Sex Education Netflix
© Sam Taylor/Netflix

Sex Education – Staffel 1

Sex Education Netflix
„Sex Education – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 11. Januar 2019 (Netflix)

Otis (Asa Butterfield) bringt von Haus aus eigentlich alles mit, um ein echter Sex-Experte zu sein. Schließlich ist seine Mutter (Gillian Anderson) eine bekannte Sex-Therapeutin, die auch zu Hause kein Blatt vor den Mund nimmt. Und doch ist der Teenager mehr als gehemmt, schafft es nicht einmal, sich wirklich selbst zu befriedigen. Ganz im Gegenteil zu seinem besten Freund Eric (Ncuti Gatwa), der ausgiebig Schwulenpornos konsumiert. Dabei wäre Otis ja durchaus interessiert an Sex, vor allem mit seinem großen Schwarm Maeve (Emma Mackey). Die hat jedoch ganz andere Pläne für ihren Mitschüler, als sie ihn eines Tages überredet, selbst gegen Bezahlung Sex-Tipps an Jugendliche zu geben – was ihn immer wieder in schwierige Situationen bringt.

No Sex Please, We’re British hieß ein überaus erfolgreiches Stück, das von 1971 bis 1987 in London immer wieder für ausverkaufte Säle gut war und die sprichwörtlich prüde Einstellung der Engländer aufs Korn nahm. Wenn ausgerechnet von dort eine Serie kommt, in der Jugendliche sich gegenseitig Sextipps geben wollen, dann verspricht das von vornherein jede Menge unbeholfene bis peinliche Momente. Aber eben auch den einen oder anderen Lacher, schließlich gibt es kaum einen Bereich, in dem man sich mehr zum Affen machen kann als dem der emotional-körperlichen Annäherung.

Och, doch nicht schon wieder …
Peinlich ist der Auftakt der Netflix-Produktion Sex Education sicherlich, komisch eher weniger. Wenn der im Kopf nicht ganz so gesegnete, dafür körperlich prächtig ausgestattete Adam Groff (Connor Swindells) mit den harten Folgen von Viagra kämpft, dann ist das unterste Humorschublade. Die britische Ausgabe früherer harmloser Sexkomödien wie American Pie. Dass die Figuren nicht mehr als zweibeinige Klischees sind, nichts an der Serie auch nur im entferntesten an die Realität erinnert, hilft auch nicht unbedingt dabei, an den ungelenken Selbstversuchen weiter teilhaben zu wollen.

Es lohnt sich aber dranzubleiben. Die von Laurie Nunn kreierte Serie mag sich am Anfang selbst ein bisschen im Weg stehen, gibt nach und nach aber doch spannendere Einblicke in die Gefühlswelt ihrer Protagonisten. Gillian Anderson beispielsweise, die nach Hannibal erneut eine unterkühlte Therapeutin spielt, trägt selbst Sorgen und Schmerzen mit sich herum, mit denen sie nicht fertig wird. Jackson Marchetti (Kedar Williams-Stirling), der Sex-Buddy von Maeve, wird zu mehr als einem durchtrainierten Schwimmer. Selbst Adam wird im Laufe der Zeit zu einer tragischen Figur, deren plumpes und brutales Verhalten mehr ist als Ausdruck mangelnder Intelligenz.

Zwischen Karikatur und echtem Gefühl
Das ist teilweise nach wie vor heillos übertrieben, manchmal mehr Karikatur als Porträt. Und doch gelingt es Sex Education viele Themen unterzubringen, die tatsächlich Menschen da draußen beschäftigen. Die Idee, Otis zu einem Sex-Therapeuten zu machen, ermöglicht es der Serie, allerhand unterzubringen und doch einen Rahmen zu behalten. Da ist von Body Shaming bzw. Mobbing im allgemeinen über die üblichen Unsicherheiten bis zu dem Gefühl der Zurückweisung alles dabei, was man als Jugendlicher so durchmachen muss. Und teils auch später: Für Liebeskummer, wenn die vermeintliche Traumpartnerin so gar kein Interesse an dir hat, ist man ja nie zu alt.

Auch wenn der Humor bis zuletzt eher ein Schwachpunkt bleibt, dem Drehbuchteam nicht wirklich etwas einfallen will, über das es sich zu lachen lohnt, so wird Sex Education trotz allem zu einer der besseren Serien, die Netflix zuletzt herausgebracht hat. Vor allem die drei jungen Hauptfiguren wachsen einem ans Herz, auch dank der durch die Bank weg guten Leistungen der bislang oft wenig bekannten Darsteller. Zudem verzichtet die Geschichte um lauter unglücklich verliebte auf unnötigen Kitsch oder überzogene Happy Ends, wie wir es von den „erwachsenen“ Liebeskomödien des Streaminganbieters gewohnt sind. Es ist sogar eine der Stärken hier, dass das Leben wirklich noch kompliziert, kaputt und Mist sein darf, voller mieser Leute, die nicht bestraft werden. Dass es sich dennoch auszahlt, nicht vorzeitig aufzugeben, während man auf den einen wartet, der für dich auf den Mond klettert. Oder wenigstens auf den ersten Orgasmus.



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Ein Jugendlicher ohne Sexerfahrung gibt anderen Jugendlichen Sextipps, das kann ja nur in die Hose gehen. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten, wenn sich „Sex Education“ zu sehr auf peinlichen Humor verlässt, steigert sich die Serie mit der Zeit spürbar. Vor allem den jungen Darstellern ist es zu verdanken, dass der Ausflug an eine Schule selbst für ein erwachsenes Publikum sehenswert wird, wenn alle Themen einmal drankommen, die einen im Bereich Liebe und Sex so beschäftigen können.
7
von 10