Tatort Alle meine Jungs
© Radio Bremen/Jörg Landsberg

Tatort: Alle meine Jungs

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„Tatort: Alle meine Jungs“ // Deutschland-Start: 18. Mai 2014 (Das Erste)

Inhalt / Kritik

Als der Müllmann Mike Decker tot neben einem Müllauto gefunden wird, führt Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) eine erste Spur zu der Müllfirma, bei der der Verstorbene gearbeitet hat. Dort gibt man sich jedoch sehr zugeknöpft, niemand will über den Vorfall reden oder scheint sich dafür zu interessieren. Lediglich der junge Kollege Sascha Bruns (Jacob Matschenz) zeigt sich sichtlich aufgewühlt, verschwindet kurze Zeit darauf aber spurlos. Bei ihren Ermittlungen stellen sie fest, dass es sich bei den Müllmännern überwiegend um verurteilte Verbrecher handelt, die in der Gemeinschaft ein neues Zuhause gefunden haben. An deren Spitze: Uwe Frank (Roeland Wiesnekker), der von allen nur Papa genannt wird …

Eine grelle Parallelgesellschaft

Ein bisschen grotesk ist es ja schon. Auf der einen Seite kann man nun wirklich nicht behaupten, dass Müllmänner und Müllfrauen dezent gekleidet sind. Das leuchtende Orange ist sowohl von Weitem zu sehen als auch ikonisch. Man bringt es sofort mit diesem Beruf in Verbindung. Und doch: Niemand nimmt diese Menschen wahr. So wichtig deren Arbeit ohne jeden Zweifel ist, so ist der Gedanke daran doch so unangenehm, dass wir ihn gern ausblenden. Allein deshalb schon ist Tatort: Alle meine Jungs interessant, wirft er doch ein Schlaglicht auf einen Berufszweig , über den sonst kaum jemand reden mag. Es gibt zwar die Reihe Die Drei von der Müllabfuhr. Das war es aber auch schon wieder. Ein bisschen mehr Repräsentation ist da schon angesagt.

Natürlich verbindet der 912. Teil der ARD-Krimireihe diese aber mit einem mysteriösen Todesfall, der geklärt werden muss. Das Publikum soll trotz allem ja unterhalten werden. Das ist beim Tatort keine Seltenheit: Die Filme sind – zum Missfallen einiger – oft eine Kombination aus Mördersuche und Gesellschaftsporträt. Bei Alle meine Jungs ist das nicht anders, wobei hier natürlich nicht die Gesellschaft als solche im Mittelpunkt steht. Stattdessen lernen wir hier eine Parallelgesellschaft kennen. Mehrere sogar. Nicht allein, dass nahezu die gesamte Geschichte im Umfeld eines verpönten Berufes steht. Die Männer sind auch wegen ihrer kriminellen Vergangenheit Ausgestoßene und finden keinen rechten Weg zurück. Sie leben zudem in einem Straßenviertel unter sich, wie eine große Familie.

Zwischen Müllmafia und Milieuporträt

Das hört sich irgendwie alles nett an, zumal der Anführer auch von allen Papa genannt wird. Gleichzeitig weckt Familie natürlich auch Assoziationen an die Mafia. Und tatsächlich wird in Tatort: Alle meine Jungs sehr schnell klargemacht, dass es sich bei der Firma um eine Verbrecherorganisation handelt. Der Film ist damit nicht wirklich der Whodunnit-Krimi, den man mit der Reihe in Verbindung bringt. Wer genau dem Müllmann die tödlichen Verletzungen zugefügt hat, wird zwar erst spät klar, ebenso die konkreten Umstände. Aber das ist auch nebensächlich. Vielmehr geht es darum, die Organisation als solche aufzuzeigen, deren Methoden, der Umgang innerhalb der Gruppe. Zwar ermittelt das Bremer Duo Lürsen und Stedefreund kontinuierlich. Der Effekt hält sich aber in Grenzen, die eigentlichen Akteure sind innerhalb der Müllfamilie zu finden.

Das ist natürlich schon irgendwie ein wenig absurd. Tatsächlich weiß man bei Tatort: Alle meine Jungs nie so genau, ob das jetzt Milieuporträt, Drama, Krimi, Thriller oder Satire sein soll. Irgendwie ist es alles ein bisschen. Aber das macht den Film auch sehenswert, im Gegensatz zu vielen anderen TV-Krimis vergisst man diesen so schnell nicht wieder. Dafür sorgen neben einigen perfiden Momenten, die tatsächlich für Spannung sorgen, vor allem der Auftritt von Roeland Wiesnekker (Töte mich, Der Kommissar und die Wut) als krimineller Papa Schlumpf mit Vorliebe für Pekingente, der immer mal wieder mit einer genüsslich-diabolischen Art die Szenen an sich reißt. Wenn ihm eines gelingt dann das: Man sieht die Herren und Damen von der Müllentsorgung anschließend mit anderen Augen. Sehr sehr misstrauischen Augen.

Credits

OT: „Tatort: Alle meine Jungs“
Land: Deutschland
Jahr: 2014
Regie: Florian Baxmeyer
Drehbuch: Erol Yesilkaya, Boris Dennulat, Matthias Tuchmann
Musik: Jakob Grunert
Kamera: Marcus Kanter
Besetzung: Sabine Postel, Oliver Mommsen, Jacob Matschenz, Roeland Wiesnekker, Genija Rykova, Patrick Abozen, Hendrik Arnst, Maria Hartmann

Bilder

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Tatort: Alle meine Jungs
Fazit
„Tatort: Alle meine Jungs“ ist eine irgendwie kuriose Mischung aus Sozialdrama, Mafiathriller und Krimisatire. Rund ist das nicht unbedingt, aber durchaus sehenswert. Vor allem Roeland Wiesnekker als genüsslich-diabolischer Papa Müll-Schlumpf mit Vorliebe für Pekingente sorgt dafür, dass man den Film im Anschluss nicht wieder vergisst.
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