Unbekannte Nummer: Der Highschool-Catfish

Und weiter geht es mit den True Crime Dokus auf Netflix. Kürzlich erst hat der Streamingdienst Die Wahrheit über Jussie Smollett? ins Programm aufgenommen, wo es um den gleichnamigen US-Schauspieler geht, der vor Jahren behauptete, Opfer eines Überfalls gewesen zu sein. Davor erfuhren wir in Stolen: Der große Diamantenraub in Antwerpen von einem spektakulären Coup, der Geschichte geschrieben hat und bis heute nicht völlig aufgeklärt werden konnte. Im Vergleich dazu ist Unbekannte Nummer: Der Highschool-Catfish deutlich kleiner angelegt. Man erfährt auch, welche Person hinter dem Verbrechen steckt, selbst wenn am Ende eine Reihe von Fragen offenbleiben.

Übles Cyber-Mobbing

Der Titel ist dabei ein wenig irreführend. Üblicherweise wird der Ausdruck Catfish für Menschen verwendet, die im Internet eine falsche Identität annehmen, um beispielsweise jemanden um Geld zu betrügen oder auch für Dating-Zwecke. Unbekannte Nummer: Der Highschool-Catfish hingegen erzählt von einem jugendlichen Paar, das üble Textnachrichten erhält. Viele, viele Textnachrichten. Mehr als ein Jahr wird die Teenagerin Lauryn Licari auf diese Weise von einer unbekannten Person gemobbt, auch ihr Freund Owen McKenny wird zur Zielscheibe dieser Beschimpfungen. Cyber-Bullying ist natürlich keine Seltenheit, eher eine Nebenerscheinung der heutigen Gesellschaft und Technologien. Das allein rechtfertigt noch keinen eigenen Film, zumindest nicht, wenn nicht das allgemeine Thema behandelt wird.

Wenn Unbekannte Nummer: Der Highschool-Catfish dennoch eine Daseinsberechtigung hat, dann aus zwei Gründen. Der eine sind die Ausmaße, die das Ganze angenommen hat. Mehrere hundert Nachrichten waren es am Ende, was schon sehr exzessiv ist. Außerdem war der Vorfall mit tatsächlichen polizeilichen Ermittlungen verbunden. Da wurden Menschen aus dem Umfeld befragt, aus der Schule, Handys wurden konfisziert auf der Suche nach Antworten. Am Ende gab es sogar mehrere Durchsuchungsbeschlüsse, bei denen Internetanbieter in die Verantwortung genommen wurden, um sie zu einer Herausgabe wichtiger Informationen zu zwingen. Das geht dann doch über einen „normalen“ Fall von Mobbing hinaus.

Manipulativ und oberflächlich

Der andere Grund ist die Auflösung. Wie bei einem klassischen Whodunit-Krimi darf hier spekuliert werden, wer hinter all dem steckt und aus welchen Beweggründen das geschieht. Immer wieder führt einen Unbekannte Nummer: Der Highschool-Catfish auf eine falsche Spur, wenn Hypothese nach Hypothese abgehandelt wird. Am Ende ist es dann aber, wie eben bei einem Krimi, doch jemand ganz anderes. Das wird für manche die Geschichte spannend machen, sie war nicht grundlos in den Nachrichten vertreten. Gleichzeitig ist das unbefriedigend, weil niemand wirklich erklären kann, warum die Person das getan hat. Diese kommt dabei sogar zu Wort, sehr oft sogar. Es findet aber keine wirkliche Auseinandersetzung damit statt, da werden dann irgendwelche Ausflüchte präsentiert, Tränen vergossen, ohne dass aber wirklich etwas mit dem Thema gemacht wird.

Hinzu kommt, dass Skye Borgman (Fit for TV: The Reality of the Biggest Loser, Die Verbrechen unserer Mutter) bei der Inszenierung sehr unangenehm voyeuristisch wird. Der Film nutzt die Situation schon sehr aus, liefert dabei manchen die Möglichkeit, sich selbst zu inszenieren. Die Art und Weise, wie hier mit Musik und dramatischen Pausen gearbeitet wird, ist auch skrupellos manipulativ geworden. Das wird manchen sicherlich auch gefallen, es gibt ein Publikum für solche sensationslüsternen Produktionen. Wer jedoch in erster Linie informiert werden möchte, für den ist Unbekannte Nummer: Der Highschool-Catfish vielleicht nicht die beste Wahl. So unglaublich und schockierend die Geschichte ist, so ärgerlich ist, was aus dieser hier gemacht wurde.