27 Nächte

Martha Hoffman (Marilu Marini) hatte schon immer ihren eigenen Kopf, sie ließ sich nie viel von anderen sagen. Das hat sich auch mit 83 nicht geändert, sie ist so eigensinnig wie eh und je. Oder ist es vielleicht doch mehr als das? Zumindest vermuten das ihre Töchter Olga (Paula Grinszpan) und Myriam (Carla Peterson). Für sie sind das erste Anzeichen einer Demenz, weshalb sie die Seniorin in eine psychiatrische Klinik einweisen lassen. Martha will sich das aber nicht ohne Weiteres gefallen lassen. Nun soll der Rechtsexperte Casares (Daniel Hendler) die Sache klären und mit seinem Gutachten dazu beitragen, dass die Wahrheit über die alte Frau gefunden wird …

Inspiriert von einer wahren Geschichte

Zuletzt hat Netflix gerade für Fans spanischsprachiger Filme etwas ins Angebot aufgenommen. Genauer veröffentlicht der Streamingdienst innerhalb weniger Tage gleich drei Werke, die auf dem traditionsreichen San Sebastian Film Festival 2025 ihre Premiere hatten. Den Auftakt machte dabei die Romanadaption Limpia – Schwimm zu mir, ein chilenisches Drama über ein Kindermädchen, das sich mit der Tochter einer reichen Familie anfreundet. Das spanische Thrillerdrama Kämpferin im Untergrund wiederum nimmt uns mit in die 1990er und erzählt von einer Polizistin, die undercover in der Terrororganisation ETA ermittelt. Mit 27 Nächte reisen wir nun nach Argentinien und lernen eine lebensfrohe Seniorin kennen, die beweisen soll, dass sie noch richtig im Kopf ist.

Grundlage hierfür liefert der Roman Veintisiete noches von Natalia Zito, der wiederum von dem Leben der argentinischen Autorin und Künstlerin Natalia Kohen inspiriert wurde. Die Geschichte ist dabei an und für sich ernst. Sowohl das Thema Demenz wie auch die Bevormundung älterer Menschen bieten sich eigentlich für ein Drama an. Stattdessen ist der Ton von 27 Nächte über weite Strecken recht heiter, der Film ist einer Komödie näher. Teilweise ist das natürlich auf die Hauptfigur zurückzuführen, die auch im fortgeschrittenen Alter nicht auf den Mund gefallen ist. Über weite Strecken ist es dann auch Hauptdarstellerin Marilu Marini (Die Insel der Zitronenblüten), die den Film trägt als eigensinnige Seniorin, die sich ungeniert in das Leben des Rechtexperten einmischt.

Nicht sehr tiefsinnig

Regisseur und Co-Autor Daniel Hendler (Virus:32), der gleichzeitig die zweite Hauptrolle spielt, fokussiert sich dabei stark auf das Verhältnis zwischen den beiden Figuren. Dieses ist auch durchaus dynamisch: Ist Casares ursprünglich dafür da, Hoffmann zu beurteilen, ganz neutral und distanziert, wird die Geschichte mit der Zeit persönlicher und freundschaftlicher. 27 Nächte folgt da bewährten Prinzipien, es gibt nicht eben wenig Filme, die auf einer solchen Odd-Couple-Konstellation basieren. Das ist dann schon irgendwie nett, auch wenn der Humor nicht der einfallsreichste ist. Die Witze über die Sexualität des Experten hätten so nicht unbedingt sein müssen. Außerdem darf man da schon die Frage stellen, wann gut gemeint zu übergriffig wird.

Schade ist zudem, dass es letztendlich keine wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen gibt. Eigentlich wäre es naheliegend gewesen, bei einer solchen Geschichte auch ganz allgemeine Fragen rund um das psychiatrische System zu stellen sowie der Grenze zwischen Exzentrik und Krankheit. Was ist noch normal? Und wer legt das fest? 27 Nächte interessiert sich aber nicht wirklich dafür, will lieber in erster Linie das Publikum unterhalten. Dann und wann gelingt das Hendler auch ganz gut. Es gibt aber ebenfalls Passagen, in denen der Film sich zieht und zu beliebig wird. Insgesamt ist die Romanadaption schon ganz nett geworden, zudem ist die Absicht, ältere Menschen als eigenständige Persönlichkeiten aufzuzeigen, die selbst über ihr Leben bestimmen dürfen, sicherlich gut. Es ist nur kein so wirklich guter Film daraus geworden.