
Die Euphorie ist groß, als die Planungen für eine neue Mega-Hall voranschreiten. Gleich 3000 Parkplätze sollen dabei entstehen! Die Sache hat nur einen Haken: Da ist ein Landstück, das erst erworben werden muss, aber schon seit Ewigkeiten nicht mehr bewohnt ist. Bei den Nachforschungen stellt sich heraus, dass gleich 30 Menschen Erbansprüche haben, die aber so entfernt miteinander verwandt sind, dass sie sich nicht einmal kennen. Am Ende sollen Abdel (Zinedine Soualem), Guy (Vincent Macaigne), Céline (Julia Piaton) und Seb (Abraham Wapler) stellvertretend für alle einmal dorthin fahren und sich alles genauer anschauen. Dort angekommen, erfahren sie mehr über ihre gemeinsame Vorfahrin Adèle (Suzanne Lindon), die 1895 nach Paris ging, um dort ihre leibliche Mutter zu suchen. Dort machte sie die Bekanntschaft des Fotografen Lucien (Vassili Schneider) und des Malers Anatole (Paul Kircher) …
Spiel mit den Zeiten
Wenn ein neuer Film von Cédric Klapisch ansteht, weiß man ungefähr, was einen erwartet. Seit seinem internationalen Durchbruch mit L’auberge espagnole – Barcelona für ein Jahr (2002) hat der französische Regisseur überwiegend Tragikomödien gedreht, bei denen sich viel um zwischenmenschliche Beziehungen dreht. Zuletzt gab es da Einsam zweisam (2019) über zwei Stadtmenschen, die quasi direkt nebeneinander leben, sich aber aus verschiedensten Gründen nie über den Weg laufen, sowie Das Leben ein Tanz (2022) über eine verletzte Tänzerin, die auf dem Land die unterschiedlichsten Menschen trifft. Mit Die Farben der Zeit meldet sich der Filmemacher mit einem neuen Werk zurück. Dabei kann ein erfahrenes Publikum viel Bekanntes entdecken. Zum Teil beschreitet der Veteran aber auch neue Wege.
Einer davon betrifft die Zeit. Während seine vorangegangenen Werke in der Gegenwart spielten, nimmt uns Klapisch hier mit in das ausgehende 19. Jahrhundert. Tatsächlich war es auch ein expliziter Wunsch des Franzosen, einmal ein Historiendrama zu drehen. Anstatt sich aber allein auf dieses Setting zu konzentrieren, wählen er und sein Co-Autor Santiago Amigorena eine zweiteilige Erzählstruktur. So beginnt Die Farben der Zeit zwar in der Gegenwart, springt später aber so häufig zurück in die Vergangenheit, dass man irgendwann schon gar nicht mehr sagen kann, welche der beiden Erzählungen nun der Hauptstrang sein soll. Dabei sind die Verbindungen etwas dünn. Da ist natürlich das verwandtschaftliche Verhältnis der Figuren. Außerdem werden manche Themen gespiegelt, darunter das der Familie und der Kunst. Aber das bleibt alles etwas oberflächlich.
Nicht tiefgründig, aber sehenswert
Insgesamt ist Die Farben der Zeit kein sehr tiefgründiger Film. Das heißt nicht, dass er nichts Interessantes zu erzählen hat. Beispielsweise wird irgendwann der Wettstreit von Malerei und Fotografie angesprochen und dabei die Frage gestellt: Braucht es überhaupt noch Gemälde, wenn man die Welt direkt abbilden kann? Dann gibt es gesellschaftliche Aspekte, welche beispielsweise durch den Weltverbesserer Guy angesprochen werden. Diskutiert wird zudem ausführlich über die Frage, was mit dem geerbten Haus geschehen soll, was mit der einhergeht, worauf es im Leben wirklich ankommt. Ansätze gibt es also schon, aber nicht genügend Zeit, um das alles auszuarbeiten. Das scheitert bereits an den zahlreichen Figuren, die irgendwie berücksichtigt werden müssen.
Dennoch ist das Ergebnis sehenswert. Die Tragikomödie, die 2025 in Cannes Weltpremiere hatte, hat visuell einiges zu bieten, wenn Klapisch Paris zu einer weiteren Hauptfigur macht. Da sind schon auch nette Übergänge zwischen den beiden Zeitebenen. Hinzu kommt der Humor, wenn gerade die Figuren der Gegenwart in irgendwelche chaotischen Situationen geraten. Da Die Farben der Zeit zudem hochkarätig besetzt ist, lohnt sich schon der Blick. Gerade ein kunstinteressiertes Publikum bekommt hier einiges zu sehen und darf sich zudem an der Aufbruchsstimmung erfreuen, wenn man hier das Gefühl hat, dass wirklich alles möglich ist.
OT: „La Venue de l’Avenir“
Land: Frankreich
Jahr: 2025
Regie: Cédric Klapisch
Drehbuch: Cédric Klapisch, Santiago Amigorena
Musik: Rob
Kamera: Alexis Kavyrchine
Besetzung: Suzanne Lindon, Abraham Wapler, Vincent Macaigne, Julia Piaton, Zinedine Soualem, Paul Kircher, Vassili Schneider, Sara Giraudeau, Cécile de France
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