Blame 2017

(„Blame!“ directed by Hiroyuki Seshita, 2017)

Blame 2017Einst, da war die Stadt das Reich der Menschen. Immer größer und komplexer wurde sie, auch dank der Maschinen, welche die Menschen gebaut hatten. Doch das ist lange vorbei. Inzwischen sind es die Maschinen, die das Sagen haben und die Menschen systematisch verfolgen. Die wenigen, die noch übrig sind, haben sich in vereinzelten Rückzugsorten versteckt. In eben einen solchen stolpert Killy, der die ganze Stadt nach Menschen mit dem Netzwerk-Gen durchsucht. Denn wer ein solches hat, könnte die Kontrolle über die Maschinen und damit die Stadt wieder an sich bringen. Erst einmal geht es jedoch darum, dem Dorf zu helfen, das inzwischen sämtliche Vorräte aufgebraucht hat und bei jedem Versuch, außerhalb der Schutzzone Nahrung zu finden, nur den Tod fand.

Lange haben Fans darauf gewartet, dass Tsutomu Niheis Kultmanga „Blame!“ endlich einmal in animierter Form erscheint. Sicher, es hatte bereits 2003 eine sechsteilige Webserie gegeben. Doch dabei handelte es sich weniger um ein narratives Werk als vielmehr einen überaus atmosphärischen begleitenden Teaser. Einige Jahre später fingen zwar die Planungen für einen ausgewachsenen Film an, aufgrund mehrerer Komplikationen, allen voran den Bankrott des Animationsstudios wurde da aber erst einmal nicht draus. Nun ist es also da, Netflix sei Dank, und nimmt uns nach all den Jahren doch wieder mit zurück in eine Zukunft, in der Menschen keine Zukunft mehr haben.

Eine (fast) makellose Optik
Dem beauftragten Animationsstudio Polygon Pictures (Ronja Räubertochter, Knights of Sidonia) gelang es dann auch sehr schön, die kalte und lebensfeindliche Umgebung des  Schwarz-Weiß-Comics in farbige Großaufnahmen umzuwandeln. Allgemein ist an der Optik nur wenig auszusetzen. Manche Animationen hätten etwas flüssiger sein können, außerdem fehlt ein wenig das Gefühl für die Größe der Stadt. So gibt es nur wenige Orte zu sehen, die zudem immer in Windeseile erreicht werden. Dass eine Reise zu einer drei Tage entfernten Fabrik tödlich sein kann, wird zwar erwähnt, zu sehen ist davon aber wenig. Abgesehen davon ist der Anime aber recht schick geworden, punktet mit dynamischen Kamerafahrten, vielen Details im Hintergrund, zahlreichen Effekten und wird auch den ungewöhnlicheren Designs wie etwa den unheimlichen Vertilgern oder auch Cibo gerecht, einer weiteren Figur, die später hinzustößt.

Zudem darf hier ordentlich agiert werden. Soll heißen: gekämpft. Immer wieder müssen sich Killy und die Dorfbewohner der brutalen und brutal schnellen Maschinen entledigen, die ihnen ständig auf den Fersen sind. Der Schwerpunkt liegt anders als beim Animevorgänger daher eindeutig auf der Handlung. Das macht ihn sicher leichter zugänglich, gerade auch für Neueinsteiger, die bei den kryptischen Bildern damals jeglichen Kontext vermissten. Oder klar erkennbaren Inhalt. Eine Fragen werden hier zwar nie beantwortet – Was tut ein Elektro-Fischer? Was hat es mit der Regierungsbehörde auf sich? Wer ist Killy eigentlich? –, für die gebotene Geschichte braucht es die Informationen jedoch nicht. Denn hinter den dystopischen Rahmenbedingungen wartet der übliche Kampf einer Minderheit gegen herrschende Aggressoren, der den üblichen Regeln folgt.

Ungewöhnliches Ambiente, gewöhnlicher Inhalt
Die ganz große Spannung will bei Blame! dann auch nicht aufkommen, dafür ist das meiste dann doch zu erwartbar, die Figuren zu nichtssagend, zu dümmlich agierend, der Inhalt insgesamt auch zu dünn. Mehr als ein Auftakt in die Welt der Riesenmetropole und der umherschwirrenden Todesroboter kann und will der Film nicht sein. Schade ist zudem, dass der alptraumhafte Soundtrack der Webserie hier völlig austauschbaren Klängen weichen musste. Die fügen sich zwar unproblematisch ein, tun aber wenig dafür, die Atmosphäre zu unterstützen. Da war man bei der ersten Adaption dann doch wesentlich effektiver darin, mit minimalen Mitteln maximale Beklemmung zu erzeugen. Aber auch wenn der zweite Anlauf sich ein bisschen zu sehr dem Mainstream annähert und glatter wirkt, so ist es doch mehr als erfreulich, dass das Langzeitprojekt zu einem guten und unterhaltsamen Abschluss kam. Bleibt nur zu hoffen, dass der Anime sein Publikum findet und die zum Ende zumindest naheliegenden Fortsetzungen produziert werden. Diesmal dann gern auch ein bisschen schneller und mit besserer Musik/Geschichte – dann ist der Schritt zum Science-Fiction-Highlight nicht mehr weit.



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Lange hat es gedauert, aber die Wartezeit auf „Blame!“ hat sich gelohnt. Durch den Einstiegscharakter bleibt der Inhalt zwar etwas dünn, die schwache Musik kann der von der ersten Adaption nicht das Wasser reichen. Die schicken Bilder werden der düsteren Zukunftsvision des Kultmangas aber gerecht, die actionreichere Interpretation lädt auch Neulinge ein, in die finstere Endlosstadt einzutauchen.
7
von 10