Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse Netflix
© Netflix

Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse

Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse Netflix
„Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“ // Deutschland-Start: 25. Oktober 2019 (Netflix)

Bislang war Motti Wolkenbruch (Joel Basman) immer ein ganz vorbildlicher Sohn gewesen, hat immer genau das getan, was seine Mama (Inge Maux) von ihm verlangt hat. Nur einen Wunsch hat er ihr bislang noch nicht erfüllt: Ein hübsches Mädchen heiraten! Grundsätzlich hätte er ja schon ganz gern eine Freundin. Er weiß sogar schon, wer dafür in Frage käme, seine hübsche Kommilitonin Laura (Noémie Schmidt). Dummerweise ist die aber keine Jüdin, was Mottis schwer gläubigen Mutter nicht recht wäre. Also verheimlicht er ihr, was in ihm vorgeht, und tritt erst einmal die Flucht nach vorne an …

Der Schweizer an sich ist ja gerne mal, so sagt es zumindest ein Vorurteil, ein bisschen gemütlicher und langsamer als der Rest der Welt. So wurde beispielsweise das Frauenwahlrecht dort erst 1971 eingeführt, danach dauerte es fast weitere 20 Jahre, bis es überall galt. Die Schweiz brauchte außerdem eine Weile, bis sie mit einem eigenen Film bei Netflix vertreten ist. Und selbst der brauchte länger, bis er mal da war. Eigentlich war Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse nämlich schon vor über einem Jahr auf dem Zurich Film Festival 2018 vertreten, lief bei den Eidgenossen später gar regulär im Kino. Nun ist er aber, mit einer erneuten Verspätung, auch in anderen Ländern zu sehen, dem Streamingdienst sei Dank.

Bekannte Bilder
Hat sich die Wartezeit rentiert? Ja, größtenteils. Als Schweizer Einstand ist die Komödie tatsächlich ein Beweis dafür, dass es sich lohnt, mal ein bisschen im europäischen Umland zu schauen, was da zu holen. Sie ist sogar einer der besseren Netflix-Filme, die es in der letzten Zeit ins Programm geschafft haben. Dabei ist die Geschichte an sich natürlich nicht wirklich neu. Selbst wer nicht den gleichnamigen Roman von Thomas Meyer kennt, der für die Adaption das Drehbuch geschrieben hat, könnte einiges bekannt vorkommen. Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse nimmt genüsslich das Klischee der dominanten jüdischen Mutter auf, deren Leben erst dann komplett ist, wenn der Nachwuchs endlich unter der Haube ist.

Das erinnert mehr als einmal an die Kult-Sitcom Die Nanny, auch wenn es hier nun ein junger Mann ist, der von der Mutter belagert wird. Motti ist natürlich auch nicht so schrill  wie seine berühmte Kollegin, ist vielmehr recht unscheinbar, will gar nicht die große Aufmerksamkeit. Genauer weiß er ja gar nicht so genau, was er will. Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse ist dann auch gar nicht so sehr ein Werk über die Suche nach Liebe, obwohl Motti in der Hinsicht sicherlich nicht abgeneigt ist. Vielmehr erzählt die Komödie die Geschichte einer Abnabelung, wenn ein junger Mann endlich lernt, auf eigenen Füßen zu stehen.

Alltäglich und übertrieben
Das ist universell genug, dass man sich darin wiederfinden kann, ein religiös geprägter Coming-of-Age-Film. Er ist aber auch lustvoll übertrieben. Vor allem Inge Maux (Sommerhäuser) hat als theatralische Mutter sichtlich Spaß, wenn jede vermeintlich gute Nachricht zu Luftsprüngen führt, jeder Rückschlag das Ende der Welt einleitet. Das ist natürlich nicht mehr als eine Karikatur, Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse tut nicht sonderlich viel dafür, dass sie als eigenständige Person wahrgenommen wird. Sie ist im Prinzip nicht mehr als die lautstarke, aber eben auch lustige Einforderung alter Traditionen.

Umso erfreulicher ist, dass Motti durchaus dem Druck der Frau Mama standhalten kann und selbst ohne diese eine sehenswerte Figur ist. Das ist zu einem Großteil auch der Darstellung von Joel Basman (Wir sind jung. Wir sind stark.) zu verdanken, der hier eine charmante Mischung aus Lausbub und Mauerblümchen abgibt. So richtig viel Abwechslung hat das hier alles nicht, Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse neigt schon dazu, manche Witze auszudehnen oder zu wiederholen. Auch die Entwicklung ist eher überschaubar. Regisseur Michael Steiner ist aber ein sympathischer, kleiner Film gelungen, der trotz der Sprachbarriere – Schweizer Deutsch und Jiddisch wechseln sich ab –, hier ebenso willkommen ist wie daheim.



(Anzeige)

Der Sohn einer dominanten jüdischen Mutter sucht nach Freiheit und der wahren Liebe: „Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“ nutzt bekannte Klischees, um daraus eine zwar nicht sonderlich abwechslungsreiche, dafür aber sympathische Komödie zu machen. Die Romanadaption verdankt ihren Charme dabei vor allem der Besetzung und deren Figureninterpretation, zwischen alltäglich und überzogen.
7
von 10