The King Netflix
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The King Netflix
„The King“ // Deutschland-Start: 1. November 2019 (Netflix)

Auch wenn er eigentlich der nächste Anwärter auf den Thron wäre, das mit dem königlichen Verhalten ist weniger ein Anliegen für Heinrich (Timothée Chalamet). Er zieht es vor, Spaß zu haben, fernab von Hof und Verpflichtung. Und so ist das Verhältnis zwischen ihm und seinem Vater Heinrich IV (Ben Mendelsohn) auch ausgesprochen schwierig. Dennoch, als der tyrannische König stirbt, liegt es an dem jungen Mann, die Geschicke Englands zu leiten. Eine mehr als schwierige Aufgabe: Nicht nur auf der Insel sind Konflikte allgegenwärtig, vor allem mit den Schotten. Es droht vor allem ein Krieg mit Frankreich, das den neuen Monarchen immer wieder provoziert. Schon bald kommen Zweifel auf, ob Heinrich V diesem schweren Erbe wirklich gewachsen ist …

Wenn Netflix bei den großen Filmfesten seine Herbstoffensive startet, dann geht das mit großem Staraufgebot und hohen Ansprüchen einher. Während das Jahr über oft für die Masse an Wegwerftiteln belächelt, packt der Streamingdienst in Venedig und Toronto die schweren Kaliber aus, die im Idealfall ein paar Preise nach Hause bringen sollen – so wie Roma, das den Oscar für die beste Regie des Jahres erhielt. Ob das mit den Titeln von 2019 auch so gut funktioniert, bleibt abzuwarten. Während beispielsweise Marriage Story nach wie vor als Kandidat für diverse Auszeichnungen gehandelt wird, wurden zwei andere Hoffnungsträger – Die Geldwäscherei und The King – eher etwas zwiespältig aufgenommen.

Eine Junge am falschen Ort
An der Besetzung liegt das beim Historiendrama sicher nicht. Die ist nicht nur prominent, sondern auch ausgesprochen talentiert – selbst wenn das Ensemble das in The King nur teilweise zeigen kann. Robert Pattinsons Auftritt als französischer Prinzip ist beispielsweise schon irgendwie grotesk und wohl als weiterer Versuch des gefragten Schauspielers zu werten, sein Schönlingsimage abzulegen. Und sei es mit jeder Menge Selbstironie. Die deutlich interessantere Figur ist aber ohnehin Heinrich, der sich im Laufe von etwas mehr als zwei Stunden von einem unbekümmerten Jüngling in einen staatstragenden Herrscher verwandeln soll.

Dafür wurde einer der begehrtesten Nachwuchsdarsteller der letzten Jahre gewonnen. Timothée Chalamet (Call Me by Your Name, Beautiful Boy) ist eine spannende Wahl für die Figur, mit seinem jungenhaften Charme und den feinen Zügen, verbunden mit einem leichten Hauch von Arroganz. Wenn er sich anfangs noch im Bett räkelt, dann hat das mehr mit einem Instagram-Posterboy zu tun als mit einem ernstzunehmenden Herrscher. Das wird sich später ändern, nach und nach legt er seine Unbekümmertheit ab, versucht sich als Friedensstifter und Anführer – und sieht dabei doch immer aus wie jemand, den sie aus dem Bett gezerrt und auf den Thron gesetzt haben.

Der schwierige Weg auf den Thron
Der von den Shakespeare-Stücken Henry IV und Henry V inspirierte Film ist dann auch in erster Linie ein Drama über einen jungen Mann, der über sich hinauswachsen muss, dabei aber immer Spielball seines Umfelds bleibt. Der auch so viel Unsicherheit mit sich herumträgt, dass er im Zweifelsfall doch auf andere hört, mit katastrophalen Folgen. Wer mit der Erwartung an The King herantritt, große Schlachten zu sehen oder fiese Intrigen, der wird eher weniger glücklich. Beides kommt hier vor, der unausweichliche Krieg suhlt sich auch gern im Schlamm. Aber es ist eben nicht der Fokus der Geschichte. Die handelt mehr von einem schwierigen Erwachsenwerden und Mechanismen der Macht, einem Menschen, der unbedingt das richtige tun will, aber nicht weiß, was das ist.

Das hat zwangsläufig nicht die Eleganz der literarischen Vorlage. Regisseur David Michôd und sein Co-Autor Joel Edgerton (The Gift), der sich die Rolle des Falstaff auf den Leib schrieb, verzichteten auch auf die Verse des Barden und ziehen eine etwas direktere Sprache vor. Auch sonst ist The King nicht schön oder gefällig, statt vornehmer Helden gibt es hier viel Dreck und Ambivalenz. Von einer Stelle abgesehen hält sich der Film auch mit dem üblichen Patriotismus zurück, den solche historischen Schlachtengemälde meist mit sich bringen. Für einen erneuten Preisregen wird das vermutlich zu wenig sein, auch beim Netflix-Publikum ist kein allzu großer Erfolg zu erwarten. Ein interessanter Beitrag ist dieses Drama aber schon, sofern man sich darauf einlassen kann.



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„The King“ erzählt, wie ein unbedarfter Jüngling zum König von England wird und alles verändern will, dabei aber an der Realität scheitert. Das ist als düster-dreckiges Charakterporträt interessant. Für große Schlachten und Pathos-Patriotismus muss man sich hingegen anderweitig umschauen.
7
von 10