge an, die zumindest genug liefern, damit das Gesamtpaket noch Durchschnitt ist.

Credits

OT: „Ghost Stories“
Land: Indien
Jahr: 2020
Regie: Karan Johar, Dibakar Banerjee, Zoya Akhtar, Anurag Kashyap
Drehbuch: Karan Johar, Dibakar Banerjee, Zoya Akhtar, Isha Luthra, Avinash Sampath
Musik: Benedict Taylor
Kamera: Sylvester Fonseca, Tanay Satam, Kamaljeet Negi, Manu Anand, Mitesh Mirchandani, Ranjan Palit
Besetzung: Janhvi Kapoor, Surekha Sikri, Sobhita Dhulipala, Sukant Goel, Aditya Shetty, Eva Ameet Pardeshi, Mrunal Thakur, Avinash Tiwary

Bilder

Trailer



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„Ghost Stories“ präsentiert uns vier Geschichten aus Indien, die uns das Gruseln lehren sollen. Das klappt jedoch nur zum Teil. Trotz vereinzelt gelungener Elemente ist das Gesamtpaket zu zäh, auch weil die einzelnen Beiträge oft zu lang sind für das, was sie zu bieten haben. Am besten ist noch der zweite Film, dank seiner surreal-verstörenden Note.
5
von 10