Den Menschen geht es schlecht, und zwar überall auf der Welt. Depressionen, Schizophrenie und andere psychische Erkrankungen sind immer weiter auf dem Vormarsch, verursacht durch den Lebensstil in modernen, kapitalistisch geprägten Gesellschaften. So die These von Show Me the Pain of the World, die so offen formuliert ist, dass man ihr kaum zu widersprechen mag. Für ihren fast dreistündigen Dokumentarfilm sind die Regisseure Tjaša Kosar und Marc Steck um die Welt gereist, um den Hintergründen der globalen Gesundheitskrise nachzugehen. In Deutschland, Südafrika, Australien, Slowenien, Japan und Indien sprechen sie mit Experten und Betroffenen und versuchen, die sozioökonomischen Ursachen zu ergründen. Dabei kommen unterschiedliche Perspektiven zur Sprache, die letztendlich aber alle darauf hinauslaufen, dass es so nicht weitergehen kann. Aber wie dann?
Als Film ermüdend
Der Film präsentiert zum Einstieg ernüchternde Zahlen und Statistiken zu Depressionen, Sucht und anderen „Zivilisationskrankheiten“. Sie machen nicht nur den Ernst der Lage klar, sondern auch, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Als im Anschluss daran im Detail erklärt wird, wie Traumata entstehen und wie sie sich verhindern lassen, glaubt man zu ahnen, warum die Dokumentation auf eine Laufzeit von fast drei Stunden kommt. An dieser Stelle geht sie nämlich noch erfreulich weit ins Detail. Leider ergibt sich die lange Laufzeit im Folgenden aber größtenteils dadurch, dass immer neue Fässer aufgemacht werden. Ja, alle angesprochenen Aspekte haben mit der Grundthematik zu tun, doch die herausgegriffenen Länder, Personen und Themengebiete wirken willkürlich zusammengestellt. Zwar gäbe der Gegenstand genügend Stoff für eine ganze Dokuserie her, die denselben Sachverhalt aus der Perspektive immer neuer Länder und ihrer spezifischen Probleme beleuchtet. Die Laufzeit des Films hätte man aber problemlos unter zwei Stunden halten können, ohne etwas von der Argumentation zu verlieren.
Warum der Thematik hier ein Film gewidmet wurde, ist ohnehin nicht ganz klar, denn in Show Me the Pain of the World steckt nicht viel Filmisches. An wenigen Stellen werden Konzepte mit grafischen Hilfsmitteln erklärt. Davon abgesehen besteht die Dokumentation aber nur aus Talking Heads und generischen Aufnahmen von Städten und anderen Zeugnissen menschlicher Zivilisation. Fast alle relevanten Informationen vermittelt der Film über seine Tonspur. Angesichts der Tatsache, dass sich das weltweit relevante Thema aus zahlreichen Perspektiven beleuchten lässt und ohnehin zum größten Teil auditiv vermittelt wird, würde es sich hervorragend für eine Podcast-Serie eignen. Als Film mit Überlänge, der am Stück angeschaut werden will, ermüdet die Thematik jedoch schnell.
Zu sprunghaft
Irritierend wirkt auch die Sprunghaftigkeit, mit der die Filmemacher vorgehen. Von Traumata geht es zur Notwendigkeit gemischt besiedelter Wohngebiete, dann zur Bedeutung von Bäumen für die psychische Gesundheit, später zu Kritik an Konsum und Kapitalismus, schließlich wieder zu Umweltzerstörung, Wasserverschwendung und auch Covid-19. Die globale Finanzkrise, hohe Suizidraten, Einsamkeit, Ellbogengesellschaft, soziale Ungleichheit – auch diese und noch weitere Themen werden angesprochen und teils etwas weiter ausgeführt. Dennoch hätte fast jedes von ihnen einen eigenen Film (oder Podcast) verdient. Denn letztendlich sagt Show Me the Pain of the World nicht viel mehr als “Alles geht den Bach runter“ und „Alles hängt mit allem zusammen“.
Der Film erfüllt die in seinem Titel gestellte Aufforderung, ohne jedoch wirklich neue Einsichten zu bieten. Die vorgestellten Thesen und Forschungsergebnisse sind nicht überraschend oder erhellend – dass Gartenarbeit guttut und viele Aspekte des modernen Lebens Stress verursachen, sind keine bahnbrechenden Erkenntnisse. Man bekommt also viel Schmerz vorgesetzt, aber kaum Lösungsansätze. Hier wird ein negatives Bild der modernen Zivilisation und ihrer Auswirkungen auf den Planeten als Ganzes ebenso wie auf den einzelnen Menschen gezeichnet – nicht unzutreffend, aber auch kaum hilfreich. Wo bleiben die kreativen Ideen zur Lösung all der Probleme? Statt eines Films über alle Schmerzen der Welt hätte man sich einen gewünscht, der sich auch nur ein einziges davon herausgreift und Projekte darstellt, die an Lösungen arbeiten.
Gefangen in einer negativen Sichtweise
So enttäuscht Show Me the Pain of the World nach einem interessanten Einstieg größtenteils, weil die Dokumentation sich einfach zu viel vornimmt und trotzdem Wichtiges außen vor lässt. Als größten Pluspunkt kann man die Tatsache verbuchen, dass der Film Perspektiven verschiedener, um den ganzen Globus verteilter Länder zusammenbringt. Nicht nachvollziehbar ist dabei allerdings die Entscheidung, keinen einzigen der Interviewpartner zu identifizieren. Wer die zu Wort kommenden Personen sind und was sie dazu qualifiziert, hier Auskunft zu geben, bleibt also rätselhaft. Genauso lassen sich auch die immer wieder eingestreuten Tanz- und Performance-Art-Einlagen beschreiben, die den Film nur noch weiter in die Länge ziehen, ohne einen Mehrwert zu bieten.
Die Dokumentation übt starke Kritik an Kapitalismus, Konsumgesellschaft und anderen Aspekten der modernen Zivilisation. Sie traut sich aber weder den Aufruf zu einem generellen Umsturz und Neuanfang zu, noch die Feststellung, dass nichts mehr zu machen ist und wir alle verloren sind. Stattdessen verliert sie sich schließlich in immer weiteren Beispielen, Anekdoten und Forschungsergebnissen. Vor allem bleibt sie aber in ihrer strikt negativen Sichtweise gefangen und hat kaum konstruktive Vorschläge zur Beseitigung der globalen Krise zu bieten.
OT: „Show Me the Pain of the World“
Land: Deutschland, Slowenien
Jahr: 2025
Regie: Tjaša Kosar, Marc Steck
Drehbuch: Tjaša Kosar, Marc Steck
Kamera: Marc Steck
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