Fit for TV: The Reality of the Biggest Loser

Sie gehören neben den zahlreichen True-Crime-Produktionen, Sport- und Tiertiteln fest zu dem „dokumentarischen“ Bereich von Netflix: Reality-TV-Shows. Zuletzt gab es beispielsweise Final Draft, eine japanische Show, bei der frühere Sportler und Sportlerinnen sich an Survival-Wettkämpfen miteinander messen. Außerdem sind da natürlich noch die ganzen Geschichten, die sich irgendwie um Liebe drehen – oder zumindest so tun als ob. Mit Fit for TV: The Reality of the Biggest Loser kommt jetzt eine Dokuserie auf dem Streamingdienst heraus, die selbst kein Reality TV ist. Sie wirft aber einen Blick hinter die Kulissen eines Reality-TV-Formats der Konkurrenz: The Biggest Loser, die in den 2000ern sehr erfolgreich war und sogar einen deutschen Ableger erhielt. Tatsächlich läuft diese noch, im Gegensatz zum US-amerikanischen Original. Dieses Jahr wurde die 17. Staffel ausgestrahlt.

Abnehmen um jeden Preis

Wer dennoch noch nie davon gehört hat: Es geht in dieser Show darum, dass stark übergewichtige Menschen abnehmen wollen. Wer das am besten schafft, gewinnt nicht nur den Titel, sondern auch einen gehörigen Batzen Geld. Ob das wirklich die Motivation sein sollte, um etwas für den eigenen Körper zu tun, sei einmal dahingestellt. Da wäre ein anderer Anreiz vielleicht besser. Und doch, verkehrt ist es von der Idee her nicht, wenn einer Reihe von Leuten geholfen wird, sich von einer gefährlichen Lebensweise zu lösen und in Zukunft gesünder leben zu können. Zumindest wird an manchen Stellen Fit for TV: The Reality of the Biggest Loser auf diese Weise verkauft: Die Show tue den Teilnehmenden etwas Gutes. Selbst wer nicht am Ende gewinnt, hat durch das Abnehmen gewonnen.

Das hört sich gut an, ist aber nur die halbe Wahrheit – wenn überhaupt. So erfahren wir recht früh in der Doku, dass gezielt unglückliche Menschen für die Show ausgesucht wurden, damit der Dramateil höher war. Schließlich gehören Zusammenbrüche, Tränen und Streitereien zum Geschäft, auf diese Weise wird die Zielgruppe unterhalten. Und weil man sich nicht darauf verlassen wollte, dass die Krisen von allein kommen, wurde auch noch gezielt schikaniert. Fit for TV: The Reality of the Biggest Loser lässt da kein gutes Haar an der Show und zeigt auf, wie das Leid der Menschen gezielt ausgenutzt wurde, um den Voyeurismus der Zuschauer und Zuschauerinnen zu befriedigen. Aber auch die Medien bekommen ihr Fett weg, wenn die siegreichen Teilnehmenden von Talk Show zu Talk Show weitergereicht werden, anschließend aber fallengelassen. Auch sie sahen in den Menschen nur Gebrauchtware.

Etwas verlogen und ziellos

Dass ausgerechnet Netflix eine solche Doku veröffentlicht, ist sicher etwas dreist. Schließlich geht der Streamingdienst bei seinen eigenen Reality-TV-Shows nicht anders vor. Zumal ja auch Fit for TV: The Reality of the Biggest Loser letzten Endes zu Unterhaltungszwecken produziert wurde. So schlachtet man es hier ebenfalls aus, wie Teilnehmende zerbrochen sind. Sicher, zwischendurch ist jemand dabei, der sich wohlwollend an die damalige Zeit zurückerinnert. Manche sind vielleicht auch ambivalent. Die meisten aber betonen den Horror, weil sich das nun einmal am besten verkauft. Die Teilnahme sei der schwerste Fehler im Leben gewesen, gibt einer an. Unklar ist, wie repräsentativ das alles ist, schließlich gab es Tausende von Teilnehmen im Laufe der Zeit.

Ebenso unklar ist, was genau diese Dokuserie eigentlich sagen will. So springt man im Lauf der Zeit von Thema zu Thema, von Interview zu Interview, ohne dass dabei ein Konzept erkennbar würde. Beispielsweise wird irgendwann der Vorwurf laut, dass die Teilnahme an der Show zu einer Verschlechterung des Stoffwechsels führt. An der Stelle wäre es interessant gewesen, auch einmal etwas tiefer zu bohren. Stattdessen taucht ein Experte auf, der das Ergebnis einer Studie anzweifelt, danach wird das nächste Fass aufgemacht. Auf diese Weise ist Fit for TV: The Reality of the Biggest Loser etwas unausgeglichen. Manches hätte man gern genauer gewusst, dafür gibt es Interviews, die letztendlich redundant sind und alles in die Länge ziehen. Dass die Show ihre Schattenseiten hat, wird zwar deutlich. Das war aber vorher schon klar, dafür muss man sich das hier nicht angeschaut haben.