Tatort Das ist unser Haus
© SWR/Benoit Linder

Tatort: Das ist unser Haus

Kritik

Tatort Das ist unser Haus
„Tatort: Das ist unser Haus“ // Deutschland-Start: 17. Januar 2021 (Das Erste)

In der Oase Ostfildern am Stuttgarter Stadtrand  sollte alles ganz anders sein, da waren sich alle einig, als das Haus gebaut wurde. Mehr Gemeinschaft, mehr Rücksichtname, mehr Mitsprache war das Ziel. Doch der Alltag sieht anders aus. Ständig kommt es zwischen den Bewohnern und Bewohnerinnen zu Streit, von Harmonie ist nichts zu spüren. Eines haben sie aber schon gemeinsam: eine Leiche. Die wurde nämlich im Fundament gefunden, als dieses wegen eines Abdichtungsproblems wieder aufgegraben werden musste. Und das ist nicht das einzige Geheimnis, das in dem Haus verbuddelt wurde, wie die Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) bald feststellen müssen. Denn bei der toten Frau handelt es sich womöglich um ein ehemaliges Mitglied der Gemeinschaft, das vor einem Jahr verschwand …

Skurriler Leichenfund

Die Fans klassischer Krimis hatten zuletzt mit dem Tatort so ihre liebe Mühe. Anstatt wie gehabt ganz ernst auf Mörderjagd zu gehen, wichen die letzten Folgen immer wieder von der Formel ab. Das Urgestein der deutschen Fernsehunterhaltung setzte bei Der feine Geist und Der Tod der Anderen auf ungewöhnliche Szenarien und Humor, mal etwas absurder, dann wieder sarkastischer. Und auch Das ist unser Haus, der mittlerweile 1153. Teil der Krimireihe, ist sehr darum bemüht, ein wenig Komik in den tristen Verbrecheralltag zu bringen. Das Mittel: eine Hausgemeinschaft voller skurriler Figuren, die mit großen Idealen gestartet sind, nur um kurze Zeit nach dem Einzug feststellen zu müssen, dass das alles gar nicht so wirklich klappt.

Amüsant ist das natürlich schon. Regisseur und Co-Autor Dietrich Brüggemann nimmt bei seiner dritten Tatort-Auftragsarbeit genüsslich das Gutbürgertum auseinander, das sich für die Verwendung von Ökomaterialien selbst auf die Schulter klopft, nur um im nächsten Moment einander das Messer in den Rücken zu rammen. Allerdings ist Das ist unser Haus weit davon entfernt, die satirische Schärfe zu erreichen, die das Material hergeben würde. Nur hin und wieder darf es hier mal ein bisschen weh tun in der braven deutschen Seele. Da hatte der Filmemacher in seiner Nazi-Groteske Heil, seinem bislang letzten Kinoprojekt, doch noch ganz andere Geschütze aufgefahren.

Zwischen Satire und Albernheit

Stattdessen geht es in der Oase Ostfildern recht albern zu. Wenn von spiritueller Verunreinigung die Rede ist und alleine Schwingungen verraten sollen, ob das Gegenüber ein böser Mensch ist, dann ist das natürlich ein willkommener Anlass, um sich über Ökos, Weltverbesserer oder Linke im allgemeinen lustig zu machen. Aber es ist eben auch etwas billig. Hinzu kommt, dass die nicht enden wollenden Diskussionen der Gemeinschaft, bei der keine Entscheidungen ohne ausufernde Versammlungen getroffen werden können, doch sehr schnell an den Nerven zerren. Umso mehr, da diese einen so großen Anteil an der Geschichte haben, weshalb der Kriminalfall kaum vorankommt.

Der ist aber ohnehin nicht mehr als Durchschnitt. Vom Prinzip her ist Das ist unser Haus schon ein traditioneller Whodunnit, bei dem eine Leiche auf ein Umfeld stößt, das jede Menge Motive hatte. Anders als aber etwa beim inhaltlich verwandten Das Quartett: Das Mörderhaus vor einigen Wochen, bei dem eine starke Verzahnung zwischen den Toten und den Verdächtigen bestand, ist das hier recht dünn. Es laufen in dem Haus einfach zu viele Personen herum, die zwar kräftig mitstreiten, für den Fall aber nicht relevant sind. Da lagen die Prioritäten dann offensichtlich doch woanders. Wer selbst miträtseln möchte, hat sowieso keine Chance, da das Publikum bei jedem Schritt vor vollendete Tatsachen gestellt wird.

Interessant ist dafür, wie Tatort: Das ist unser Haus ganz grundsätzliche Fragen zum menschlichen Miteinander stellt. Die Oase, so fehlerhaft und so weltfremd sie auch sein mag, ist ein Versuch, der zunehmenden Anonymisierung unserer Gesellschaft zu begegnen. Ein Gegenentwurf zu einer Welt, in der sich die Menschen zwar physisch sehr nahe sind, aber vollkommen voneinander entfremdet haben. Umso bedauerlicher ist es, dass Brüggemann dieses wichtige Thema durch die Albernheit so verschenkt hat, anstatt wie bei seinen früheren Werken Renn, wenn du kannst und 3 Zimmer/Küche/Bad auf Alltäglichkeit und realitätsnahe Figuren zu gehen. So bleibt ein netter Tatort, der zu oft unter seinen Möglichkeiten bleibt.

Credits

OT: „Tatort: Das ist unser Haus“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Dietrich Brüggemann
Drehbuch: Dietrich Brüggemann, Daniel Bickermann
Musik: Dietrich Brüggemann
Kamera: Andreas Schäfauer
Besetzung: Richy Müller, Felix Klare, Christiane Rösinger, Anna Brüggemann, Michael Kranz, Joseph Bundschuh, Lana Cooper, Nadine Dubois, Oliver Gehrs, Eike Jon Ahren, Desiree Klaeukens

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In „Tatort: Das ist unser Haus“ wird eine Leiche im Fundament einer Öko-Hausgemeinschaft gefunden. Der Film kombiniert dabei klassisches Whodunnit mit Humor und gesellschaftlichen Fragen. Das ist grundsätzlich interessant, streckenweise amüsant, geht dabei aber nie wirklich in die Tiefe, ist oft etwas angestrengt albern statt satirisch.
6
von 10