Spinning Out Netflix
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Spinning Out – Staffel 1

Kritik

Spinning Out Netflix
„Spinning Out“ // Deutschland-Start: 1. Januar 2020 (Netflix)

Kat Baker (Kaya Scodelario) war eines der ganz großen Talente am Eiskunstlauf-Himmel – bis zu jenem Tag, als sie stützte und sich schwer verletzte. Nun ist es ihre jüngere Schwester Serena (Willow Shields), die im Mittelpunkt des Interesses steht, vor allem dem ihrer Mutter Carol (January Jones), die alles dafür tun würde, dass ihre Tochter Erfolg hat. Für Kat bleibt da nicht mehr viel übrig, weder was finanzielle Unterstützung noch Aufmerksamkeit betrifft. Eigentlich war sie auch schon drauf und dran, ihre Karriere endgültig an den Nagel zu hängen. Doch dann erhält sie das Angebot, zusammen mit Justin (Evan Roderick) im Paarlaufen durchzustarten. Das Angebot klingt verlockend. Nur ist Justin ein arroganter Frauenheld. Außerdem hat Kat noch mit anderen Problemen zu kämpfen, von denen niemand etwas wissen soll …

Ehre, wem Ehre gebührt: Wer sich nur die Inhaltsbeschreibung der Netflix-Serie Spinning Out durchliest oder auch die erste Folge anschaut, der würde meinen, bereits alles zu wissen, was es über die Serie zu wissen gilt. Eine junge talentierte Frau, an die niemand mehr glaubt, stellt sich den Hindernissen, muss dafür mit einem gutaussehenden, leider arroganten Mann zusammenarbeiten. Wer könnte da noch Zweifel haben, wie es weitergeht? Natürlich wird sie es allen zeigen, die Konkurrentinnen aus dem Weg räumen und dabei dem vermeintlichen Schnösel näherkommen, der eigentlich gar nicht so schnöselig ist, sondern nur so tut, weil Drehbücher das von einem eben verlangen. Am Ende dann der Triumph, sportlich wie auch amourös.

Ich mag euch nicht
Grundsätzlich wird Spinning Out diesem vorbestimmten Weg auch folgen während der zehn Folgen, welche die erste Staffel ausmachen. Doch dabei gibt es viele Abzweigungen, Sackgassen und Orte, an denen man sich fragt: Hab ich mich irgendwie verloren? Die erste Irritation ist, dass Kat, anders als es bei solchen Titeln übrig ist, gar nicht die strahlende Heldin ist. Sie ist genau genommen nicht einmal sonderlich sympathisch. Dieses Schicksal teilt sie mit vielen anderen Figuren, die wenigsten sind so einladend, dass man in der freien Natur unbedingt mit ihnen Zeit verbringen wollte. Umgekehrt sind andere vermeintlich sichere Schurken gar nicht so schlimm wie vermutet, sind vielleicht sogar netter als die, die wir eigentlich anfeuern sollten.

Das ist ungewöhnlich, sogar irgendwie mutig. Allgemein kann man der von Samantha Stratton entwickelten Serie nicht vorwerfen, dass sie keine Risiken eingehen würde. Ein großes ist beispielsweise, die Heldin an einer bipolaren Störung leiden zu lassen, eine Krankheit, die schon ihre Mutter kaputt gemacht hat. Derartige psychische Probleme werden nur selten offen gezeigt. Dies auch noch im Zusammenhang mit Eiskunstlauf zu tun, einer Sportart, in der es wie kaum einer anderen um den schönen Schein geht, das war schon eine gute Idee. Spinning Out zeigt nicht nur auf, wie kompliziert das Leben mit dieser Krankheit sein kann, wie oft man andere oder sich selbst verletzt, ohne es zu merken. Das Drama will, ähnlich wie die Protagonistin, sie deshalb nicht zum armen Opfer machen, das alles tun und lassen kann, was sie will, und im Ernstfall den Joker zu ziehen. Probleme zu haben, ist am Ende doch kein Freischein.

Die Sehnsucht nach Normalität
Leider reicht der Serie dieses wichtige Thema aber nicht aus. Stattdessen werden noch viele andere Problemfelder angesprochen. Da werden Kinder im Stich gelassen, es geht um verleugnete Homosexualität, mal um Rassismus, Menschen werden betrogen, haben ernste körperliche Erkrankungen oder müssen sich mit unerfüllbaren Erwartungen herumschlagen. Jedes dieser Themen ist für sich genommen relevant und würde es verdienen, dass darüber gesprochen wird. In dieser starken Konzentration jedoch tat man sich keinen Gefallen. Nicht nur, dass Spinning Out auf diese Weise Glaubwürdigkeit verliert, wenn kein einziger ohne tragisches Schicksal auskommt, die Serie verliert auch an Wirkung. Zu viel wird angeschnitten und dann gleich wieder fallen gelassen.

Der Gesamteindruck ist daher auch eher gemischt. Was im einen Moment fesselnd und bedeutsam ist, ist im nächsten anstrengend, wenn nicht gar ärgerlich. Manchmal auch verwirrend, wenn nicht klar ist, warum dieses oder jene Problem jetzt unbedingt noch auftreten musste. Zwischendurch verliert man auch schon mal den Überblick, wer jetzt eigentlich mit wem Zoff hat oder in wen verliebt ist, wenn sich das gefühlt im Sekundentakt wieder ändert. Doch trotz dieses Hangs zur Seifenoper ist Spinning Out nicht uninteressant, und sei es nur als Aufforderung, offener mit Krisen und Schwierigkeiten umzugehen. Denn das ist am Ende wichtiger als jeder Sportpokal.

Credits

OT: „Spinning Out“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Elizabeth Allen Rosenbaum, Matt Hastings, Norma Bailey, Jon Amiel
Drehbuch: Samantha Stratton, Paul Keables, Elizabeth Pearson, Leon Chills, Jenny Lynn, Elizabeth Higgins Clark, Lara Olsen
Idee: Samantha Stratton
Kamera: Miroslaw Baszak
Besetzung: Kaya Scodelario, Willow Shields, January Jones, Evan Roderick, Sarah Wright Olsen, David James Elliott, Svetlana Efremova, Amanda Zhou, Mitchell Edwards, Will Kemp

Bilder

Trailer



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„Spinning Out“ beginnt wie eine typische Sport-Underdog-Geschichte mit obligatorischer Romanze. Die Drama-Serie ist aber deutlich ambitionierter, indem eine Reihe von Problemen und Tabuthemen angesprochen werden, das wichtigste das psychischer Erkrankungen. Leider wusste man hier aber – wie auch die Protagonistin – nicht, wie viel man sich zumuten sollte, weshalb die für sich genommen bedeutenden Elemente ihre Wirkung verlieren, die Serie am Ende einfach überladen ist.
6
von 10