Familienanhang Family Reunion Netflix
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Familienanhang – Teil 1

Familienanhang Family Reunion Netflix
„Familienanhang – Teil 1“ // Deutschland-Start: 10. Juli 2019 (Netflix)

Als Cocoa (Tia Mowry) und Moz (Anthony Alabi) mit ihren vier Kindern von Seattle nach Columbus ziehen, um wieder näher bei der Familie zu sein, stößt das nicht bei allen auf Gegenliebe. Vor allem die älteste Tochter Jade (Talia Jackson) will um jeden Preis zurück nach Hause, wo das Leben viel aufregender ist. Das liegt nicht zuletzt an Großmutter M’Dear (Loretta Devine), die ständig mit Bibelversen um sich wirft und den Kindern irgendwelche sinnvollen Aufgaben erteilen will. Mit der Zeit gewöhnen sich die Familienmitglieder an die neue Situation, doch immer wieder tauchen auch neue Probleme auf, die den Zusammenhalt auf eine große Probe stellen.

Auch wenn Netflix eher als Kino-Killer im Bewusstsein der Menschen steht, wahlweise auch als Produzent von minderwertiger Massenware, im Bereich der Repräsentation haben sie in der aktuellen Fernsehlandschaft eine Vorbildfunktion. Ob es nun When They See Us ist, das an dem rassistisch motivierten Justizskandal Ende der 80er erinnert, die Nachbarschaftsserie On My Block oder auch Dear White People, das sich mit Alltagsrassismus auseinandersetzt, der Streamingdienst tut einiges dafür, Minderheiten ins Bewusstsein zu rücken und ihnen eine Stimme zu geben.

Familienanhang ist das neueste Beispiel dieser Entwicklung, wenn wir hier einer schwarzen Familie folgen, die im Süden der USA ein neues Leben beginnt. Anders als man vielleicht denken könnte, wird das Thema schwarzes Leben in den Südstaaten gar nicht so sehr aufgegriffen. Dann und wann tut die von Meg DeLoatch entwickelte Sitcom das zwar schon bzw. setzt sich allgemein mit dem Alltag von Schwarzen auseinander. Geglückt sind diese Szenen aber nicht, da diese Stellen zu offensichtlich konstruiert sind, so als sollte mit aller Gewalt das Thema doch noch untergebracht werden. Das fällt vor allem beim sehr plumpen Ende auf, das per Holzhammer das durchaus wichtige Anliegen um jeden Preis in die Geschichte prügeln wollte. Wie eine solche Verflechtung von ernsten Stoffen und einem humorvollen Umfeld deutlich besser und natürlicher funktioniert, zeigt der Netflix-Kollege One Day at a Time. Dort ist es eine Familie mit lateinamerikanischen Wurzeln, die sich in den USA zurechtfinden muss.

Altmodisch und langweilig
Aber auch beim Rest schwächelt Familienanhang gewaltig. Wenn eine Serie schon zum Einstieg betont, dass sie vor einem Live-Publikum aufgezeichnet wurde, zuckt man innerlich ein wenig zusammen. Wenn das aber mit offensichtlich mit künstlich aufgezeichnetem Gelächter kombiniert wird, dann ist das schon sehr dreist. Zumal die Verantwortlichen der Sitcom kein Gespür dafür zeigen, wann ein Lachen angebracht ist und wann nicht. Da soll angeblich das Publikum bereits lachen, wenn jemand nur zur Tür hereinkommt, ohne dass die Person irgendetwas dabei tut oder sagt. Die künstliche Verstärkung von Pointen, zusammen mit den Mehrkamera-Aufnahmen, ist heute eigentlich aus der Mode gekommen. Aber hier mag man es dann doch etwas traditioneller.

Wenn die Gags tatsächlich lustig wären, ließen sich die offensichtlichen Manipulationen leichter verschmerzen. Doch auch hier enttäuscht Familienanhang. Die Serie verlässt sich oft darauf, dass ein traditionelles, wenn nicht gar altmodisches Umfeld auf verständnislose Jugendliche trifft, die mit dem Lebensstil nichts anfangen können. Die typischen Generationenkonflikte eben, dazu noch ein bisschen Stadt-Land-Gefälle. Nur weil da Reibung entsteht, wird aber noch keine Komik draus. Die Geschichten um Backwettbewerbe, Bibelzitate oder Brandherde sind einfallslos, eintönig und langweilig, manchmal auch sehr fragwürdig, wenn notfalls mit Gewalt der Glaube aufgezwängt werden soll. Außerdem sind die Geschichten zu lang: Jede der zehn Folgen, mit denen die Serie an den Start geht, hat eine Länge von rund 30 Minuten, was deutlich über der Sitcom-Norm liegt – ohne diese Verlängerung gut begründen zu können. Da zudem die Figuren ohne echten Charakter bleiben, Grandma M’Dear auch nur eine überzogene Klischeenansammlung ist, darf man diese Serie trotz der guten Absicht getrost ignorieren – dafür ist die Netflix-interne Konkurrenz einfach zu stark.



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„Familienanhang“ erzählt von einer schwarzen Familie, die von Seattle nach Columbus zieht und sich an das dortige Leben gewöhnen muss. Die Absichten sind sicher gut, das Ergebnis ist es nicht. Die gesellschaftlichen Themen werden plump eingebaut, die Witze verdienen ihren Namen nicht, auch bei den Figuren hätte mehr geschehen müssen.
4
von 10