Osmosis Netflix
© Netflix

Osmosis – Staffel 1

Osmosis Netflix
„Osmosis – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 29. März 2019 (Netflix)

Warum umständlich nach der großen Liebe suchen, wenn das die Technik für einen erledigen kann? Davon sind zumindest die Geschwister Paul (Hugo Becker) und Esther Vanhove (Agathe Bonitzer) überzeugt. Gemeinsam arbeiten sie an Osmosis, einer neuen App, welche die Partnersuche radikal ändern und vereinfachen soll: Ein implantierter Chip misst sämtliche Begierden, Wünsche und Regungen und führt dich aufgrund dieser Messungen mit deinem Seelenpartner zusammen, der das perfekte Gegenstück ist. Während in der Theorie bereits alles steht, laufen die letzten Tests unter großem Druck – schließlich haben die Investoren angefangen, sich in die Geschäfte einzumischen. Aber das ist nicht das einzige Problem, mit dem sich die beiden herumschlagen müssen.

Da können findige Wissenschaftler an selbstfahrenden Autos tüfteln, Sonden auf den Mars schicken oder immer neue Methoden finden, die Erde systematisch auszubeuten, eines der größten Mysterien konnten sie bislang nicht lösen: Liebe. Warum wir wen lieben, darüber wird zwar durchaus kräftig spekuliert. So richtig verstehen tun wir das – so heißt es – schönste Gefühl der Welt aber nicht. Auf den ersten Blick klingt das Konzept von Osmosis daher wie ein Traum. Wo beispielsweise der deutsche Kollege Rate Your Date kürzlich mit Kategorien versuchte, den die Suche nach dem Traumpartner einzugrenzen, da gehen die Franzosen einen Schritt weiter: Sie lassen ganz individuell berechnen, wer zu wem passt.

Gefangen in Algorithmen?
Wie plausibel ein solches Unterfangen ist, was überhaupt Grundlage von Gefühlen ist, damit hält sich die von Audrey Fouché entwickelte Netflix-Serie nicht lange auf. Osmosis interessiert sich weniger für die Frage, ob eine solche App möglich ist, sondern vielmehr, ob sie möglich sein sollte. Was macht das mit uns, wenn uns die Technik vorgibt, wen wir zu lieben haben? Ganz abgesehen davon, dass ein solches Implantat Tür und Tor für Missbrauch öffnet – ein verinnerlichter Überwachungsstaat –, widerspricht sie unserem Bedürfnis, uns für einen Menschen entscheiden zu können. Denn bedeutet Liebe nicht eben auch das, sich aus freien Stücken füreinander zu entscheiden?

Osmosis stellt eine Reihe solcher philosophischen Fragen, die sowohl das Zwischenmenschliche wie auch unsere Beziehung zur Technik thematisieren. Wie sehr wir uns von dem technologischen Fortschritt abhängig machen, das wird gerne in Science-Fiction-Filmen angesprochen. Wurde es schon immer, denn wo viele Möglichkeiten, da auch die Furcht davor, was diese Möglichkeiten mit sich bringen. Gleichzeitig ist die Serie aber sehr im hier und jetzt verankert. Genauer ist vieles von dem, was hier geschieht, absolut zeitlos, da wir uns um existenzielle Aspekte des menschlichen Lebens kreisen. Und natürlich Liebe.

Die Menschen hinter einer Idee
Über weite Strecken ist Osmosis dann auch mehr Drama als Science-Fiction. Nicht die angewandte Technik steht im Vordergrund, sondern die Menschen, welche sie anwenden bzw. auch verbinden. Das betrifft vor allem natürlich Paul und Esther, die ihre eigenen Motivationen mit sich bringen und dabei des Öfteren in Konflikt geraten: Sie sind weder die ausbeuterischen Datenkraken unserer sozialen Netzwerke, noch selbstlose Weltverbesserer. Da gibt es doch mehr Grauschattierungen. Und auch bei den Testpersonen versuchten die verschiedenen Drehbuchautoren ein bisschen mehr auszusagen und zu zeigen, ihnen mehr Persönlichkeit zu geben und sie dadurch für das Publikum besser greifbar zu machen.

Das klappt insgesamt auch ganz gut, trotz des futuristischen Szenarios findet man sich hier recht einfach selbst wieder. Die gerne bemühten Vergleiche zu Black Mirror treffen aber nicht so ganz, dafür fehlt hier dann doch das unheimliche Element. Die Serie ist nicht einmal wirklich spannend, von einem Thriller ist die sehr ruhige, nachdenkliche französische Produktion weit entfernt. Darauf muss man sich einlassen können, wer passive Unterhaltung nach einem längeren Arbeitstag braucht, der ist hier falsch. Wer hingegen in der Stimmung ist, über sich, die Liebe und die Zukunft zu grübeln und mit ein paar Grundsatzfragen auseinanderzusetzen, der findet bei Osmosis eine in mehrfacher Hinsicht sehenswerte Vision – nicht zuletzt wegen der unterkühlten Bilder, die entfernt an den Landsmann The Returned erinnert, der ebenfalls ein Genre-Szenario nutzte, um sich stärker mit den Menschen zu befassen.



(Anzeige)

Warum umständlich die Liebe suchen, wenn ein Implantat dich genau durchleuchtet und den passenden Partner sucht? „Osmosis“ nimmt dieses Szenario, macht daraus aber keinen dystopischen Thriller. Vielmehr ist die französische Serie sehr ruhig, stellt ganz grundsätzliche Fragen zu Liebe und unserem Verhältnis zur Technik und befasst sich mehr mit den Figuren als mit der Technologie an sich.
7
von 10