The Eddy Netflix
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Kritik

The Eddy Netflix
„The Eddy“ // Deutschland-Start: 8. Mai 2020 (Netflix)

Jazz ist die große Liebe von Elliot (André Holland), der zusammen mit seinem besten Freund Farid (Tahar Rahim) den Jazz Club The Eddy betriebt, im Herzen von Paris. Dort treten sie auf, spielen vor einem begeisterten Publikum. Aber nicht alles läuft wirklich rund bei dem US-Amerikaner. Probleme bereitet ihm beispielsweise seine Tochter Julie (Amandla Stenberg), die bislang bei seiner Ex-Frau gelebt hat und nun bei ihm unterkommen will. Und auch beruflich läuft nicht alles so wie geplant, immer wieder kommt es bei der Band zu Schwierigkeiten, das Geld wird knapp. Bis es zu einer absoluten Tragödie kommt, die alles im Leben von Elliot auf den Kopf stellt …

Ein bisschen irreführend war es ja schon, als im Vorfeld immer wieder die Rede davon war, dass Damien Chazelle eine Serie macht. Der Regisseur, der durch zwei Musikfilme (Whiplash, La La Land) zu Weltruhm kam, bevor er sich mit Aufbruch zum Mond an einem anderen Thema versuchte, kehrt hier zu seinen musikalischen Wurzeln zurück. Das stimmt jedoch nur zum Teil. Genauer inszeniert er hier nur die ersten beiden von acht Folgen, hatte mit der Geschichte auch nichts zu tun. Das eigentliche Mastermind von der Netflix-Produktion The Eddy ist vielmehr Jack Thorne, der die Serie erdacht und alle Drehbücher (mit-)geschrieben hat. Der arbeite zuvor an anderen Serien, an Filmen, schrieb vor allem Theaterstücke. Mit Musik brachte man den Engländer bislang jedoch nicht in Verbindung.

Die Menschen hinter der Musik
The Eddy ist aber auch nur zum Teil eine Musik-Serie. Zwar spielt der Club, der ebenso wie die Band und ein Song The Eddy heißt, eine bedeutende Rolle in der Geschichte. Er ist mehr oder weniger der Ort, an dem alle Fäden zusammenlaufen und an dem sich die Figuren aufhalten, wie wir im Laufe der acht Folgen kennenlernen. Doch Thorne beschäftigt sich mehr mit eben diesen Figuren. Sieben Folgen sind nach Figuren benannt, die dann auch in der jeweiligen Folge ein bisschen mehr in den Vordergrund treten dürfen. Die letzte Folge wiederum ist nach dem Club benannt, wenn nach den diversen Soli alle wieder aufeinandertreffen.

Musikfans, vor allem solche, die den Jazz schätzen, kommen dennoch auf ihre Kosten. Immer wieder trifft man sich, um zusammen zu musizieren, sei es aus freudigen oder traurigen Anlässen, als improvisierte Einlage oder zu festen Karrierezwecken – schließlich sollte ja auch mal ein Album aufgenommen werden. Glücklicherweise tat man hier aber nicht einfach nur so, Musik ist keine bloße Behauptung. Stattdessen engagierte man tatsächliche Musiker, die The Eddy nicht nur die notwendige Authentizität verleihen, sondern auch für mächtig Schwung sorgen. Immer wieder wird minutenlang die Geschichte unterbrochen, wenn die Band ganz selbstvergessen spielt, die Außenwelt nicht mehr wahrnimmt. Als Zuschauer kann es einem während diverser mitreißender Momente ganz ähnlich gehen.

Probleme, so weit das Ohr reicht
Aber auch die eigentlichen schauspielerischen Leistungen sind sehr gut. André Holland (Castle Rock) gibt den ernsten, jedoch oft überforderten Geschäftsmann, Tahar Rahim (Ein Prophet) bildet als unbekümmerte Frohnatur den Kontrastpunkt. Dessen tatsächliche Ehefrau Leïla Bekhti darf hier die Frau von Farid spielen, die hinterher die Scherben zusammenzukehren hat. Wobei es die bei so ziemlich jedem gibt. The Eddy gibt den Figuren relativ selten Anlass zur Freude. Ob nun wiederkehrende Streitigkeiten im familiären Umfeld oder Beziehungen, die nie so wirklich in Gang kommen: So harmonisch das Zusammenspiel auf der Bühne ist, so wenig finden die Figuren abseits zusammen, auch weil sie nicht die richtigen Worte finden oder sich keine echte Mühe geben. Thorne entwirft hier keine Idealwelt, sondern zeigt Menschen, die fast alle Macken und Traumata haben, manchmal sogar richtig furchtbar sein können.

Dieses geballte Elend und die vielen Streitigkeiten können manchmal etwas anstrengend sein. Gleichzeitig ist The Eddy aber auch eine sehr lebendige, lebensbejahende Serie, die Paris als einen Schmelztiegel der unterschiedlichsten Einflüsse und Kulturen aufzeigt – und der unterschiedlichsten Sprachen. Die ganze Serie hindurch wird zwischen Englisch und Französisch gewechselt, auch andere Sprachen kommen zum Einsatz, selbst innerhalb eines Dialoges bleibt nichts statisch. Das ist ein Albtraum für Gegner von Untertiteln oder Leute, die Serien nur nebenbei schauen. Stattdessen gibt es hier eine Vielzahl von Charakteren und Geschichten, die sich mal kreuzen, mal auch nicht, zusammen ein vielfältiges Bild ergeben, das nur durch die gemeinsame Liebe zur Musik besteht. Das hätte manchmal sicher etwas zielgerichteter sein können, etwa bei den Krimielementen, die irgendwann auftauchen. Andererseits passt es zu einer Serie, die den Moment feiern und sich nicht lange mit Plänen aufhält.

Credits

OT: „The Eddy“
Land: USA, Frankreich
Jahr: 2020
Regie: Damien Chazelle, Houda Benyamina, Laïla Marrakchi, Alan Poul
Drehbuch: Jack Thorne, Rachel De-Lahay, Rebecca Lenkiewicz, Hamid Hlioua, Phillip Howze
Idee: Jack Thorne
Musik: Glen Ballard, Randy Kerber
Kamera: Matthew F. Leonetti
Besetzung: André Holland, Joanna Kulig, Amandla Stenberg, Leïla Bekhti, Tahar Rahim, Alexis Manenti, Adil Dehbi

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„The Eddy“ nimmt uns mit in einen gleichnamigen Jazz-Club, in dem die unterschiedlichsten Figuren zusammentreffen – jeder mit eigenen Geschichten und Problemen. Die Serie lebt dabei von der Vielzahl an Einflüssen und den mitreißenden Musiknummern, auch wenn vieles hier eher Stückwerk ist, weniger fortlaufendes Werk.
8
von 10