
Als die zwölfjährige Karla (Elise Krieps) bei der Polizei auftaucht, um eine Anzeige zu erstatten, wissen die Männer zunächst nicht viel damit anzufangen. Denn der Vorwurf des Mädchens ist ungeheuerlich: Ihr Vater soll sie missbraucht haben und jetzt für seine Taten einstehen. Richter Lamy (Rainer Bock) nimmt sich der Geschichte an und versucht, mit Karla herauszufinden, was da geschehen ist. Doch das ist gar nicht so einfach, da dem Kind oft die richtigen Worte fehlen, um sich ausdrücken zu können. Das hält sie aber nicht davon ab, aussagen zu wollen und ihr Schicksal zu teilen. Dabei steht ihr die große Prüfung noch bevor, als sie vor Gericht gegen ihre eigene Familie aussagen muss …
Missbrauchsfall mit wahrem Hintergrund
Im Zuge der #MeToo-Bewegung wurde das Thema sexueller Missbrauch in der Öffentlichkeit sehr publik gemacht. Es wurde mehr darüber gesprochen, einige mussten sich nach Jahren endlich für ihre Taten verantworten. Der spektakulärste Fall war bestimmt der des Filmmoguls Harvey Weinstein, der systematisch und mit dem Wissen anderer Frauen ausnutzte, nötigte und vergewaltigte. Dabei wird oft vergessen, dass viele dieser Fälle sexueller Gewalt im privaten Umfeld stattfinden, sei es in Partnerschaften oder Familien. Karla führt dies wieder vor Augen. Basierend auf einer wahren Geschichte erzählt das deutsche Drama von einem Mädchen, das 1962 den eigenen Vater vor Gericht zerrte und beschuldigte, sie missbraucht zu haben, wieder und wieder, viele Jahre lang.
Der Fall selbst sorgte damals nur für wenig Aufmerksamkeit. Tatsächlich erfuhr Drehbuchautorin Yvonne Görlach davon auch nur über ihr privates Umfeld und entschloss sich, die Geschichte publik zu machen. Das Besondere an Karla ist dabei nicht, dass es zu dem sexuellen Übergriff gekommen ist. Solche Verbrechen sind häufiger, als man denkt, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass bis zu eine Million Kinder und Jugendliche in Deutschland bereits sexuelle Gewalt durch Erwachsene erfahren mussten oder erfahren. Ungewöhnlich ist jedoch der Schritt, von sich aus Strafanzeige zu erstatten – von einer Zwölfjährigen im Jahr 1962. Das braucht schon einiges an Mut. Der Film betont diesen dann auch, will das Kind würdigen.
Sehenswert, aber distanziert
Wobei man über das Individuum selbst nur wenig erfährt. Auch die Eltern werden auf die Tat reduziert, weshalb man zuweilen das Gefühl hat, dass das hier keine Charaktere sind, sondern Platzhalter. Hinzu kommt, dass das Drama dazu neigt, ein Thesenfilm zu sein. Bei Karla geht es oft eher darum, etwas auszusagen, das dann auch über das Einzelschicksal hinausgeht. Das ist einerseits verständlich, weil die Protagonistin nun einmal für die vielen anderen Kinder steht, denen Unrecht angetan werden wurde. Außerdem zeigt Regisseurin Christina Tournatzés bei ihrem Spielfilmdebüt Schwachstellen auf, die es gerade damals noch im Justizsystem gab. Die Absicht war also auf jeden Fall gut und ist richtig.
Es führt nur dazu, dass der Film trotz des realen Unterbaus manchmal zu distanziert und konstruiert ist. Dass das Drama, welches auf dem Filmfest München 2025 Premiere feierte, auf emotionale Manipulationen verzichtet, etwa keine Musik verwendet, ist einerseits löblich. Hier wird das Leid nicht einfach ausgeschlachtet. Etwas mehr direkte Menschlichkeit hätte dennoch dabei geholfen, dass man das Gefühl hat, es wirklich mit einem Wesen aus Fleisch und Blut zu tun zu haben, weniger mit einer Idee. Sehenswert ist das Ergebnis dennoch. Karla erinnert nicht nur an das Thema, sondern zeigt auch auf, wie schwierig es für Betroffene ist, auf dieses Unrecht zu reagieren und sich zu wehren. Der Film wird dann gewissermaßen auch zum Sprachrohr für die Kinder, die in ihrer Sprachlosigkeit verloren sind und die es verdienen, gehört zu werden.
OT: „Karla“
Land: Deutschland
Jahr: 2025
Regie: Christina Tournatzés
Drehbuch: Yvonne Görlach
Kamera: Florian Emmerich
Besetzung: Elise Krieps, Rainer Bock, Imogen Kogge, Torben Liebrecht, Katharina Schüttler
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