Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer
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Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer

Inhalt / Kritik

Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer
„Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer“ // Deutschland-Start: 7. März 2021 (Das Erste)

In der Nähe eines beliebten Kieler Clubs wird die Leiche einer jungen Frau aufgefunden. Bei ihren Ermittlungen stoßen Klaus Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik) bald auf Mario Lohse (Joseph Bundschuh), der zusammen mit dem Opfer in dem besagten Club gesehen wurde. Dabei handelt es sich um einen jungen Mann, der offenkundig Schwierigkeiten beim Umgang mit Frauen hat und der sich deswegen Rat bei Hank Massmann (Arnd Klawitter) sucht. Während Letzterer vor allem durch seine frauenverachtenden Ansichten auffällt, bereitet den beiden noch etwas ganz anderes Sorge. Schließlich wurde in der Nähe der Leiche ein Erkennungssymbol von Neonazis gefunden …

Mördersuche in der Gesellschaft

Der Tatort ist inzwischen dafür bekannt – bei manchen auch berüchtigt –, dass er immer wieder mal gesellschaftliche Themen nimmt, um diese mit einer klassischen Mördersuche zu verbinden. Hoch im Kurs stehen dabei Rechtsradikale und Rassisten, welche eigentlich ständig als potente Gefahr durchgehen. Mit Hetzjagd und Heile Welt haben sich letzten Monat gleich zwei Filme in Folge dieser Thematik angenommen. Wenn mit Borowski und die Angst der weißen Männer, der 1159. Folge der ARD-Krimireihe, nun schon wieder ein Film ansteht, der in diesem Umfeld steht, besteht natürlich schon das Risiko, dass ein Teil des Publikums genervt abschaltet. Doch das wäre schade, denn dafür ist das hier zu sehenswert, nicht zuletzt weil es hauptsächlich um etwas anderes geht.

Genauer wird Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer anlässlich des Weltfrauentages einen Tag vor diesem ausgestrahlt. Der Film selbst handelt dann auch von Leuten, die einen solchen Tag nicht nur als völlig überflüssig empfinden. Sie finden jede Form von weiblicher Würdigung überflüssig, wenn nicht gar unnatürlich. Im Tierreich dürfen sich die Männchen doch auch nehmen, was sie wollen, sie müssen nur stärker sein. Das zumindest behauptet Massmann, der mit seinen altertümlichen Ansichten einen ziemlichen Nerv trifft. Seine Zielgruppe: Männer, die im Leben nichts auf die Reihe bekommen, die sich unnütz und impotent fühlen und in ihrer kollektiven Versagensangst gegenseitig den Rücken stärken – auf Kosten aller, die nicht Teil dieser Gruppe sind.

Selbstbehauptung durch Gewalt

Vertreten wird diese anonyme Masse durch Lohse, der so schwach und frei von Persönlichkeit ist, dass ein Tischbein der interessantere Gesprächspartner wäre. Gleichzeitig aber, und das macht Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer klar, geht von dieser Schwäche eine größere Gefahr aus. Je weniger Anteil an der Gemeinschaft solche Männer haben und sich in parallele Kreise zurückziehen müssen, weil sie sonst nirgends unterkommen, umso stärker die Neigung zur Radikalisierung. Das ist durchaus wirkungsvoll von Joseph Bundschuh verkörpert, der im Laufe der 90 Minuten eine Wandlung vom in sich gekehrten Nichts, das nur heimlich in sich hineinflucht, hin zu einem gewaltbereiten Täter durchmacht, dessen Wut und Angst verheerende Folgen haben können.

Das ist als Krimi insgesamt weniger interessant, zumindest für ein Publikum, das gerne rätselt, was dahintersteckt. Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer lebt nicht so sehr von der Suche nach einem Täter, sondern will vielmehr einen Blick auf die sogenannten Incels werfen, kurz für involuntary celibate. Auf Deutsch: unfreiwilliges Zölibat. Während die Faszination für diese Subkultur groß ist, die sich als eine Art Männerrechtsbewegung sieht, hält sich der Tiefgang eher in Grenzen. Man erfährt beispielsweise relativ wenig über die Figuren. Die von Jördis Triebel verkörperte Politikerin, die ein Ziel des Machomobs darstellt, ist auch nur irgendwie mit dabei. Spannend wird der Film hingegen schon, sowohl thematisch wie auch wegen der späteren Thrillerelemente. Denn hier wartet man nur darauf, dass es richtig knallt und sich all der Frust gewaltsam entlädt.

Credits

OT: „Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Nicole Weegmann
Drehbuch: Peter Probst
Kamera: Willy Dettmeyer
Besetzung: Axel Milberg, Almila Bagriacik, Thomas Küge, Anja Antonowicz, Joseph Bundschuh, Jördis Triebel, Vidina Popov, Arnd Klawitter

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„Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer“ nimmt sich des aktuellen Themas frustrierter, abgehängter Männer an, die sich in Gruppen zusammenrotten und davon träumen, sich Frauen einfach nehmen zu können. Als tatsächlicher Krimi ist das weniger interessant. Spannend ist der Einblick in eine von der Realität entkoppelte Subkultur aber schon, deren Angst und Ohnmacht eine gefährliche Eigendynamik entwickelt.
7
von 10