Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten Netflix
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Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten

„Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten“ // Deutschland-Start: 17. November 2022 (Kino) // 16. Dezember 2022 (Netflix)

Inhalt / Kritik

Silverio Gama (Daniel Giménez Cacho) hat es geschafft: Seitdem er seine Heimat Mexiko hinter sich gelassen hat, um in Los Angeles ein neues Leben zu beginnen, hat er eine beachtliche Karriere als Journalist hingelegt. Zusammen mit seiner Frau Lucia (Griselda Siciliani) und den gemeinsamen Kindern Camila (Ximena Lamadrid) und Lorenzo (Íker Sánchez Solano) genießt er den Luxus. Die Krönung dieser Laufbahn ist eine bedeutende Auszeichnung, die er demnächst in Empfang nehmen darf. Doch so groß dieser Triumph ist, so groß sind auch seine Selbstzweifel, wenn er immer wieder mit sich und seiner Geschichte ringt. Als er mit seiner Familie nach Mexiko fährt, um dort in einer großen Show aufzutreten, bedeutet dies, sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen zu müssen …

Rückkehr mit gemischten Ergebnissen

Jedes Jahr sind Filmfestspiele von Venedig ein einziges Schaulaufen der Filmstars, vor wie hinter der Kamera. Gerade der Arthouse-Bereich darf dabei glänzen und mit vielen langerwarteten Hochkarätern das Publikum anlocken. Ganz weit oben stand dabei 2022 eindeutig die Netflix-Produktion Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten. Schließlich meldete sich damit Alejandro G. Iñárritu zurück. Zuletzt hatte der mexikanische Regisseur gleich zweimal in Folge einen Oscar für die beste Regie erhalten, erst für Birdman (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) (2014), dann für The Revenant – Der Rückkehrer (2015), nur um dann völlig von der Bildfläche zu verschwinden. Entsprechend groß waren die Erwartungen, als sein neuestes Werk Premiere feierte. Erwartungen, die der Film aber nur zum Teil erfüllte. Tatsächlich waren die Reaktionen sehr gemischt, im Durchschnitt die schlechtesten seiner Karriere.

Das geschah nicht ohne Grund. Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten ist ein Film, den man gleichermaßen lieben wie hassen kann. Ein Film, der wahnsinnig viel zu sagen und zu zeigen hat und doch vielen zu dünn und aufgeblasen sein wird. Das hängt – zum Teil zumindest – natürlich mit der Länge zusammen. Rund zweieinhalb Stunden fordert der Film für sich ein. Das kann schon bei handlungsintensiven Geschichten zu viel sein. Verzichtet man dann auch noch auf eine Handlung, wie es Iñárritu über weite Strecken tut, wird es schnell exzessiv. Der andere Grund ist mit Sicherheit, dass sich der komplette Film kaum versteckt um den Regisseur selbst dreht, der das hier als Ausgangslage nimmt, um sein eigenes Leben zu untersuchen. Wo er aufhört und sein Protagonist beginnt, ist dabei nicht immer klar. Und auch die Grenzen zwischen Fantasie und Realität werden wieder und wieder aufgehoben, wenn Silverio die eigenartigsten Visionen hat.

Exzessive Selbstsuche voller Widersprüche

Diese haben es dann auch in sich. Gemeinsam mit Kameramann Darius Khondji (Der schwarze Diamant) schafft er Bilder, die zwischen betörend und verstörend wechseln. Immer wieder unterbricht Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten die Geschichte des Journalisten mit surrealen Szenen, bei denen die wirkliche Welt sich wandelt oder gleich ganz aufgegeben wird. Doch diese Szenen wechseln sich mit solchen ab, die deutlich intimer sind und sich etwa mit den Selbstzweifeln befassen. Mit den Selbstvorwürfen, dass er sich etwa an dem Leid anderer bereichert hat und auf deren Rücken nach oben kam. Eine wirkliche Wandlung macht Silverio dabei aber nicht durch. Der Film besteht vielmehr aus den unterschiedlichsten Momentaufnahmen, die sich zwar zu einem Mosaik zusammensetzen, aber dabei kein klares Bild ergeben.

Viel Lärm um Nichts also? Ein prätentiöses, selbstverliebtes Style over Substance? Das kann man so sehen. Und doch ist Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten ein Film, der sich wie kaum einer derzeit lohnt, im Kino erlebt und gesehen zu werden. Gerade die Maßlosigkeit, wenn Iñárritu sich austobt, ohne Rücksicht auf Verluste oder Kohärenz, macht die Tragikomödie zu einem faszinierenden Werk. Das ist unterhaltsam oder tieftraurig, nachdenklich oder plakativ, scharfsinnig oder unsinnig, selbstironisch oder selbstverliebt – ein Egotrip voller Widersprüche von und über einen Regisseur, der alles erreicht hat und dennoch nicht wirklich weiß, was er da eigentlich will und was das alles soll.

Credits

OT: „Bardo, falsa crónica de unas cuantas verdades“
Land: Mexiko
Jahr: 2022
Regie: Alejandro González Iñárritu
Drehbuch: Alejandro González Iñárritu, Nicolás Giacobone
Musik: Bryce Dessner, Alejandro González Iñárritu
Kamera: Darius Khondji
Besetzung: Daniel Giménez Cacho, Griselda Siciliani, Ximena Lamadrid, Iker Sanchez Solano

Bilder

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Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten
fazit
„Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten“ ist ein Film, an dem sich die Geister scheiden werden. Star-Regisseur Alejandro G. Iñárritu blickt auf sein Leben zurück, seziert es mit Humor, Nachdenklichkeit und Egozentrik und schafft damit eine faszinierende, mitunter surreale und exzessive Tragikomödie, die es einem gleichermaßen leicht macht sie zu lieben und zu hassen.
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