Mob War: Philadelphia vs. The Mafia

Wenn es um das Thema reale Verbrechen geht, kennt Netflix diesen Monat wieder keinerlei Zurückhaltung. So gab es zwei fiktionale Serien, die an Serienmörder erinnerten. Das Monster von Florenz erzählte von einer Reihe von mysteriösen Doppelmorden, die zwischen den 1960ern und 1980ern in Italien stattfanden. Monster: Die Geschichte von Ed Gein wiederum ist dem gleichnamigen Leichenschänder und Killer gewidmet. Hinzu kamen mehrere True-Crime-Dokus. Weißes Meer: Die surreale Story von Rabo de Peixe schilderte, wie ein portugiesisches Küstendorf von Drogen überschwemmt wurde. In Mein Vater, der BTK-Killer gibt eine Frau Einblicke, wie es war, als Tochter eines Serienmörders aufzuwachsen. Wer das alles schon durch hat, kann es jetzt mit Mob War: Philadelphia vs. The Mafia versuchen.

Machtkampf in der Mafia

Der Titel ist dabei Programm. Die dreiteilige Serie schildert, wie in den 1990ern in der US-Metropole zwischen zwei Mafia-Clans ein Krieg ausbrach. Vorausgegangen war, dass Nicky Scarfo, der zuvor mit eiserner Hand über die Unterwelt Philadelphias herrschte, ins Gefängnis musste. Zu 55 Jahren wurde er verurteilt, womit ein Machtvakuum entstand. Zwar folgte ihm John Stanfa nach, zumindest, bis dieser selbst hinter Gittern musste. Nur gab es mit Joey Merlino jemanden, der in dem Machtwechsel eine Chance für sich selbst sah und selbst an die Spitze wollte. Mob War: Philadelphia vs. The Mafia erinnert an diese Zeit und arbeitet chronologisch auf, wie sie sich bekämpften, aber auch, welche Auswirkungen dies auf die Stadt hatte.

Die Serie richtet sich damit stärker an ein Publikum, welches ein historisches Interesse hat. Die voyeuristischen Tendenzen, wie man sie in dem Segment oft findet, wenn grausige Morde ausgeschlachtet werden, wahlweise auch das Leid der Opfer, fehlen hier. Mob War: Philadelphia vs. The Mafia ist da etwas zurückhaltender. Das bedeutet aber nicht, dass man nicht auch auf den Unterhaltungsfaktor schielen würde. Da gibt es etwa nachgespielte Szenen, welche die Dramatik erhöhen sollen. Ansonsten verlässt man sich auf die Geschichten selbst, die es schließlich auch in sich haben. Die Kämpfe sind durchaus brutal, teilweise aber auch grotesk. Da versuchte man wirklich alles, mit mal mehr, mal weniger durchschlagendem Erfolg.

Klassische Umsetzung

Umgesetzt ist das alles sehr klassisch. Man bekommt den üblichen Mix aus historischen Aufnahmen, den besagten nachgespielten Szenen und aktuellen Interviews mit den unterschiedlichsten Leuten, die etwas zu dem Thema zu sagen haben. In diesen erinnern sie sich, wie das damals so war, beschreiben die Verhältnisse und geben Kontexte. Mob War: Philadelphia vs. The Mafia hält sich da eng an das bewährte Rezept, Raissa Botterman zeigt bei der Inszenierung wenig Ambitionen, es irgendwie anders zu machen oder einen eigenen Fingerabdruck zu hinterlassen. Aber das muss ja nicht verkehrt sein, die Dokumentation bietet genau das, was man realistisch erwarten kann.

Höhepunkt dabei sind die Tonaufnahmen, die bei den Abhöraktionen entstanden sind. Dass solche direkten Aussagen von Verbrechern eine ganz eigene Faszination ausüben können, ist bekannt. Netflix selbst hat mit der Reihe Selbstporträt eines Serienmörders ein Publikum gefunden, indem die Original-Mitschnitte von Gesprächen veröffentlicht werden. Zuletzt hat der Streamingdienst vor einigen Monaten Son of Sam: Selbstporträt eines Serienmörders herausgebracht. In Mob War: Philadelphia vs. The Mafia sind diese Aufnahmen jedoch nur ein vergleichsweise kleiner Teil des Ganzen. Daraus hätte man eventuell mehr machen können. Aber auch so ist die Serie ganz ordentlich geworden, ein Interesse für dieses Thema vorausgesetzt.