Tatort Angezählt
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Tatort: Angezählt

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„Tatort: Angezählt“ // Deutschland-Start: 15. September 2013 (Das Erste)

Inhalt / Kritik

Eigentlich wollte sich die ehemalige Prostituierte Yulya Bakalova (Milka Kekic) nur schnell eine Zigarette anzünden, als sich ein Junge (Abdülkadir Tuncer) ihr nähert und sie mit Benzin bespritzt. Sofort steht die Frau in Flammen und muss mit schwersten Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Für Bibi Fellner (Adele Neuhauser) ist dies auch ein persönlicher Schlag, war die Verstorbene doch vor vielen Jahren eine wichtige Zeugin gewesen in einem Prozess gegen den bulgarischen Zuhälter Ilhan Aziz (Murathan Muslu). Bei ihren Ermittlungen stellen sie und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) fest, dass Aziz vorzeitig entlassen wurde und sich offenbar rächen wollte. Fellner, die sich wegen der Geschichte schwere Vorwürfe macht, ist fest entschlossen, ihm das Handwerk zu legen. Nur wie?

Ein persönlicher Kampf

Wenn im Tatort der Ermittler oder die Ermittlerin irgendwie in einen Fall involviert wird, ist das oft ein eher billiger Versuch, Spannung und Drama erzeugen zu wollen. Doch es gibt durchaus auch Beispiele, wo eine persönliche Involvierung vom Vorteil sein kann. Angezählt ist eines dieser Beispiele, wenn der Mord an einer bulgarischen Ex-Prosituierten für Fellner zu einem persönlichen Trauma wird. Schließlich hatte sie der Zeugin seinerseits versprochen, sie beschützen zu wollen, und konnte am Ende dieses Versprechen nicht einlösen. Der ganze Film ist von den Selbstvorwürfen der Polizistin geprägt, die irgendwie versucht, diese Schuld wieder abzuarbeiten. Und der Weg dazu führt über Aziz, ein brutaler Ex-Boxer, der Frauen misshandelt und verkauft. Sie zu Sklavinnen macht, wie es Fellner an einer Stelle bezeichnet.

Zunächst meint man noch, dass es beim 881. Film der ARD-Krimireihe auf einen dieser Selbstjustiztrips hinauslaufen könnte, siehe auch Das Haus am Ende der Straße oder Am Ende des Tages. So darf Fellner eine ungewohnt emotionale Seite an sich zeigen, wenn ihr der Fall so richtig an die Nieren geht – obwohl sie zu Beginn des Films sagt, dass sie nur noch wenig spürt. Die Wut, die aus ihr herausbricht, als sie das erste Mal Aziz gegenübersteht, erhöht die Spannung, wie sehr das wohl alles noch eskalieren wird. Die Geschichte geht dann aber doch in eine etwas andere Richtung als bei den oben genannten Titeln. Tatort: Angezählt ist aber nicht minder sehenswert. Und nicht minder wuchtig, wenn einem das Schicksal der Menschen hier schon sehr nahe geht.

Zwischen Drama und Duell

Als Krimi ist der Film dabei wenig interessant. Wer die Frau getötet hat, wissen wir, die Szene mit dem Jungen wird schließlich gezeigt. Wer hinter dem Mord steht, ist auch kein Geheimnis. Tatort: Angezählt verrät das recht schnell. Wer am Sonntagabend einschaltet, um möglichst viel rätseln zu können, der ist hier deshalb an der falschen Adresse. Denn darum geht es nicht. Stattdessen handelt es sich um eine Mischung aus Drama und Thriller, bei der persönliche Abgründe auf eine Art Duell hinauslaufen. Kann es die engagierte, körperlich aber weniger beeindruckende Fellner mit ihrem Polizeiapparat schaffen, den Gangster zu stellen? Oder gewinnt der brutale Boxer, der sich an keinerlei Regeln halten muss und sich auf diese Weise Vorteile verschafft?

Das ist durchaus spannend, da auch sehr gut gespielt. Adele Neuhauser verkörpert in ihrem siebten Auftritt als Fellner eine Frau, die zwischen Zerbrechlichkeit und Wut wechselt, eifrig kämpft und doch die einzige ist, die sich wirklich um den Jungen kümmert. Ihr gegenüber steht Murathan Muslu (Hinterland) als frauenverachtende Urgewalt, die sich nimmt, was sie will, und den Rest einfach zerstört. Die dritte Hauptfigur ist die des Jungen, der zwischen den Fronten steht, gleichzeitig Mörder und Opfer ist. Auch das ist tragisch, selbst wenn sich dessen Schicksal nicht ganz so sehr aufs Publikum überträgt. Die meiste Zeit starrt er apathisch und stumm vor sich her, was es ein wenig schwer macht, sich in ihn hineinzuversetzen. Doch auch wenn der etwas seltsam in den Hintergrund geschoben wird, ist der in Ansätzen gesellschaftskritische Tatort: Angezählt ein guter Teil der Endlosreihe, obwohl oder weil er anders funktioniert als die meisten.

Credits

OT: „Tatort: Angezählt“
Land: Deutschland, Österreich
Jahr: 2013
Regie: Sabine Derflinger
Drehbuch: Martin Ambrosch
Musik: Geri Schuller
Kamera: Christine A. Maier
Besetzung: Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser, Abdülkadir Tuncer, Murathan Muslu, Daniela Golpashin, Hubert Kramar, Zafer Gözütok

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Tatort: Angezählt
Fazit
„Tatort: Angezählt“ mag als Krimi wenig taugen, wenn gleich zu Beginn klar wird, wer wen getötet hat und aus welchem Grund. Spannend ist die Mischung aus Drama und Duellthriller aber schon, wenn die zerbrechliche und von Schuld zerfressene Polizistin Jagd auf einen brutalen Zuhälter macht.
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