As You Stood By

Auf den ersten Blick führt Eun-su (Jeon So-nee) ein ganz solides, glückliches Leben. Doch noch immer nagen an der jungen Frau die traumatischen Ereignisse ihrer Kindheit mit einem Vater, der die Familie regelmäßig misshandelt hat. Als sie mitbekommt, dass ihre beste Freundin Hui-su (Lee You-mi) selbst das Opfer von Gewalt durch ihren Ehemann Jin-pyo (Jang Seung-jo) ist, reißt dies alte Wunden wieder auf. Doch anders als damals, als Eun-su tatenlos zusah, wofür sie sich immer noch die Schuld gibt, will sie dieses Mal eingreifen und ist fest entschlossen, Hui-su zu retten. Zu diesem Zweck ist sie auch zum Äußersten bereit: Jin-pyo muss sterben …

Was vom Trauma übrigbleibt

Mit südkoreanischen Produktionen hat Netflix bekanntlich gute Erfahrungen gemacht. Und auch wenn diese nicht mehr so viel Resonanz erhalten wie früher, bringt der Streamingdienst regelmäßig neue Filme und Serien aus dem fernöstlichen Land bei uns heraus. Da sind auch immer wieder sehenswerte Titel dabei. Dieses Jahr gab es unter anderem Good News, eine originelle Komödie über ein Flugzeug, das von japanischen Kommunisten entführt wird. Richtig bösartig wurde es in dem Thriller Trigger, bei dem psychisch labile Menschen zu Amokläufen getrieben werden sollen. Wer eine Vorliebe für düstere Stoffe hat, bekommt jetzt mit As You Stood By Nachschub. Denn auch diese südkoreanische Serie blickt tief in die menschlichen Abgründe.

Wobei die Ursprünge derselben in Japan liegen. Genauer handelt es sich um eine Adaption des 2014 veröffentlichten Romans Naomi to Kanako von Hideo Okuda (Welcome to Irabu’s Office). Die Verlegung des Schauplatzes ist dabei kein Problem, zumal das Thema ein weltweites Problem ist. Es dürfte kaum ein Land geben, in dem nicht Ehemänner gegenüber ihren Frauen gewalttätig werden. Aus diesem Stoff hätte man natürlich ein Drama machen können. Zumindest anfangs ist As You Stood By auch ein solches, wenn es um das erlittene Trauma der Protagonistin geht und wie sie dieses auch viele Jahre später noch verfolgt. So sehr, dass das bloße Wissen um eine Leidensgenossin sie triggert und sie zu verzweifelten Mitteln greift, um die Gefahr abzuwenden.

Absurde Eskalation

Auf diese Weise wandelt sich das Drama recht schnell in einen Thriller. Dieser lebt davon, wie zwei bislang unbescholtene Frauen auf einmal selbst Verbrecherinnen werden und natürlich ziemlich überfordert sind. So einen Mord, das muss man erst einmal schaffen. Wobei As You Stood By da nicht auf Realismus abzielt. Tatsächlich ist der Plan schon recht absurd, die Serie eskaliert auf völlig unvorhersehbare Weise. Das wird nicht allen gefallen. Wer eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema möchte, gerade eben, weil es für so viele ein tägliches Leid darstellt, könnte sich daran stören, wie zum Zweck der Unterhaltung solche Traumata genutzt werden. Wie angemessen das ist, müssen die Zuschauer und Zuschauerinnen für sich selbst entscheiden.

Wer damit nicht prinzipiell ein Problem hat, findet hier eine durchaus sehenswerte Thrillerserie. Man ist auch aufgrund der Wendungen gespannt, wie die Geschichte ausgeht. Wird den beiden Frauen der Mord glücken? Werden sie damit durchkommen? Und wenn ja, welche Auswirkungen hat das Ganze? As You Stood By gelingt es so, dass man bis zum Schluss dranbleibt. Nach einem eher gemächlichen Einstieg nimmt die Spannung stetig zu, das Publikum darf sich auf einen fiesen Genrebeitrag freuen. Und auf einen gut gespielten, das Ensemble liefert eine überzeugende Darstellung ab. Die Romanadaption ist damit wieder eine der besseren südkoreanischen Produktionen, die Netflix dieses Jahr auf den Markt gebracht hat. Sie macht auch neugierig darauf, welche weiteren Titel man in der nächsten Zeit von dort wohl erwarten darf.